Passiert large

Zusammen Zara?

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Jür­gen Mül­ler

Mon­tag, 14. Okto­ber. So leer wird man die­sen Laden nie mehr erle­ben wie auf den Fotos in der aktu­el­len TW. Der 5000 m² gro­ße (!) neue Zara in Lis­sa­bon ist nicht nur archi­tek­to­nisch beein­dru­ckend. Wer ein Kon­zept für den Depart­ment Store der Zukunft sucht, der wird hier womög­lich fün­dig. Auf den vier Eta­gen an der Pra­ca D. Pedro IV gibt es das kom­plet­te Mode­an­ge­bot. Wäsche, Schu­he und Taschen sowie die Acti­ve­wear haben eben­so einen eige­nen Bereich wie die die Con­tem­po­ra­ry-Kol­lek­ti­on Ori­g­ins und die Kos­me­tik. Im Café kann man Pas­tel de natas essen. Und in die Zara Home-Abtei­lung wür­de man am liebs­ten sofort ein­zie­hen.

Neben dem Offen­sicht­li­chen ist der Store auch tech­no­lo­gisch Sta­te of the Art und ein­ge­bet­tet in das Omnich­an­nel-Öko­sys­tem von Indi­tex: Natür­lich kann man vor dem Besuch die Ver­füg­bar­keit von Arti­keln che­cken, die­se auch online ordern bzw. reser­vie­ren und nach zwei Stun­den abho­len. Über die Zara-App kann man Umklei­den buchen. Es gibt Abhol­au­to­ma­ten für Online-Bestel­lun­gen, eine auto­ma­ti­sier­te Retou­ren­ab­wick­lung sowie Self-Check­out-Zonen. Über­flüs­sig zu erwäh­nen, dass das kom­plet­te Gebäu­de ener­gie­ef­fi­zi­ent betrie­ben wird.

Lis­sa­bon, wo die neu­es­te Laden­bau­ge­nera­ti­on ver­baut wur­de, ist nicht ein­mal der größ­te Store der Spa­ni­er. Vor knapp einem Jahr eröff­ne­te Zara in Rot­ter­dam auf 9000 m². Der Ein­druck, Indi­tex set­ze für sei­ne wich­tigs­te Toch­ter auf Flä­chen­ex­pan­si­on, täuscht indes. Im Ver­gleich zu 2019 ist die Zahl der Zara-Läden um rund 50 geschrumpft, Ende 2023 waren es welt­weit 2221. Das Unter­neh­men hat dafür sei­nen Net­to­um­satz seit­dem um ein Drit­tel auf über 26 Mrd. Euro gestei­gert. Zara setzt auf weni­ger, aber schö­ne­re Geschäf­te, die auch als Mar­ken-Show­room für das boo­men­de Online-Busi­ness fun­gie­ren. Die­ses steht bei Indi­tex inzwi­schen für rund 25% der Erlö­se.

Der Indi­tex-Umsatz ist trotz Infla­ti­on, Krie­gen und Rezes­si­on im ers­ten Halb­jahr um 7,2 Pro­zent auf über 18 Mil­li­ar­den gewach­sen. Und in einer Markt­si­tua­ti­on, wo der Wett­be­werb allent­hal­ben mit sin­ken­den oder gar nicht mehr vor­han­de­nen Erträ­gen kämpft, haben die Spa­ni­er das Net­to­er­geb­nis sogar über­pro­por­tio­nal um gut 10 Pro­zent auf 2,8 Mil­li­ar­den stei­gern kön­nen. Man kann nur den Hut zie­hen vor die­ser Per­for­mance, hin­ter der ein weit­sich­tig agie­ren­des und kom­pe­ten­tes Manage­ment steht, das nichts anbren­nen lässt und das über­le­ge­ne Geschäfts­mo­dell unter Ein­satz aller tech­no­lo­gi­schen Mög­lich­kei­ten per­ma­nent wei­ter­ent­wi­ckelt.

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Don­ners­tag, 16. Okto­ber. „Zusam­men sind wir Zara.“ An Heinz Kro­gners legen­dä­ren Aus­spruch sei­ner­zeit beim TW-Forum muss­te unwei­ger­lich den­ken, wer den Bei­trag „Lasst uns los­le­gen“ in der aktu­el­len TW gele­sen hat. Ein illus­trer Kreis von Unter­neh­mern und Top-Mana­gern aus Indus­trie und Han­del traf sich auf Initia­ti­ve von hach­meis­ter + part­ner und TW in Mün­chen, um eine „Neu­de­fi­ni­ti­on und Wei­ter­ent­wick­lung des gemein­sa­men Koope­ra­ti­ons­mo­dells“ zu dis­ku­tie­ren.

Es ist ein Deja-vu. Seit Kro­gners Auf­tritt vor über 20 Jah­ren hat es etli­che sol­cher Initia­ti­ven gege­ben. Stets war die Ziel­set­zung, gemein­sam mehr Geld ver­die­nen zu wol­len. Unver­ges­sen Claus Vockes Auf­tritt bei einem die­ser TW-Work­shops, den er mit der Win­ne­tou-Melo­die unter­leg­te, um dann über „ein­ge­bil­de­te Ver­ti­ka­li­sie­rung“, Unver­bind­lich­keit und „das vie­le Gela­ber“ der angeb­li­chen Bluts­brü­der im Mode­busi­ness her­zu­zie­hen.

