
Ist Böck/Holzer die beste Lösung für Closed? Man weiß nicht, was die Alternative gewesen wäre. Auf jeden Fall gewannen die Marco O'Polo-Inhaber und ihr Ex-CEO und Aufsichtsrat das Kopf-an-Kopf-Rennen um die insolvente Hamburger Premium Brand. Und das ist gut so. Es geht weiter für Closed. Auch wenn die Sanierung noch nicht abgeschlossen ist und finanziell offenbar noch Einiges aufzuarbeiten ist, konnte man sich nicht vorstellen, dass es anders hätte kommen können.
Die Marke dürfte bei den Kunden durch das Insolvenzverfahren weniger beschädigt worden sein als durch strategische Schwenks des Managements. Sowas ist ja nicht untypisch für Modeleute: Man will etwas anderes sein als man ist. Das ist an sich legitim und in vielen Fällen notwendig, insbesondere wenn man international mitspielen möchte. Zum Problem wird es, wenn man die Kunden verprellt, von denen man lebt. Und dass die Marke echte Fans – auch unter den Profis – hat, zeigten die erregten LinkedIn-Diskussionen, nachdem Closed im August überraschend zum Amtsgericht musste.
Wenn die neuen Eigentümer von "low hanging fruits" sprechen, dann bezieht sich dies insbesondere auf die Stärke der Marke, „die echt ist, die Tiefe hat", wie Dieter Holzer der TW sagte. Man möchte hinzufügen: anders als andere große Namen, die häufig nicht viel mehr sind als das Resultat eines Marketing-Brainstormings. Closed mit seiner Designer-Heritage verfügt dagegen über Substanz, auf der sich aufbauen lässt. Mit dem Insolvenzverfahren befreit man sich von finanziellen Altlasten und kann schnell Strukturen optimieren.
Dass Closed nicht von Marc O'Polo, sondern von der Familie Böck privat übernommen wird, zeigt, dass es vordergründig nicht um Synergien geht.
Die bisherigen Closed-Macher Gordon Giers und Til Nadler bleiben als CPO und CSO in Hamburg an Bord. Dies ist aus Sicht des am Bodensee residierenden Multi-Aufsichtsrats und neuen CEOs Dieter Holzer nicht nur praktisch gedacht und eine Beruhigung für die Belegschaft, sondern auch eine Bestätigung dafür, dass die beiden nicht alles falsch gemacht haben können. Wie lange Giers und Nadler als Angestellte in ihrer ehemals eigenen Firma weiterarbeiten wollen, wird man sehen. Es ist ja nicht so, dass sie bisher nicht auch mit Miteigentümern klarkommen mussten. Die hatte das Unternehmen immer wieder und auch zuletzt.
Mit Dieter Holzer und Maximilian Böck entscheiden in Hamburg freilich ab sofort zwei erfolgreiche Branchenprofis mit. Davon kann Closed profitieren, etwa wo es um eine marktgerechte Positionierung, um die interne Organisation und effiziente Prozesse sowie um Netzwerk und Know-how-Transfers geht. Fehlende Erfahrung im Premium-Segment ist dagegen als Einwand irrelevant. Die neuen Eigentümer kennen den Markt und wissen, wo das Geld verdient wird.
Dass Closed nicht von Marc O'Polo, sondern von Familie Böck privat übernommen wird, zeigt überdies, dass es vordergründig nicht um Synergien geht. Eins und Eins ist mehr als Zwei, das muss in börsennotierten Unternehmen bekanntlich gerne als Begründung für Deals herhalten. Dieter Holzer kann ein Lied davon singen. Das Bonita-Abenteuer, an das Kommentatoren jetzt wieder erinnern, ist indes mindestens ebenso dem Aufsichtsrat der damaligen Tom Tailor AG anzulasten. Der hatte dem damaligen CEO Anreize gesetzt, die dieser lediglich für sich genutzt hat. Das kann man auch clever nennen. Mit Bonita mussten sich dann Holzers Nachfolger herumschlagen.
Wir werden sehen, wie es mit Closed weitergeht, und an welchen Schrauben die neuen Eigentümer drehen. Ende Oktober soll das Closing sein. Für Closed ist es ein neues Opening.
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Und sonst?
.…sind nicht nur die Modeleute von den vielen Premieren und insbesondere Matthieu Blazys Chanel-Wiederbelebung begeistert, sondern auch die Börse. Mailand und Paris gaben den Kursen von LVMH und Kering neuen Schub.
…bleiben von den Schauen auch die Laufsteg-Bilder von Heidi Klum im Brautkleid für Vivienne Westwood – eine späte Rache an Karl Lagerfeld, der vor Jahren mal gelästert hatte: „Die war nie in Paris. Die kennen wir nicht.“
…feierte das Branchenmedium BoF am Samstag in Paris eine glamouröse Gala. Die Bof500-Community sind die Menschen, die angeblich das globale Modebusiness shapen. Ernüchternd aus hiesiger Sicht: In dieser Hall of Fame rangieren lediglich 29 Deutsche. Weniger als Kanadier (37) und Australier (35). Noch dazu sind unter den Deutschen etliche Namen, die den meisten Branchenprofis hierzulande nichts sagen dürften. Dafür finden sich in der Liste 221 Briten. Leben wir auf einem anderen Planeten oder BoF?
…hat Hirmer sein Stammhaus in München verkauft und ist künftig nur noch Mieter der 9000 m² Verkaufsfläche, wie die SZ schreibt. Der Deal hat wohl weniger wirtschaftliche Gründe – „Wir machen im vierten Stock höhere Umsätze als viele andere im Erdgeschoss“, so Geschäftsführer Gerhard Kränzle zur SZ – sondern hat vermutlich mit der wirtschaftlichen Entflechtung der zerstritten Familienstämme zu tun.
… ist Wolfgang Urban (80) gestorben. Wir erinnern uns an einen Pressetermin in großer Runde im Weinkeller eines exklusiven Italieners in Düsseldorf. Der damalige Karstadt-Chef stellte sich als "teuerste Flasche im Raum" vor. Die Lacher waren eher verhalten. R.I.P.