Der Einzelhandel sendet widersprüchliche Signale aus in diesen Tagen.
Da ist auf der einen Seite das Black Friday-Getrommel, das seit Wochen penetrant auf allen Kanälen läuft. Es ist ein Schlussverkauf, bevor die Saison überhaupt begonnen hat. Früher, als das Rabattgesetz noch galt und die Ladenöffnungszeiten strenger waren, lief der offizielle Winterschlussverkauf Ende Januar, Anfang Februar. Das war die Zeit, als es auch noch den Mantel-Samstag gab; das war der erste lange Samstag im November, an dem der Handel traditionell besonders viele hohe Bons mit warmen Jacken eingefahren hat. Tempi passati.
Dieses Jahr saßen die Leute Anfang November in kurzen Hosen auf der Terrasse. Und warteten auf den Winterstartverkauf, der sich absurderweise nach dem amerikanischen Thanksgiving-Termin richtet. Aber auch ohne Black Friday sind die Preise längst im Sinkflug. Was aus Sicht des Handels beklagenswert, aber eine zwangsläufige Folge der Überkapazitäten am Markt ist. Über die kurzfristigen Margenverluste hinaus tragen damit alle gemeinsam zur generellen Entwertung von Mode in den Augen der Verbraucher bei. Dieses Rad wird sich kaum mehr zurückdrehen lassen. Die Schlauen haben sich längst darauf eingestellt und ihre Preisaktionen geplant und kalkuliert. So wie früher den Winterschlussverkauf, wo ja auch nicht nur Restanten vermarktet wurden.
Während der Einzelhandel auf der einen Seite aggressiv auf die Preispauke haut, lässt er auf der anderen Seite den ganz großen Gefühlen freien Lauf. Seit einigen Jahren überbieten sich die Anbieter mit sentimentalen Spots – große Kinderaugen, traurige Rentner, gerührte Eltern, zarte Klaviermusik und herzzerreißender Gesang sollen die Konsumenten in Weihnachtstimmung bringen. Das Ganze geht teuer über TV und bestenfalls viral über social media. Unvergessen Edekas Heimkommen, der auf YouTube mittlerweile über 60 Millionen Mal gesehen wurde. Ausgelöst hat diese Welle John Lewis. Die Briten haben auch dieses Jahr wieder einen brillanten Hit gelandet, mit Elton Johns Kindheitserinnerungen. Es steht zu befürchten, dass die anderen nachziehen. Werden wir nächstes Jahr einen altersmilden GNTM-Juror Wolfgang Joop verzückt auf sein kreatives Schaffen für Kaufhof zurückblicken sehen? Wird Kik womöglich eine zweijährige Verona Pooth im Strampler über den Kindergarten-Laufsteg wackeln lassen?
In diesem Jahr lässt Zalando einen Diversity-Chor „Stille Nacht“ singen. Kaufland positioniert sich als offizieller Ausstatter des Weihnachtsmanns. Bei Lidl flüchten die Kinder vor den sich streitenden Eltern in ein weihnachtliches Wolkenkuckucksheim. Ikea lässt Vater und Sohn ein Weihnachtschaos anrichten. Auch Otto zelebriert die unperfekten Weihnachtsmomente. Amazon lässt seine Pakete „Can you feel it“ singen. Sollen sich die Kunden ruhig schon mal daran gewöhnen, dass die Zustellung eines Tages vollautomatisch und ohne menschliches Zutun erfolgen wird. Penny erzählt die ergreifende Geschichte eines kleinen Außenseiters und seiner alleinerziehenden Mutter (unterlegt ausgerechnet mit Elton Johns John Lewis-Song!). Auch Apple hat einen Animationsfilm produziert. Diesel verschenkt gute Gedanken. Edeka langweilt mit einer Szene an der Fleischtheke. Nicht selten ist man geneigt, vorzuspulen. So wie die Familie in dem Clip für Waitrose, die die John Lewis-Werbung nicht zu Ende sehen mag, weil der Christstollen lockt.
Dass Black Friday-Rummel und Weihnachtsstimmung sehr wohl zusammengehen, machen in diesem Jahr einige Mittelständler vor. Sie machen den „Black Friday“ zum „Better Friday“. Die in der City-Initiative „Münchens erste Häuser“ zusammengeschlossenen Einzelhändler Hirmer, Schuster und Kustermann spenden an diesem Freitag einen Teil ihres Tagesumsatzes an die Stiftung “kids to life“. Eine ähnliche Idee hat Ramelow in Elmshorn, der 10% seiner Einnahmen heute dem Kinderschutzbund spenden wird. Eine kluge Antwort auf billige Rabattaktionen.
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