Was für eine sensationelle Nachricht! Zalando kauft die Bread & Butter! Da musste man sich diese Woche erstmal die Augen reiben. Ist denn schon wieder April? Das ist ungefähr so, als wenn vor 20 Jahren Karstadt die heruntergewirtschaftete Igedo-Messe übernommen hätte. Soviel Fantasie hatten sie in Essen schon damals nicht. Es hätte auch wenig Sinn ergeben, anders als heute.
Dass ausgerechnet ein Online Retailer das Lebenswerk von Karl-Heinz Müller übernimmt, entbehrt nicht der Ironie. Müller ist ein hundertprozentiger "analog native" – ein charismatischer Macher, der sein Geschäft seit jeher auf intensiven persönlichen, nicht selten freundschaftlichen Beziehungen aufgebaut hat. Und der nicht zuletzt in der Überzeugung handelte, dass Messen als B2B-Treffpunkt eine Existenzberechtigung haben. Das ist nach wie vor so, auch wenn die Basis solcher Großveranstaltungen angesichts Vertikalisierung, Konzentration und Digitalisierung sicherlich weiter erodiert.
Karl-Heinz Müller soll den Deal eingefädelt haben. Verhandlungspartner wird aber der Insolvenzverwalter Christian Graf Brockdorff gewesen sein, dem es auf diese Weise gelungen ist, die Arbeitsplätze zu retten und der Organisation eine Zukunftsperspektive zu geben. Ob Müller an Bord bleibt, scheint offen. Wird der Bread & Butter-Gründer und President, der es gewohnt war, in Tempelhof schalten und walten zu können, künftig wirklich den leitenden Angestellten von Zalando geben?
Was David Schneider und seine Kollegen mit ihrer neuen Tochter vorhaben, wissen sie womöglich selbst noch nicht in allen Details. Naturgemäß wird deshalb jetzt wild spekuliert. "Wird aus dem einstigen Schlachtruf 'Zusammen sind wir Zara' bald 'Zusammen sind wir Zalando'?", kalauert Nina Piatscheck in ihrem TW-Kommentar in Anspielung auf das legendäre Krogner-Zitat. Ein Einzelhändler fragt spitz, ob "mir ein Mitbewerber in Zukunft vorführen wird, was ich einkaufen soll?" Dazu fällt mir nur ein, dass das Zara ja heute schon tut.
Doch im Ernst: Tatsächlich eröffnet Zalando mit der Übernahme ein neues Spielfeld. Für Markenkommunikation und womöglich auch für Vertrieb. Als Fashion-Event wird die Bread & Butter mit hoher Wahrscheinlichkeit funktionieren, jedenfalls ausstellerseitig – als Großkunde vieler Marken verfügt Zalando über gute Argumente. Nicht zuletzt könnte eine solche Präsentationsplattform auch für Retail Brands interessant sein. Terminlich wird man sich ziemlich wahrscheinlich aus dem Berliner Messereigen ausklinken. Im Vordergrund steht schließlich die aktuelle Saison. Und wer weiß schon, ob der eingeführte Markenname Bread & Butter nicht auch als Online-Plattform für Markenshops taugt? Das wäre die kongeniale Übersetzung eines stationären Multilabel-Konzepts ins Web und eine Art Omnichannel-Format, das in dieser Form niemand erwartet hätte. Eine stationäre Expansion ist für Zalando auf der anderen Seite wahrscheinlich kein sinnvoller Weg, jedenfalls nicht mit dem Multilabel-Sortiment. Und das nicht nur, weil Oliver Samwer wenig von Stores hält. Nicht überliefert ist, was der Zalando-Geburtshelfer von Messen hält.
Die B2B-Plattform Bread & Butter war zuletzt stehend k.o. Jetzt ist sie definitiv tot. Die Marke Bread & Butter werden die Zalando-Macher indes mit neuem Leben füllen.
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