Alles wird teurer. Und Bekleidung? Die müsste eigentlich auch teurer werden. Die Beschaffungskosten sind explodiert – die Energiepreise, die Baumwoll- und Rohstoffpreise, die Transportkosten. Gestörte Lieferketten verknappen das Angebot und treiben die Preise damit zusätzlich. Der Großbrand diese Woche mit 49 Toten in Bangladesch ist in dieser Hinsicht ein Fanal: Bei der Explosion eines Containerlagers wurden Kleidungsstücke im Wert von rund 110 Mio. Dollar zerstört. Die werden demnächst bei H&M & Co. fehlen.
Wer hätte gedacht, dass Warenverfügbarkeit mal so ein Thema werden könnte. Bislang war stets zuviel Ware das Problem (vor allem zu viel falsche Ware, aber dieses Problem bleibt ja trotz aller Lieferprobleme bestehen). Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben die globale Beschaffung aus dem Tritt gebracht. Jetzt kommen auch noch Warnstreiks an deutschen Häfen dazu. Auch für diejenigen, die ihre Organisation an sich im Griff haben, ist die Situation aktuell unberechenbar. Eine Planung wird am Ende nur zur Feststellung der Abweichung dienen können. Gefordert sind bis auf Weiteres Flexibilität und Improvisation. Der Handel wird in den kommenden Monaten mit Teillieferungen konfrontiert sein, wie es sie zu besten Gummilieferterminzeiten nicht gab. Marketingaktivitäten und POS-Merchandising werden kurzfristig darauf abgestimmt werden müssen. Auch die Steuerung von Cash-flow und die Liquiditätssicherung werden besonderes Augenmerk erfordern.
Die große Frage ist: Lässt der Markt Preiserhöhungen zu? Spontane Antwort: Nein. Eigentlich. Clever war, wer die Preise bereits zur laufenden Saison angehoben hat. Inditex und Chanel melden nicht zuletzt deshalb glänzende Ergebnisse. Aber nicht jede Marke hat die Pricing-Power dieser großen Namen. Das Gros der Branche wird granular ausloten müssen, bei welchen Artikeln noch Luft nach oben ist und wo das nicht geht. In jedem Fall werden die Preissteigerungen bei Bekleidung insgesamt unter der allgemeinen Inflationsrate bleiben. Mode und Lifestyle steht in Konkurrenz zu anderen Konsumfeldern, und bei rapide steigenden Lebenshaltungskosten wird noch weniger Budget für „unnötigen“ Konsum bleiben. Bekleidung wird deswegen relativ gesehen billiger werden.
Am Ende werden Handel und Industrie einen guten Teil der Kostensteigerungen mit sich ausmachen müssen. Der Branche steht eine Orderrunde bevor, in der es Margen-Verteilungskämpfe wie lange nicht geben wird.
Zusätzlich wird es ganz besonders darauf ankommen, aktivierende Kaufanreize zu setzen. Was in Zeiten knapper Kassen leichter gesagt als getan ist. Auch wenn die Controller es ungern hören werden: Kreatives Marketing wird jetzt noch wichtiger. Die Gefahr ist sonst groß, dass am Ende wieder nur mit Rabatten gelockt wird. Das wäre das Gegenteil dessen, was aufgrund des beschriebenen Margendrucks angezeigt wäre.
Letztlich werden Handel und Industrie einen guten Teil der Kostensteigerungen mit sich ausmachen müssen. Der Branche steht eine Orderrunde bevor, in der es Margen-Verteilungskämpfe wie lange nicht geben wird. Die Herausforderung für den Einkauf wird sein, begründete von überzogenen Preiserhöhungen zu unterscheiden. Die Herausforderung für die Industrie, glaubwürdige Überzeugungsarbeit zu leisten. Und am Ende auch liefern zu können.
Auf breiter Front bei den Qualitäten zu sparen, wäre übrigens kurzsichtig. Heute schon ruft mancher Fachhandels-Lieferant Premium-Preise für Zara-Qualitäten auf. Die Kundinnen merken das. Sonst geht es uns wie KFC in Australien. Nachdem sich Kopfsalat in Down Under um 300% verteuert hat, will die Fastfood-Kette ihre Burger stattdessen mit Kohlblättern belegen. Was landesweit einen Aufschrei nach sich zog. Der Premierminister setzte den „Kohlskandal“ deswegen gestern im Kabinett auf die Tagesordnung.