Das ist jetzt 16 Jah­re her. Seit­dem sind neue The­men und Instru­men­te dazu gekom­men. Zugleich ist der Markt für die Mul­ti­la­bel­an­bie­ter und ihre Lie­fe­ran­ten dra­ma­tisch geschrumpft. Aus der Part­ner­schaft ist längst eine Schick­sals­ge­mein­schaft gewor­den. Zusam­men Zara? Heinz Kro­gners Appell (der in Wahr­heit natür­lich nur ein grif­fi­ger Ver­kaufs­slo­gan für noch mehr Esprit-Shops war) hat nicht gefruch­tet.

Und das ist auch kein Wun­der. In Sonn­tags­re­den wird ger­ne die „ver­trau­ens­vol­le Part­ner­schaft zwi­schen Indus­trie und Han­del“ beschwo­ren. Frei­lich ver­steht dar­un­ter jeder etwas ande­res. Für die Indus­trie ist Part­ner­schaft, wenn der Han­del sich über Shops lang­fris­tig bin­det, mög­lichst wenig Retou­ren schickt, alle Abver­kaufs­da­ten zur Ver­fü­gung stellt und natür­lich sei­ne Rech­nun­gen pünkt­lich bezahlt. Für den Han­del ist Part­ner­schaft, wenn die Lie­fe­ran­ten mög­lichst hohe Kal­ku­la­tio­nen garan­tie­ren, Depot­ver­trä­ge unter­schrei­ben, unver­kauf­te Ware zurück­neh­men und ordent­li­che WKZs bei­steu­ern. Das Gere­de von der Part­ner­schaft ist all­zu oft schein­hei­lig und soll nur die hand­fes­ten Inter­es­sen­ge­gen­sät­ze ver­de­cken, die es im Ver­hält­nis von Indus­trie und Han­del nun mal gibt: Bei­de Sei­ten wol­len Geld ver­die­nen, und das geht ten­den­zi­ell auf Kos­ten des ande­ren.

Leider gibt es nur wenige Lieferanten, die das Systemgeschäft wirklich und nachhaltig beherrschen. Auf der anderen Seite entwickeln auch viele Fachhändler nicht mehr die Anziehungskraft, die die Kunden heute triggert.

Statt wol­kig von Part­ner­schaft soll­te man des­halb bes­ser dar­über reden, wie man zu einem bei­de Sei­ten befrie­di­gen­den Inter­es­sen­aus­gleich kommt. Das ist es, was Ein­kauf und Ver­kauf täg­lich mit­ein­an­der aus­han­deln. Wer dabei wie abschnei­det, ist am Ende eine Macht­fra­ge. Die Eigen­in­ter­es­sen der Betei­lig­ten zemen­tie­ren letzt­lich aber die bestehen­den Struk­tu­ren. Inner­halb die­ser Struk­tu­ren wird man die Nach­tei­le gegen­über dem ver­ti­ka­len Geschäfts­mo­dell im Hin­blick auf Effi­zi­enz und Tren­d­re­ak­ti­ons­ge­schwin­dig­keit kaum aus­glei­chen kön­nen. Zumal es nur weni­ge Lie­fe­ran­ten gibt, die das Sys­tem­ge­schäft wirk­lich und nach­hal­tig beherr­schen.

Auf der ande­ren Sei­te ent­wi­ckeln lei­der auch vie­le Fach­händ­ler nicht mehr die Anzie­hungs­kraft, die die Kun­den heu­te trig­gert. Zara hat ja nicht nur das Sor­ti­ment und die Waren­wirt­schaft per­fek­tio­niert, son­dern gibt in allen Erfolgs­fak­to­ren – ange­fan­gen beim POS-Auf­tritt, über den Look & Feel von Schau­fens­tern und Web­shop, den Akti­vi­tä­ten in Social Media bis hin zur kanal­un­ab­hän­gi­gen Cus­to­mer Jour­ney ein stim­mi­ges Bild ab.

Schon gar nicht wird man Shein kopie­ren kön­nen, denn das ist ja nichts ande­res als eine Direkt­ver­triebs­platt­form für die chi­ne­si­schen Pro­du­zen­ten, die bis­lang als Werk­bank für die hie­si­ge Indus­trie fun­gier­ten. Als Geschäfts­mo­dell ist dies qua­si die End­stu­fe der Ver­ti­ka­li­sie­rung. Kom­bi­niert mit einem inno­va­ti­ven User-Inter­face, des­sen Attrak­ti­vi­tät sich über 20jährigen nicht mehr erschließt.

Man kann die­se Geschäfts­mo­del­le nicht mal eben so kopie­ren. Aber man sie kapie­ren und davon ler­nen. Die Digi­ta­li­sie­rung bie­tet hier auch neue Mög­lich­kei­ten und Tools. Wenn Work­shops dazu das Ver­ständ­nis för­der­ten und Über­zeu­gungs­ar­beit leis­te­ten, wäre schon viel gewon­nen.

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