Passiert large

Closed bleibt open

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Jür­gen Mül­ler

Ist Böck/Holzer die bes­te Lösung für Clo­sed? Man weiß nicht, was die Alter­na­ti­ve gewe­sen wäre. Auf jeden Fall gewan­nen die Mar­co O'Polo-Inhaber und ihr Ex-CEO und Auf­sichts­rat das Kopf-an-Kopf-Ren­nen um die insol­ven­te Ham­bur­ger Pre­mi­um Brand. Und das ist gut so. Es geht wei­ter für Clo­sed. Auch wenn die Sanie­rung noch nicht abge­schlos­sen ist und finan­zi­ell offen­bar noch Eini­ges auf­zu­ar­bei­ten ist, konn­te man sich nicht vor­stel­len, dass es anders hät­te kom­men kön­nen.

Die Mar­ke dürf­te bei den Kun­den durch das Insol­venz­ver­fah­ren weni­ger beschä­digt wor­den sein als durch stra­te­gi­sche Schwenks des Manage­ments. Sowas ist ja nicht unty­pisch für Mode­leu­te: Man will etwas ande­res sein als man ist. Das ist an sich legi­tim und in vie­len Fäl­len not­wen­dig, ins­be­son­de­re wenn man inter­na­tio­nal mit­spie­len möch­te. Zum Pro­blem wird es, wenn man die Kun­den ver­prellt, von denen man lebt. Und dass die Mar­ke ech­te Fans – auch unter den Pro­fis – hat, zeig­ten die erreg­ten Lin­ke­dIn-Dis­kus­sio­nen, nach­dem Clo­sed im August über­ra­schend zum Amts­ge­richt muss­te.

Wenn die neu­en Eigen­tü­mer von "low han­ging fruits" spre­chen, dann bezieht sich dies ins­be­son­de­re auf die Stär­ke der Mar­ke, „die echt ist, die Tie­fe hat", wie Die­ter Hol­zer der TW sag­te. Man möch­te hin­zu­fü­gen: anders als ande­re gro­ße Namen, die häu­fig nicht viel mehr sind als das Resul­tat eines Mar­ke­ting-Brain­stor­mings. Clo­sed mit sei­ner Desi­gner-Heri­ta­ge ver­fügt dage­gen über Sub­stanz, auf der sich auf­bau­en lässt. Mit dem Insol­venz­ver­fah­ren befreit man sich von finan­zi­el­len Alt­las­ten und kann schnell Struk­tu­ren opti­mie­ren.

Dass Closed nicht von Marc O'Polo, sondern von der Familie Böck privat übernommen wird, zeigt, dass es vordergründig nicht um Synergien geht.

Die bis­he­ri­gen Clo­sed-Macher Gor­don Giers und Til Nad­ler blei­ben als CPO und CSO in Ham­burg an Bord. Dies ist aus Sicht des am Boden­see resi­die­ren­den Mul­ti-Auf­sichts­rats und neu­en CEOs Die­ter Hol­zer nicht nur prak­tisch gedacht und eine Beru­hi­gung für die Beleg­schaft, son­dern auch eine Bestä­ti­gung dafür, dass die bei­den nicht alles falsch gemacht haben kön­nen. Wie lan­ge Giers und Nad­ler als Ange­stell­te in ihrer ehe­mals eige­nen Fir­ma wei­ter­ar­bei­ten wol­len, wird man sehen. Es ist ja nicht so, dass sie bis­her nicht auch mit Mit­ei­gen­tü­mern klar­kom­men muss­ten. Die hat­te das Unter­neh­men immer wie­der und auch zuletzt.

Mit Die­ter Hol­zer und Maxi­mi­li­an Böck ent­schei­den in Ham­burg frei­lich ab sofort zwei erfolg­rei­che Bran­chen­pro­fis mit. Davon kann Clo­sed pro­fi­tie­ren, etwa wo es um eine markt­ge­rech­te Posi­tio­nie­rung, um die inter­ne Orga­ni­sa­ti­on und effi­zi­en­te Pro­zes­se sowie um Netz­werk und Know-how-Trans­fers geht. Feh­len­de Erfah­rung im Pre­mi­um-Seg­ment ist dage­gen als Ein­wand irrele­vant. Die neu­en Eigen­tü­mer ken­nen den Markt und wis­sen, wo das Geld ver­dient wird.

