Samstag, 28. November. Von wegen, es kommt keine Sau mehr ins Geschäft – bei Woolworth in Dinslaken hat heute ein Wildschwein randaliert. Offenbar hat sich das Tier in der Glasfront vor dem eigenen Spiegelbild erschreckt und raste daraufhin mehrfach gegen die Eingangstür, bis diese schließlich zerbrach. Vielleicht hat das Schwarzwild aber auch einfach etwas gegen Rotpreise? Oder es wollte zur Abwechslung mal Schnäppchenjäger jagen? Wie auch immer: Das Tier ließ im Laden die Sau raus. Kunden und Mitarbeiter kamen mit dem Schrecken davon.
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Montag, 30. November. In Großbritannien geht die Arcadia Group in die Knie, zu deren 470-Läden-Reich unter anderem Topshop gehört. 13.000 Mitarbeiter sind von der Insolvenz betroffen. Als Folge der Pleite wird auch die Debenhams-Gruppe mit ihren 124 Kaufhäusern abgewickelt. Es zeigt sich das Muster, das wir auch aus Deutschland kennen, wo Anbieter wie Esprit, AppelrathCüpper, Sinn und allen voran Galeria Karstadt Kaufhof sich früh unter den Schutzschirm retten mussten. Auch die Arcadia Group schwächelte nicht erst seit Corona.
Topshop ist indes ein besonderes dramatischer Fall von Verfall. Die Highstreet-Marke war einmal so etwas wie die coolste Inkarnation von Stylish und Cheap, das Flagship an der Oxford Street in London ein Pflichtbesuch für jeden Modeprofi. Früh hat Topshop auch auf Designer-Kooperationen gesetzt, etwa mit J.W. Anderson, und selbst Kate Moss hatte mal eine eigene Linie. Der Lack ist allerdings schon lange ab. Wer glaubt, aus dem Niedergang des Unternehmens so etwas wie eine Abkehr von der kurzlebigen und resourcenvernichtenden Fast Fashion ablesen zu können, der irrt zugleich. Denn es sind insbesondere die digitalen Ultra-Fast-Fashion-Formate wie Boohoo und Asos, die Topshop alt aussehen ließen, weil sie Trends eben noch schneller und noch billiger in den Verkauf bringen. Auch die stationäre Konkurrenz von Primark mit seinen noch niedrigeren Preisen oder Zara mit dem besseren Trendgespür dürften Topshop zugesetzt haben.
In Deutschland betreibt Topshop zwei Flächen bei der Kadewe Group und acht bei Karstadt und Kaufhof – Baustellen, die man dort bestimmt jetzt nicht auch noch braucht. Und in Großbritannien kreisen die Geier über der High Street. Denn Arcadia Group-Inhaber Philip Green wird womöglich verkaufen müssen. Es wird nicht der letzte Deal gewesen sein, den wir in den kommenden Monaten sehen werden.
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Dienstag, 1. Dezember. Es ist die Stunde der Finanzakrobaten. Wobei nicht alles, was legal ist, auch legitim ist.
Bei Tom Tailor hat sich Hauptaktionär Fosun mit der GmbH das operative Business gesichert, das nach Staatsbürgschaften von den Banken gestützt wird. Bonita hat man dem Management überlassen, und die Dachgesellschaft wird abgewickelt. Diese Zerlegung ruft einem Bericht des aktuellen Manager Magazins zufolge nun die Gläubiger auf die Barrikaden. Diese werden von den über 400 Millionen Euro an Forderungen, die allein bei der Holding angemeldet sind, keinen Cent sehen. Für Fosun war die Hamburger Beteiligung bislang auch ein Minus-Geschäft. Doch die Chinesen haben – anders als die Gläubiger der Holding – durch die GmbH-Übernahme zumindest die Chance, einen Teil ihres Invests wiederzusehen.
Vergangene Woche wurde dann auch Escada verkauft. Mal wieder. Die 90er Jahre-Perle wurde über Jahre heruntergewirtschaftet und steckt seit September in der zweiten Insolvenz. Vorbesitzerin Megha Mittal hatte lange nach einem Übernehmer gesucht und diesen 2019 in der US-Beteiligungsgesellschaft Regent gefunden. Der hat Escada in die Insolvenz geschickt – und jetzt vom Insolvenzverwalter zurückgekauft. Eine eiskalte Sanierung auf Kosten von 105 der insgesamt 180 Beschäftigten, die nun ihren Job verlieren. Von acht Filialen in Deutschland werden bis auf München alle schließen müssen. Und wie es danach in Aschheim weitergehen soll, ist unklar.
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Mittwoch, 2. Dezember. Premium und Messe Frankfurt stellen ihr Konzept für die Frankfurt Fashion Week vor. Bei aller Skepsis, die viele in der Branche gegenüber dem Umzug von Berlin hegen, muss man festhalten, dass die Messemacher einen frischen Impuls setzen und mit Digitalisierung und Nachhaltigkeit die beiden zentralen Zukunftsthemen besetzen. Flankiert werden die diversen Messeformate von Veranstaltungen in der ganzen Stadt, Modenschauen, Kongresstagen und der neuen Skateweek SKTWK. Bemerkenswert auch die Entscheidung der TextilWirtschaft, das traditionsreiche TW-Forum nach über 60 Jahren in Heidelberg an den heutigen Verlagsstandort am Main zu verlegen. Corona wird den Traditionsbruch erleichtert haben. Der Juli ist einfach ein sicherer Termin als der Mai.
„Die Frankfurt Fashion Week mit ihrem Ecosystem wird zum Enabler“, lässt sich Anita Tillmann zitieren. „Wir kreieren eine Plattform, die den branchenweiten Change choreografiert. Mit diesem Impuls entwickeln wir auch unsere Messeformate von einem Marketplace of Product zu einem Marketplace of Purpose and Ideas.“ Eine gelungene Bewerbung für den Sprachpanscher des Jahres. Aber das macht zumindest neugierig. Und wer weiß, vielleicht entsteht jenseits der Buzzwords in Frankfurt mal etwas ganz Neues, das die tradierte Vorstellung von einer Messeveranstaltung sprengt. Wir sollten alle hingehen.
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Donnerstag, 3. Dezember. Von der „Rückkehr der Zombie-Nerze“ berichtet heute die Süddeutsche Zeitung. Nach der Keulung von 15 Millionen (!) Zuchtnerzen in Dänemark brachen die fauligen Kadaver aus einem Massengrab an die Oberfläche. Der sandige Untergrund in Jütland hielt dem Verwesungsdruck nicht stand. Der dänische Staat hatte die Tötung der Pelztiere verfügt, nachdem sie von einer mutierten Form des Sars-CoV-2-Virus befallen worden waren. Das Aus für eine ganze Branche und Auslöser einer veritablen Regierungskrise. Die Nerz-Wiedergänger seien „die ultimative Fuck You-Geste des unglückseligen Jahres 2020“, zitiert die SZ eine dänische Zeitung.
Das Jahr ist ja bald vorbei.