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Was wird aus Gerry Weber?

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Jür­gen Mül­ler

Ange­li­ka Schind­ler-Oben­haus war bei Ger­ry Weber so etwas wie die rich­ti­ge Frau zur fal­schen Zeit. Sie über­nahm ein nach Inha­ber­wech­seln und Insol­venz zutiefst ver­un­si­cher­tes Unter­neh­men mit etli­chen Bau­stel­len und eine Mar­ke, die ihre größ­te Zeit hin­ter sich hat­te. Sie hat es ver­stan­den, in Hal­le so etwas wie Auf­bruch­stim­mung zu erzeu­gen und Ver­bün­de­te um sich zu scha­ren. Mit Initia­ti­ven wie der Vier-Tage-Woche posi­tio­nier­te sie das Unter­neh­men als fort­schritt­li­chen Arbeit­ge­ber. Sie hat die Kol­lek­ti­on moder­ni­siert und der Mar­ke fri­schen Wind ein­zu­hau­chen ver­sucht.

Dabei hat Schind­ler-Oben­haus der Ver­su­chung wider­stan­den, die Mar­ke ver­jün­gen zu wol­len, das funk­tio­niert in der Regel sowie­so nicht. Statt­des­sen hat sie mit der 'Gene­ra­ti­on Wow' den bestehen­den Kun­din­nen gehul­digt. Dazu hat die CEO sich in Insta­gram und Lin­ke­dIn als Role Model und Gesicht der Mar­ke insze­niert (das gehör­te zu den weni­gen Din­gen, die Ger­hard Weber nicht konn­te, RIP). Ihre Social Media-Prä­senz sorg­te teil­wei­se für Stirn­run­zeln, ins­be­son­de­re bei denen, die ger­ne eben­so vie­le Fol­lower hät­ten. Ande­rer­seits zahl­te die­se Kom­mu­ni­ka­ti­on auf die Wahr­neh­mung der Mar­ke ein. Die vie­len "Bei­leids­be­kun­dun­gen" in Lin­ke­dIn und Insta­gram lesen sich ziem­lich beein­dru­ckend.

Im Sin­ne einer lang­fris­tig ange­leg­ten Repo­si­tio­nie­rung von Ger­ry Weber hat Ange­li­ka Schind­ler-Oben­haus jeden­falls mehr rich­tig als falsch gemacht. Allein, der Markt ließ dem Unter­neh­men nicht die Zeit. Zur mie­sen Kon­sum­kon­junk­tur kamen Kata­stro­phen wie der Ukrai­ne­krieg, der das wich­ti­ge Russ­land­ge­schäft abwürg­te. Das Manage­ment war zu per­ma­nen­tem Kri­sen­ma­nage­ment gezwun­gen, statt sei­ner Agen­da fol­gen zu kön­nen.

Frü­he­re Kun­den vom neu­en Ger­ry zu über­zeu­gen und neue Kun­den für die Mar­ke zu gewin­nen, braucht Zeit. Und Geld. Bei­des woll­ten die Inves­to­ren dem Unternehmen nicht geben.

Aber auch die Pro­duk­te ent­spra­chen nicht der Erwar­tungs­hal­tung der Ein­zel­han­dels­part­ner. Die redu­zier­ten ihre Orders oder lis­te­ten die Mar­ke gleich ganz aus. Das Schub­la­den­den­ken ist im Han­del bekannt­lich sehr aus­ge­prägt. Bei der aktu­el­len Markt­la­ge kann man indes nie­man­dem feh­len­de Expe­ri­men­tier­lust vor­wer­fen.

Frü­he­re Kun­den vom neu­en Ger­ry zu über­zeu­gen und neue Kun­den für die Mar­ke zu gewin­nen, braucht ent­spre­chend Zeit. Und Geld. Bei­des woll­ten die Inves­to­ren Ger­ry Weber nicht geben. Statt­des­sen dräng­ten sie auf eine rabia­te Sanie­rung, der defi­zi­tä­re Retail wur­de abge­wi­ckelt und die Gläu­bi­ger, deren For­de­run­gen im Zuge der letz­ten Insol­venz in Fir­men­an­tei­le umge­wan­delt wor­den waren, wur­den mit Hil­fe des Sta­RUG-Ver­fah­rens ent­eig­net.

Dass der neue Vor­stand Dirk Rei­chert Schind­ler-Oben­haus' stra­te­gi­schen Kurs 1:1 fort­setzt, ist unwahr­schein­lich. Rei­chert ist ein sturm­er­prob­ter Restruk­tu­rie­rer, der die Inves­to­ren von Lau­rèl her kennt. Die­se wer­den wis­sen, wie sie ihren Schnitt machen. Rei­chert wird zunächst den Restruk­tu­rie­rungs­plan umset­zen. Und womög­lich wei­te­re Kor­rek­tu­ren ein­lei­ten, die kurz­fris­tig die GuV ent­las­ten. Ein Ziel wird es sein, das Unter­neh­men für einen poten­zi­el­len Über­neh­mer attrak­tiv zu machen. Wie sich die Mar­ke dann stra­te­gisch aus­rich­tet, wer­den wir sehen. Am Ende wird es aus­schließ­lich dar­auf ankom­men, dass auch der Han­del wie­der Geld mit Ger­ry ver­dient.

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Und sonst?

…wur­de Saba­to De Sar­nos Guc­ci-Auf­schlag über­wie­gend posi­tiv bespro­chen. Ein­zig Tim Blanks von BoF gab sich gal­lig. Sein Vor­wurf, grob gespro­chen: Trag­bar­keit. So weit ist es schon gekom­men mit der Mode­kri­tik.

…mel­det das EHI rück­läu­fi­ge Umsät­ze für E‑Commerce: Minus 2,8% in 2022. "Damit ist das kon­ti­nu­ier­li­che Wachs­tum des Online­han­dels erst­mals gestoppt", schrei­ben die Autoren der Stu­die. Ent­war­nung für Sta­tio­när? Von wegen. Die Top 1000 Onli­ner set­zen in Deutsch­land immer noch über 50% mehr um als 2019.

….hat Online-Gigant Shein im Münch­ner Glo­cken­bach­vier­tel einen Popup-Store eröff­net. Ver­mut­lich nicht zufäl­lig zur Okto­ber­fest-Zeit, wo vie­le Besu­cher auch abseits der Wies‘n unter­wegs sind. Dass die Chi­ne­sen wegen rück­läu­fi­ger E‑Com-Umsät­ze in Deutsch­land hier­zu­lan­de nun sta­tio­när expan­die­ren, ist jeden­falls nicht zu erwar­ten.

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