Wäre ich jung, würde ich Blogger. Wir haben ja früher Zeitungen ausgetragen oder in den Sommerferien bei der Gebäudereinigung Toiletten geputzt, um uns was dazu zu verdienen. Die Jugend von heute macht sich die Hände allenfalls im übertragenen Sinn schmutzig. Indem sie ihren Followern und Freunden Produkte näherbringt und sich dafür bezahlen lässt. Immerhin jeder zweite Modeblogger verdient mit seinen Posts Geld, jeder sechste davon mehr als 500 Euro im Monat. Das hat Styleranking in einer verdienstvollen Studie erhoben. Kein schlechtes Taschengeld. Das den Verlagen in der Kasse fehlt. Aber was will man als junger Mensch auch machen? Zeitungsausträger werden schließlich immer weniger gebraucht.
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Dass den Modemarken in Sachen Schleichwerbung so ziemlich alles zugetraut wird, zeigt das aktuelle Beispiel von H&M. Tagelang wurde in den einschlägigen Blogs über eine großangelegte neue Kampagne der Schweden spekuliert. H&M habe für eine virale Kampagne ein Heavy Metal-Label und diverse Bands erfunden, um seine Motiv-Shirts zu promoten. Videos, Band-Biographien und Social Media-Einträge inklusive. Eine großartige Idee! Einziges, die Authentizität freilich steigerndes Manko: die angebliche Nazi-Verquickung des Labels "Strong Scene Productions". Jetzt scheint es so zu sein, dass es Metal-Fans waren, die den Fake aus Protest gegen die kommerzielle Ausbeutung ihrer Subkultur lanciert haben. Sie haben leider das Gegenteil erreicht und H&M die PR-Arbeit abgenommen. Nicht einmal Blogger mussten die Schweden dafür bezahlen.
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Die Grenzen der Glaubwürdigkeit loten demnächst auch die Eigentümer von Etsy aus: die DiY-Online-Plattform will an die Börse. Vor knapp zehn Jahren wurde der Marktplatz von Rob Kalin als eine Art alternatives Ebay gegründet, ein Internet-Flohmarkt, wo Menschen ausschließlich Selbstgemachtes anbieten sollten. Etsy wurde damit zur Ikone der Makers-Bewegung. An die 30 Millionen Produkte werden dort angeboten. Der Gründer ist 2011 ausgeschieden, seither führt ein früherer Yahoo ‑Manager die Geschäfte. Jetzt droht mit dem Börsengang der kapitalistische Ausverkauf der Idee. Die Geschichte erinnert an den Widerstand bei Hessnatur gegen den Einstieg eines Finanzinvestors, der u.a. auch im Rüstungsgeschäft tätig war. In beiden Fällen wittert eine loyale Kundschaft Verrat an den gemeinsamen Grundwerten. Glaubwürdigkeit ist ein scheues Reh.
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Und hier noch zwei Lesetipps:
Ein umfangreiches Portrait von Tom Ford zeichnet Sally Hughes für den Guardian.
Die Pläne des neuen Gap-Chefs Art Peck stellt Danielle Sacks in einer ausführlichen Story für Fast Company dar.
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