Passiert large

Lahrs geht

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Jür­gen Mül­ler

In Abwand­lung von Wil­ly Brandt könn­te man sagen: Es bricht aus­ein­an­der, was nie zusam­men­pass­te.

Auf der einen Sei­te Claus-Diet­rich Lahrs, einer der ganz weni­gen deut­schen Top-Mana­ger im inter­na­tio­na­len Mode­busi­ness, mit Sta­tio­nen bei Car­tier, Lou­is Vuit­ton in USA, Dior in Paris und Bot­te­ga Vene­ta in Mai­land, im Luxus­seg­ment sozia­li­siert. Bei Hugo Boss hat­te der Sohn eines Thys­sen-Vor­stands vor­ge­macht, wie man erfolg­reich Kas­se mit einem Unter­neh­men macht. Was wohl auch sei­ne Mis­si­on in Rot­ten­dorf war.

Auf der ande­ren Sei­te der Self­ma­de-Mil­li­ar­där Bernd Frei­er, der aus kleins­ten Ver­hält­nis­sen stam­mend in gut 50 Jah­ren einen der größ­ten deut­schen Mode­kon­zer­ne auf­ge­baut hat. Der den Markt aus der frän­ki­schen Pro­vinz auf­roll­te und mit S.Oliver über vie­le Jah­re höchst erfolg­reich den Mas­sen­markt bedien­te. Ein Bauch­mensch und Macher, bewun­dert von sei­nen Leu­ten und zugleich bekannt dafür, sei­ne Top-Mana­ger regel­mä­ßig zu ver­schleis­sen.

Für Frei­er war „Deutsch­lands bekann­tes­ter Modemanager“(Manager-Magazin) so etwas wie die größt­mög­li­che Tro­phäe. Um den Ex-Boss-CEO zu gewin­nen, ließ er sich angeb­lich sogar auf ein völ­lig absur­des Betre­tungs­ver­bot für die eige­ne Fir­ma ein. Lahrs sicher­te sich Bein­frei­heit, um den Kon­zern nach sei­nen Vor­stel­lun­gen for­men zu kön­nen. Hun­der­te Mit­ar­bei­ter, dar­un­ter vie­le Frei­er-Getreue muss­ten gehen.

Dann kam Coro­na. Die Pan­de­mie mach­te alle gro­ßen Stra­te­gien und Zeit­plä­ne zunich­te, bekannt­lich nicht nur in Rot­ten­dorf. Statt mit Inves­to­ren zu ver­han­deln ging Lahrs vor dem Ber­li­ner Kanz­leramt wegen aus­ge­blie­be­ner Unter­stüt­zungs­hil­fen demons­trie­ren. Nach dem Ende der Lock­downs erzwan­gen die Fol­gen des Ukrai­ne-Kriegs eine Fort­set­zung des Kri­sen­ma­nage­ments.

Die Herausforderungen für S. Oliver bleiben: die Profilierung der Marke, die Internationalisierung des Vertriebs, die Forcierung von Online sowie die Digitalisierung von Organisation und Prozessen.

Man weiß natür­lich nicht, wo S.Oliver unter Claus-Diet­rich Lahrs ohne die­se his­to­ri­schen Rah­men­ver­schie­bun­gen stün­de. Dass die Hugo Boss-Blau­pau­se und ins­be­son­de­re die von Lahrs in Met­zin­gen betrie­be­ne for­cier­te Retail-Expan­si­on auf die weni­ger pro­fi­lier­te Mar­ke S.Oliver mit ihrem nach wie vor star­ken Stand­bein im natio­na­len Who­le­sa­le über­trag­bar sein wür­de, dar­an durf­te man auch ohne Covid Zwei­fel haben.

Jetzt ste­hen die Betei­lig­ten vor einem Scher­ben­hau­fen. Claus-Diet­rich Lahrs ist ein Stück weit ent­zau­bert. Und der 76-jäh­ri­ge Bernd Frei­er hat bei dem Ver­such, sein Lebens­werk zu sichern, drei Jah­re ver­lo­ren. Nun soll es mit Jür­gen Otto ein bran­chen­frem­der Mana­ger rich­ten. Sei­ne ers­te Auf­ga­be wird sein, intern wie extern Ver­trau­en zu gewin­nen. Die Her­aus­for­de­run­gen blei­ben die­sel­ben wie vor Lahrs‘ Antritt: die Pro­fi­lie­rung der Mar­ke, die Inter­na­tio­na­li­sie­rung des Ver­triebs, die For­cie­rung von Online sowie die Digi­ta­li­sie­rung von Orga­ni­sa­ti­on und Pro­zes­sen.