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Lässt der Markt Preiserhöhungen zu?

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Jür­gen Mül­ler

Alles wird teu­rer. Und Beklei­dung? Die müss­te eigent­lich auch teu­rer wer­den. Die Beschaf­fungs­kos­ten sind explo­diert – die Ener­gie­prei­se, die Baum­woll- und Roh­stoff­prei­se, die Trans­port­kos­ten. Gestör­te Lie­fer­ket­ten ver­knap­pen das Ange­bot und trei­ben die Prei­se damit zusätz­lich. Der Groß­brand die­se Woche mit 49 Toten in Ban­gla­desch ist in die­ser Hin­sicht ein Fanal: Bei der Explo­si­on eines Con­tai­ner­la­gers wur­den Klei­dungs­stü­cke im Wert von rund 110 Mio. Dol­lar zer­stört. Die wer­den dem­nächst bei H&M & Co. feh­len.

Wer hät­te gedacht, dass Waren­ver­füg­bar­keit mal so ein The­ma wer­den könn­te. Bis­lang war stets zuviel Ware das Pro­blem (vor allem zu viel fal­sche Ware, aber die­ses Pro­blem bleibt ja trotz aller Lie­fer­pro­ble­me bestehen). Die Pan­de­mie und der Ukrai­ne-Krieg haben die glo­ba­le Beschaf­fung aus dem Tritt gebracht. Jetzt kom­men auch noch Warn­streiks an deut­schen Häfen dazu. Auch für die­je­ni­gen, die ihre Orga­ni­sa­ti­on an sich im Griff haben, ist die Situa­ti­on aktu­ell unbe­re­chen­bar. Eine Pla­nung wird am Ende nur zur Fest­stel­lung der Abwei­chung die­nen kön­nen. Gefor­dert sind bis auf Wei­te­res Fle­xi­bi­li­tät und Impro­vi­sa­ti­on. Der Han­del wird in den kom­men­den Mona­ten mit Teil­lie­fe­run­gen kon­fron­tiert sein, wie es sie zu bes­ten Gum­mi­lie­fer­ter­min­zei­ten nicht gab. Mar­ke­ting­ak­ti­vi­tä­ten und POS-Mer­chan­di­sing wer­den kurz­fris­tig dar­auf abge­stimmt wer­den müs­sen. Auch die Steue­rung von Cash-flow und die Liqui­di­täts­si­che­rung wer­den beson­de­res Augen­merk erfor­dern.

Die gro­ße Fra­ge ist: Lässt der Markt Preis­er­hö­hun­gen zu? Spon­ta­ne Ant­wort: Nein. Eigent­lich. Cle­ver war, wer die Prei­se bereits zur lau­fen­den Sai­son ange­ho­ben hat. Indi­tex und Cha­nel mel­den nicht zuletzt des­halb glän­zen­de Ergeb­nis­se. Aber nicht jede Mar­ke hat die Pri­cing-Power die­ser gro­ßen Namen. Das Gros der Bran­che wird gra­nu­lar aus­lo­ten müs­sen, bei wel­chen Arti­keln noch Luft nach oben ist und wo das nicht geht. In jedem Fall wer­den die Preis­stei­ge­run­gen bei Beklei­dung ins­ge­samt unter der all­ge­mei­nen Infla­ti­ons­ra­te blei­ben. Mode und Life­style steht in Kon­kur­renz zu ande­ren Kon­sum­fel­dern, und bei rapi­de stei­gen­den Lebens­hal­tungs­kos­ten wird noch weni­ger Bud­get für „unnö­ti­gen“ Kon­sum blei­ben. Beklei­dung wird des­we­gen rela­tiv gese­hen bil­li­ger wer­den.

Am Ende werden Handel und Industrie einen guten Teil der Kostensteigerungen mit sich ausmachen müssen. Der Branche steht eine Orderrunde bevor, in der es Margen-Verteilungskämpfe wie lange nicht geben wird.

Zusätz­lich wird es ganz beson­ders dar­auf ankom­men, akti­vie­ren­de Kauf­an­rei­ze zu set­zen. Was in Zei­ten knap­per Kas­sen leich­ter gesagt als getan ist. Auch wenn die Con­trol­ler es ungern hören wer­den: Krea­ti­ves Mar­ke­ting wird jetzt noch wich­ti­ger. Die Gefahr ist sonst groß, dass am Ende wie­der nur mit Rabat­ten gelockt wird. Das wäre das Gegen­teil des­sen, was auf­grund des beschrie­be­nen Mar­gen­drucks ange­zeigt wäre.

Letzt­lich wer­den Han­del und Indus­trie einen guten Teil der Kos­ten­stei­ge­run­gen mit sich aus­ma­chen müs­sen. Der Bran­che steht eine Order­run­de bevor, in der es Mar­gen-Ver­tei­lungs­kämp­fe wie lan­ge nicht geben wird. Die Her­aus­for­de­rung für den Ein­kauf wird sein, begrün­de­te von über­zo­ge­nen Preis­er­hö­hun­gen zu unter­schei­den. Die Her­aus­for­de­rung für die Indus­trie, glaub­wür­di­ge Über­zeu­gungs­ar­beit zu leis­ten. Und am Ende auch lie­fern zu kön­nen.

Auf brei­ter Front bei den Qua­li­tä­ten zu spa­ren, wäre übri­gens kurz­sich­tig. Heu­te schon ruft man­cher Fach­han­dels-Lie­fe­rant Pre­mi­um-Prei­se für Zara-Qua­li­tä­ten auf. Die Kun­din­nen mer­ken das. Sonst geht es uns wie KFC in Aus­tra­li­en. Nach­dem sich Kopf­sa­lat in Down Under um 300% ver­teu­ert hat, will die Fast­food-Ket­te ihre Bur­ger statt­des­sen mit Kohl­blät­tern bele­gen. Was lan­des­weit einen Auf­schrei nach sich zog. Der Pre­mier­mi­nis­ter setz­te den „Kohl­skan­dal“ des­we­gen ges­tern im Kabi­nett auf die Tages­ord­nung.