Die Spitze, die der Otto-Vorstand in Richtung Zalando schickte, hat gesessen. „Natürlich spüren wir die Krise, aber wir werden uns nicht leichtsinnig von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen trennen, die wir in wenigen Monaten sicher wieder brauchen werden“, sagte Sebastian Klauke diese Woche bei einem Mediengespräch. Tags zuvor hatte das Zalando-Management den Abbau von hunderten Stellen verkündet. Und mit dieser Maßnahme viel von dem Porzellan zerdeppert, das Zalandos Employer Branding-Verantwortliche über Jahre ins Schaufenster gestellt haben.
David Schneider und Robert Gentz gaben sich in einem internen Schreiben an die „Zalandos“ denn auch angemessen zerknirscht: Es sei „eine sehr harte aber notwendige Entscheidung“, Teile des Unternehmens seien in den vergangenen Jahren zu stark gewachsen. „Wir haben ein Komplexitätslevel erreicht, das unsere Fähigkeit, schnell zu reagieren, beeinflusst hat.“
Und dann läuft auch noch das Geschäft schlechter als erwartet. Erstmals in der Unternehmensgeschichte musste Zalando in 2022 Umsatzrückgänge hinnehmen – wie viele andere Onliner, die – durch den Corona-Boom euphorisiert – zu optimistisch geplant und nicht mit so einem massiven Nachfragerückgang gerechnet hatten. Das hat auch Ottos Onlinegeschäft getroffen: 8% Umsatzminus in Deutschland, 2% insgesamt, wie Klauke verkündete. Aber es macht halt doch einen Unterschied, ob ein Management an der Kursentwicklung interessierten Aktionären verpflichtet ist oder einer Inhaberfamilie, die Entscheidungen auch danach beurteilt, ob sie nachhaltig sinnvoll sind.
Die Entlassungswelle, die derzeit durch die US-Digitalkonzerne rollt, dürfte zu einem guten Teil der Analysten-Beruhigung dienen. Diesem Herdentrieb kann sich ein börsennotiertes Zalando nicht entziehen. Zugleich ist es eine Gelegenheit, personell zu entschlacken. Dem von der FAZ zitierten Hinweis von Insidern, es habe bei Zalando in der Vergangenheit im Prinzip jedes Team bekommen, was es wollte, ist ein eindeutiges Indiz für nicht allzu stark ausgeprägtes Kostenbewusstsein. Wachstum hatte für das Unternehmen seit seiner Gründung vor 14 Jahren Priorität, buchstäblich ohne Rücksicht auf Verluste. Deshalb bedeutet so eine Sparrunde auch eine Art Kulturschock.
Wenn Zalando nun Hunderte Stellen streicht, Meta 11.000, Alphabet 12.000 und Amazon 18.000, dann muss man das zugleich vor dem Hintergrund bewerten, dass diese Unternehmen in den vergangenen drei, vier Jahren Hundertausende neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Die Wachstumsraten von Zalando und About You flachen nur ab, aber sie gewinnen immer noch Marktanteile. Auch Amazon hat in Deutschland lediglich wegen der Euro-Schwäche Minus gemacht, die Verkäufe stiegen 2022 hierzulande sogar um 1,2%. Und Mytheresa hat gerade ebenfalls ordentliche Wachstumsraten gemeldet. "Wir entlassen nicht, wir stellen ein", so CEO Michael Kliger gestern in der TW.
Ergo: Die Digitalen bleiben auf der Überholspur. Die jetzt laufenden Restrukturierungen sind keineswegs der Anfang vom Niedergang, sondern es geht darum, neuen Anlauf zu nehmen und die Organisationen fit zu machen für den anstehenden, unter rezessiven Bedingungen sicherlich noch einmal verschärften Verdrängungswettbewerb.
Es mag sein, dass manche/r GenZler*in sich nun plötzlich mit der harten wirtschaftlichen Realität konfrontiert sieht: Eine Vier-Tage-Woche ist schön, eine Null-Arbeitstage-Woche auf Dauer schlimm.
Interessant wird sein, inwieweit die Lay off-Welle sich auf die Arbeitskultur auswirkt. Die Digitalkonzerne sind nicht nur Vorreiter, sondern auch Ermöglicher anderer Formen von Organisation und Zusammenarbeit – flexibler, kreativer, agiler, dezentraler, weniger hierarchisch – und damit einhergehend eines anderen Verständnisses von Führung, Leistung und Miteinander. In deren Kontext ist das zielführend. Und natürlich macht sie das für die besten Talente attraktiv. Diese haben – nicht zuletzt, weil sie wenige sind – ein entsprechendes Anspruchsdenken entwickelt.
New Work-Konzepte wurden von vielen Unternehmen auch als Reaktion auf diese veränderte Arbeitsmarktrealität adaptiert. Es mag sein, dass manche/r GenZler*in sich nun plötzlich mit der harten wirtschaftlichen Realität konfrontiert sieht: Eine Vier-Tage-Woche ist schön, eine Null-Arbeitstage-Woche auf Dauer schlimm. Quiet Quitting kann man sich eher leisten, wenn kein Forced Quitting droht.
Ob es zu einer Gegenrevolution kommt wie in der grandiosen neuen Amazon-Serie "The Consultant", wo der von Christoph Waltz dargestellte Unternehmensberater einer hippe Software-Firma auf Old Work trimmt? Wahrscheinlicher ist, dass der Wandel der Arbeitswelt sich fortsetzt und eher die teuren und für den Strukturwandel nicht mehr so gut qualifizierten Alten gehen müssen.
Mit ein paar Korrekturen. So ruft etwa Amazon-CEO Andy Jassy seine Leute zurück ins Büro. Dass so viele nur noch im Homeoffice waren, habe der Zusammenarbeit und der Unternehmenskultur nicht gut getan. Das realisieren zurzeit viele Unternehmen, aber es ist nicht so einfach, den Mitarbeitenden liebgewordene Gewohnheiten wieder zu nehmen.
Man muss nicht so weit gehen wie Elon Musk. Der hat in den Büroräumen der Twitter-Zentrale Schlafgelegenheiten einrichten lassen. Der Visionär entpuppt sich als Anhänger einer Hardcore-Arbeitskultur und Erzkapitalist. Überraschung! Aber allein durch Genie sind noch die wenigsten reich geworden.
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Und sonst?
…hat McKinsey ausnahmsweise sich selbst durchleuchtet. Und baut 2000 Stellen ab.
…zahlt Hermès jedem seiner 19.700 Mitarbeitenden einen Bonus von 4000 Euro. So geht Employer Branding! Die Aktionäre können zugleich beruhigt sein. Die knapp 79 Millionen Bonuszahlungen fallen bei einem Nettogewinn von 3,4 Milliarden Euro in 2022 kaum ins Gewicht.