Die Branche fährt mit gemischten Gefühlen nach Berlin. Und das nicht nur wegen des anstehenden Brexits, der alles andere als eine vertrauensbildende Maßnahme für die Konjunktur ist. Wir haben eine knallharte Saison hinter uns. Und das ist gemeinhin keine gute Ausgangssituation für eine schwungvolle neue Orderrunde. Die Absatzprobleme spiegelten sich weniger in den Erlösen – die TW meldet nach fünf Monaten ein Umsatzminus von lediglich 1% gegenüber dem Vorjahr – als in den Erträgen. Der Umsatz wurde nämlich teuer erkauft. Nicht wenige Einzelhändler sind vom Winterschlussverkauf direkt zum Midseason Sale übergangen, und während draußen der Sommer auf sich warten ließ, versucht der Wettbewerb seit vielen Wochen, den anhaltenden Frequenzrückgang mit der Preistrommel zu stoppen. Jeder weiß, dass das schädlich ist, und alle schimpfen. Appelle, im gemeinsamen Interesse auf den unverhältnismäßigen Rotstifteinsatz zu verzichten, werden dennoch nicht fruchten. Es bleibt nichts anderes, als sich auf diese Marktrealität einzustellen. Und entweder eine Leistung zu liefern, die höhere Preise rechtfertigt. Oder Kalkulationsreserven aufzubauen. Beides wird in der Orderrunde thematisiert werden.
Wenn Retailer wie Zero, Pohland oder c.a.r.o. Insolvenz anmelden und Filialisten wie Promod sich unter den Schutzschirm begeben, dann hat das indes nur vordergründig mit dem Konsumklima zu tun. Sondern viel mehr damit, dass diese Anbieter ihre Existenzberechtigung bei den Kunden nicht mehr klar machen konnten. Und überdies keine Antwort auf den Strukturwandel der Branche – die Konzentration, die Vertikalisierung, die Digitalisierung – gefunden haben. Vor dieser strategischen Herausforderung stehen alle Player im Markt. Man braucht eine klare Vorstellung, was man für seine Kunden sein möchte. Und einen Kompass, wie man dahin kommt. Das schnelle Modebusiness ermöglicht permanente Kurskorrekturen auf diesem Weg. Berlin kann Anstöße dazu liefern. Für einen Gutteil des Marktes geben die Messen nach wie vor die Taktung vor.
Im Übrigen ist die Branche Kummer gewohnt. Sie befindet sich in der Dauerkrise und hat damit umzugehen gelernt. In Berlin geht es nicht nur um Information und Kommunikation. Sondern auch um Motivation. Wir werden uns alle Mühe geben.
Und sonst?
…haben Investoren Balmain für die Rekordsumme von angeblich 500 Millionen gekauft – das wäre ein EBITDA-Multiple von 14. Nicht schlecht für eine Marke, die vor nicht allzu langer Zeit pleite war. Damit hat sich die H&M‑Kooperation im Nachhinein doppelt bezahlt gemacht.
…hat H&M nicht nur aktuell einen Gewinneinbruch, sondern mal wieder einen Shitstorm zu verkraften. Eine britische Studentin hat ihre Passformprobleme aus der H&M‑Kabine via Facebook öffentlich gemacht. Was 12.000 Mal geteilt, 96.000 Mal geliket und mehr als 10.000 Mal kommentiert wurde und das H&M‑Social Media-Team zu Überstunden nötigte. Es scheint, als habe nur der Brexit die Briten mehr bewegt.
…hatten auch die Spanier ihren Aufreger. Eine Zara-Kundin hat auf Facebook Fotos ihrer Füße gepostet, in die sich angeblich die Sandalen-Riemchen eingebrannt haben. Ein Anblick wie Peitschenhiebe. Der Beitrag wurde über 30.000 Mal geteilt. Immerhin 30 klickten „Gefällt mir“. Ob das Schuhfachhändler waren?
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