Nach allem, was man so hört und liest, scheint Alain Caparros den Deutschen Modehandelskongress vergangene Woche gehörig aufgemischt zu haben. Seine (Selbst)kritik stieß in den Medien auf breite Resonanz. „Wie der C&A‑Chef die Textilwirtschaft schockt“, schrieb das Handelsblatt durchaus zweideutig in Anspielung auf den Kongressveranstalter. Caparros ist als Rampensau bekannt, und er gab – um im tierischen Bild zu bleiben – dem Affen ordentlich Zucker.
Wer hat Schuld an der Misere des Textileinzelhandels? Das Wetter? Es sei doch die Aufgabe der Handelsmanager, Situationen wie in diesem Herbst zu meistern, meint Caparros. „Die meisten Manager denken, sie seien Teil der Lösung. Nach 35 Jahren weiß ich, dass ich Teil des Problems war.“ Der Wettbewerb? „Wie können Sie sich erklären, dass ein Aldi, ein Lidl inzwischen ein Viertel des Marktesbeherrschen. Wo ist Ihr Ehrgeiz?“ Primark? „Sie haben für Primark eine Autobahn aufgemacht für freie Durchfahrt. Das haben wir verpennt.“ Gut gebrüllt, Löwe!
Caparros sprach mit der Autorität des erfolgreichen Handelsmanagers, der bei der Rewe einen Super-Job gemacht hat. Im Lebensmittelhandel haben die Rewe- und Edeka-Supermärkte die Discounter in den Wachstumsraten seit Längerem abgehängt. Sie konnten dennoch nicht verhindern, dass Aldi & Co über 40% Marktanteil erobert haben. Die Kritik des spätberufenen Modehändlers ist deshalb wohlfeil. Und womöglich vor allem nach Innen gerichtet. Denn natürlich war es in erster Linie der einstige Branchenprimus C&A, der sich die Preisführerschaft von anderen wegnehmen hat lassen. Von den billigeren Lebensmitteldiscountern, vom modischeren und genauso günstigen H&M und jetzt vom noch billigeren Primark. Das war nicht nur, aber auch die Folge einer Abschottungspolitik, die zu lange an die Stärke des eigenen Geschäftsmodells glaubte und die Marktveränderungen nicht sehen bzw. nicht in aller Konsequenz mitgehen wollte. Ob die aggressive Preisvergleichswerbung jetzt die Lösung ist? Die geht gegen Kaufhof. Warum nicht gegen Primark? Caparros‘ subkutane Botschaft beim MHK war: Wo alle anderen es seit Jahren verbockt haben, kann auch ein Profi wie er nur noch Reparaturarbeit leisten und ein paar Weichen anders stellen. 2020 läuft sein Vertrag bei C&A aus.
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Der harte Herbst stellt nicht nur die etablierten Player, sondern auch die vermeintlichen Winner vor Herausforderungen. Nach Zalando hat jetzt auch Farfetch einen Riesen-Quartalsverlust gemeldet. Zwar steigerte die Luxusmode-Plattform den Umsatz im dritten Quartal um mehr als 50 Prozent, der Verlust hat sich auf über 77 Millionen Dollar fast verdreifacht. Zalando versucht der Fulfillment-Falle jetzt durch Versandgebühren zu entkommen, zunächst in Italien. Demnächst auch in Deutschland?
Dass dieBäume auch online nicht in den Himmel wachsen, musste schließlich auch Lesarafeststellen. Das einstige Vorzeige-Start-up hat Insolvenz angemeldet. Es istdie Quittung für einen allzu freihändigen Umgang mit Berichtspflichten; dieSchönrechnerei von Lesara-Gründer Roman Kirsch hat Vertrauen gekostet. Jetztstehen 350 Arbeitsplätze und 100 Millionen Investitionskapital auf demSpiel.
Und schließlich ist auch der Single’s Day nicht mehr, was er mal war. Der 11.11.brachte Alibaba zwar einen Rekordumsatz von umgerechnet über 27 Milliarden Euro, aber – so maulen manche Analysten – die Wachstumsdynamik habe nachgelassen. Im Internet gelten halt andere Maßstäbe.
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Und sonst?
…hat das Kartellamt die Fusion von Karstadt und Kaufhof ohne Auflagen durchgewunken.“Beide werden in zehn Jahren das gleiche Problem haben wie heute, weil das Warenhaus alter Prägung keine Zukunft hat“, kommentierte diese Woche Ex-Chef Thomas Middelhoff das Geschehen. Der Ex-Chef von Karstadt sprach auf der Fuckup Night an der Frankfurter Universität. Abwarten. Vielleicht entwickelt Kaufstadt ja ein Warenhaus neuer Prägung. Dinge können sich ändern, oder, wie der geläuterte Middelhoff selbst in Frankfurt sagte: ” Ich war auch nicht immer ein Arschloch.”
…übernimmt René Benko nach Kaufhof nun auch noch die Kronen-Zeitung, das ist quasi die österreichische Bild. Unter Milliardären scheint es schick geworden zu sein,sich Medienunternehmen zuzulegen. Bernard Arnault und Jeff Bezos haben es vorgemacht.
.…machte sich Twitter-Deutschland über das “Maas-Männchen” lustig. Der Außenminister hat sich vergangene Woche in Lederjacke und Turnschuhen der Presse gestellt. Der “Skandal” wäre steigerungsfähig gewesen, wenn Maas denn das neueste Modell von Diesel angehabt hätte. Mit der “Faggot-Lederjacke” wäre aus dem Laughstorm ein Shitstorm geworden.
…warnte Heiko Schäfer auf dem Deutschen Handelskongress in Berlin vor dem KI-Tsunami. Das berichtet jedenfalls die Welt. Zwar stand der Tom Tailor-CEO im Programm, auf der Bühne vertrat ihn aber Stefan Wenzel. Der hat seinen Chef offensichtlich gut vertreten. Schäfer redete dafür mit der TW, wo er sich bei seinen Handelspartnern für die Lieferprobleme entschuldigt.
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