Die Deutschen haben verloren. Gestern auf dem Platz und morgen womöglich auch auf dem Markt. Spätestens seit dem Griechenland-Spiel mag man solche Fußball-Analogien zwar nicht mehr hören. Als Einstieg war das nach dem gestrigen Aus für „unsere“ Jungs aber dann doch zu naheliegend. Kommt nicht wieder vor, versprochen.
Viel entscheidender ist ohnehin, was derzeit in Brüssel passiert. Was die Regierungschefs auf dem EU-Gipfel beschließen, ist nicht bloß stimmungsrelevant. Langfristig geht es darum, die gemeinsame Währung durch eine gemeinsame, nachhaltige Wirtschafts- und Finanzpolitik zu stützen. Zum Euro gibt es nämlich keine Alternative, ein Auseinanderbrechen der Währungsunion muss verhindert werden. Dieses Mantra der Politik erscheint einem häufig wie ein bloßes Glaubensbekenntnis. Welche Katastrophe ein Euro-Aus für Wirtschaft und Gesellschaft tatsächlich bedeutete, macht der Spiegel-Titel diese Woche eindrucksvoll deutlich.
Kurzfristig betrachtet ist es tragischerweise aus deutscher Sicht fast egal, was in Brüssel beschlossen wird. Ob die Deutschen nun direkt weitere Milliarden in die diversen Rettungsschirme pumpen oder ob wir für die Schulden der Südeuropäer mithaften – es wird so oder so teuer. Sich dem einen wie dem anderen zu verweigern, ist ebenfalls keine Alternative. Denn die deutsche Exportwirtschaft lebt bei aller China-Euphorie in erster Linie immer noch vom europäischen Ausland. In der Industrie ist der Gegenwind bereits spürbar. Wie es aussieht, hat die Kanzlerin heute Nacht in zentralen Punkten nachgegeben.
Die Dauerkrise der europäischen Staatsfinanzen hat die Konsumlust der Deutschen bislang nicht tangiert. Die permanenten Krisentreffen der Politiker werden als Medienspektakel erlebt, die mit der Alltagserfahrung der Menschen nicht zu tun haben. Dass die Deutschen ihr Geld in den Konsum und in längerfristige Anschaffungen investieren, hängt vielleicht gerade mit dem geringen Vertrauen in die Finanzmärkte zusammen. Wenn demnächst aber womöglich die Arbeitslosigkeit steigt, und der Staat sein wachsendes Haushaltsdefizit über höhere Abgaben, Leistungskürzungen oder Geldentwertung – oder womöglich alles zusammen – bekämpft, wird dies nicht ohne Auswirkungen auf die Konsumstimmung bleiben.
Im Vorfeld von Berlin sind das eher trübe Aussichten. Industrie und Handel, die sich nächste Woche auf der Fashion Week treffen, werden sich auf eine harte Orderrunde einstellen müssen. Zumal das erste Halbjahr für den Modehandel (wetterbedingt) unbefriedigend lief. Und der katastrophale Herbst vielen immer noch in den Knochen steckt. Es wäre zudem nicht verwunderlich, wenn weniger Einkäufer aus dem Ausland nach Berlin kämen.
Trotzalledem lohnt sich der Besuch der deutschen Hauptstadt natürlich. Um Bread & Butter, Premium und Mercedes Benz Fashion Week herum hat sich ein Spektakel an Messen, Schauen, Parties und kulturellen Events etabliert, das international seinesgleichen sucht. Berlin ist damit zu einem obligatorischen Klassentreffen für Modeprofis geworden. Einen guten Überblick über die anstehenden Veranstaltungen gibt der Event-Kalender der Bread & Butter und natürlich die TextilWirtschaft.
Genauso sicher wie die nervöse Stimmung vor Berlin ist übrigens, dass am Ende der Fashion Week alle Beteiligten wieder die gute Stimmung loben werden (insbesondere, wenn das Wetter mitspielt). Berlin ist für die Branche eben nicht nur Information und Arbeit, sondern mindestens ebenso Unterhaltung, Motivation und Selbstvergewisserung.
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