Dass Clo­sed nicht von Marc O'Polo, son­dern von Fami­lie Böck pri­vat über­nom­men wird, zeigt über­dies, dass es vor­der­grün­dig nicht um Syn­er­gien geht. Eins und Eins ist mehr als Zwei, das muss in bör­sen­no­tier­ten Unter­neh­men bekannt­lich ger­ne als Begrün­dung für Deals her­hal­ten. Die­ter Hol­zer kann ein Lied davon sin­gen. Das Boni­ta-Aben­teu­er, an das Kom­men­ta­to­ren jetzt wie­der erin­nern, ist indes min­des­tens eben­so dem Auf­sichts­rat der dama­li­gen Tom Tail­or AG anzu­las­ten. Der hat­te dem dama­li­gen CEO Anrei­ze gesetzt, die die­ser ledig­lich für sich genutzt hat. Das kann man auch cle­ver nen­nen. Mit Boni­ta muss­ten sich dann Holz­ers Nach­fol­ger her­um­schla­gen.

Wir wer­den sehen, wie es mit Clo­sed wei­ter­geht, und an wel­chen Schrau­ben die neu­en Eigen­tü­mer dre­hen. Ende Okto­ber soll das Clo­sing sein. Für Clo­sed ist es ein neu­es Ope­ning.

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Und sonst?

.…sind nicht nur die Mode­leu­te von den vie­len Pre­mie­ren und ins­be­son­de­re Mat­thieu Bla­zys Cha­nel-Wie­der­be­le­bung begeis­tert, son­dern auch die Bör­se. Mai­land und Paris gaben den Kur­sen von LVMH und Kering neu­en Schub.

…blei­ben von den Schau­en auch die Lauf­steg-Bil­der von Hei­di Klum im Braut­kleid für Vivi­en­ne West­wood – eine spä­te Rache an Karl Lager­feld, der vor Jah­ren mal geläs­tert hat­te: „Die war nie in Paris. Die ken­nen wir nicht.“

…fei­er­te das Bran­chen­me­di­um BoF am Sams­tag in Paris eine gla­mou­rö­se Gala. Die Bof500-Com­mu­ni­ty sind die Men­schen, die angeb­lich das glo­ba­le Mode­busi­ness shapen. Ernüch­ternd aus hie­si­ger Sicht: In die­ser Hall of Fame ran­gie­ren ledig­lich 29 Deut­sche. Weni­ger als Kana­di­er (37) und Aus­tra­li­er (35). Noch dazu sind unter den Deut­schen etli­che Namen, die den meis­ten Bran­chen­pro­fis hier­zu­lan­de nichts sagen dürf­ten. Dafür fin­den sich in der Lis­te 221 Bri­ten. Leben wir auf einem ande­ren Pla­ne­ten oder BoF?

…hat Hirm­er sein Stamm­haus in Mün­chen ver­kauft und ist künf­tig nur noch Mie­ter der 9000 m² Ver­kaufs­flä­che, wie die SZ schreibt. Der Deal hat wohl weni­ger wirt­schaft­li­che Grün­de – „Wir machen im vier­ten Stock höhe­re Umsät­ze als vie­le ande­re im Erd­ge­schoss“, so Geschäfts­füh­rer Ger­hard Kränz­le zur SZ – son­dern hat ver­mut­lich mit der wirt­schaft­li­chen Ent­flech­tung der zer­strit­ten Fami­li­en­stäm­me zu tun.

… ist Wolf­gang Urban (80) gestor­ben. Wir erin­nern uns an einen Pres­se­ter­min in gro­ßer Run­de im Wein­kel­ler eines exklu­si­ven Ita­lie­ners in Düs­sel­dorf. Der dama­li­ge Kar­stadt-Chef stell­te sich als "teu­ers­te Fla­sche im Raum" vor. Die Lacher waren eher ver­hal­ten. R.I.P.