Wenn man den Niedergang der Kaufhauskonzerne über Jahrzehnte verfolgt hat, wünscht man sich manchmal einen Schlussstrich unter dieses verkorkste Kapitel der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Wenn da nicht die vielen Arbeitsplätze wären, die bei Galeria nun erneut zur Disposition stehen.
Und die vielen Lieferanten, die Rechnungen offen haben und einen für bestimmte Categories nach wie vor wichtigen Zugang zu den Cities zu verlieren drohen.
Und die Kommunen, die ihre Fußgängerzonen nicht selten um das örtliche Warenhaus herum gebaut haben, das zuletzt vielleicht kein Frequenzbringer mehr war, als Ruine aber zum Frequenzschreck würde.
Und last but not least, wenn da nicht die immer noch große, wenn auch schrumpfende Zahl der Konsumenten wäre, für die das Warenhaus ein Leben lang Nah- und Notversorgung war und die jetzt als Prime-Abonnenten noch weniger unter Leute kommen werden.
Definitiv nicht mehr lesen möchte man dagegen die regelmäßig in den Feuilletons und auf dritten Seiten aufpoppenden nostalgischen Abgesänge auf eine Betriebsform, die meist mit Émile Zolas „Paradies der Damen“ beginnen und mit einem Verriss durch Gerrit Heinemann enden.
Das an diesem Dienstag eröffnete erneute Insolvenzverfahren von Galeria ist nur der nächste Akt dieses offenbar ewig währenden Dramas. Es scheint ein Fass ohne Boden. Drei Monate lang hat der Steuerzahler die Gehälter der 17.000 Beschäftigten bezahlt. Erst Anfang 2022 hatte der Staat 250 Millionen Euro nachgeschossen, die teilweise in die Tilgung des 460 Millionen-Nachrangdarlehens flossen, das die Regierung nicht einmal zwei Jahre davor gewährt hatte. Aus Bürgersicht eine Verschwendung von Steuermitteln. Und aus Sicht der Konkurrenz eine wettbewerbsverzerrende Stützung eines in ihren Augen nicht mehr tragfähigen Geschäftsmodells.
Seit Eröffnung des Schutzschirmverfahrens wird überall in Deutschland spekuliert, welche der 129 Häuser schließen und welche bleiben. Aus unterschiedlichen Quellen ist mal von 60, mal von 80 die Rede. Es gab und gibt ein paar Übernahmeangebote, die allerdings nicht durchweg seriös erscheinen. Manche Immobilieneigentümer haben den Glauben an "ihr" Warenhaus verloren und wenden sich ab. Großvermieter Rene Benko bleibt in der Deckung. Der Galeria-Eigentümer sei bereit, die nötigen 200 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, wenn der Insolvenzplan genehmigt werde, verspricht Sanierer Arndt Geiwitz im Gespräch mit der LZ. Aus Sicht der Gläubiger, die, wie zu lesen war, mit läppischen 50 Millionen abgefunden werden sollen, klingt das wie eine Erpressung.
Konzeptlosigkeit war in Essen und Köln noch nie das Problem
Mit Olivier van den Bossche und Edo Beukema sind zwei altbekannte Kaufhof-Recken zurück in Köln. Dass mit Arndt Geiwitz und Frank Kebekus dieselben Akteure wie beim letzten Insolvenzverfahren am Steuer sind, ist kritisiert worden. Andererseits waren die beiden bereits eingearbeitet. Der Fall Galeria ist sicher besonders komplex, nicht zuletzt wegen der widerstreitenden Interessen der unterschiedlichen Stakeholder und vor dem Hintergrund der öffentlichen Anteilnahme. Aufgrund dieser Gemengelage darf man gespannt sein, ob Galeria dieses Mal konsequent auf den wirklich überlebensfähigen Kern zurückgestutzt wird. So ein radikaler Schnitt gilt vielen als Voraussetzung für eine erfolgreiche Rekonvaleszenz des Patienten.
Es ist zudem Teil jeder Operation, eine Genesung in Aussicht zu stellen. "Ich bin davon überzeugt, dass die Galeria-Warenhäuser eine Zukunft haben, wenn auch nicht in ihrer derzeitigen Form", so Sanierer Geiwitz in der Wirtschaftswoche. Galeria werde hoffentlich in drei Kalenderjahren wieder Gewinn machen. Vorher fielen wegen der Umstrukturierungskosten sicher Verluste an. So sei geplant, alle verbliebenen Standorte bis dahin umzubauen. Die Organisation soll dezentraler, die Sortimente stärker lokal ausgerichtet und Omnichannel endlich umgesetzt werden.
Das alles hat man so oder so ähnlich schon öfter gehört. Konzeptlosigkeit war in Essen und Köln noch nie das Problem.
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Und sonst?
…wird es extrem spannend sein, inwieweit Sabato de Sarno die Linie von Alessandro Michele weiterverfolgt und was er tun wird, um frischen Buzz für Gucci zu erzeugen. Doch zunächst muss der Neue ein Qualitätsproblem lösen. Bei einem Auftritt in L.A. riss Harry Styles gerade die Gucci-Lederhose. Bei dem sicher nicht ganz billigen Teil sollte man eigentlich erwarten können, dass sie ein paar Dance Moves übersteht.
…scheint Shein aktuell an Wachstumsgrenzen zu stoßen. Bis 2021 habe sich der Umsatz vervierfacht, 2022 rutschte der chinesische Online Retailer erstmals ins Minus, berichtet BoF. Möglicherweise ist dies der generell lahmenden Online-Konjunktur zuzuschreiben. Oder einem wachsenden Bewusstsein der Zielgruppe für Nachhaltigkeit. Vielleicht liegt es aber auch schlicht daran, dass die jungen Kundinnen es leid sind, wochenlang auf schrottige Ware zu warten, die sich kaum zurückzuschicken lohnt.
…wird alles teurer. Dass Amazon die Zustellgebühren und den Mindestbestellwert für Gratislieferungen bei Lebensmitteln heraufsetzt, ist fast schon eine zwangsläufige Folge der allgemeinen Preissteigerung. Dass Ikea den Billy-Preis von heute auf morgen um über 37% von 69 auf 95 Euro heraufsetzt, ist dagegen kaum zu erklären. Möglicherweise haben Lockvogelangebote mit steigendem Onlinebusiness ausgedient.
…hat Amazon die 500 Milliarden-Umsatzschwelle überschritten. Das Unternehmen ist 2022 um 44 Milliarden (!) gewachsen, auf 514 Mrd. Dollar. Auch wenn die Cloud-Sparte AWS den Löwenanteil beigetragen hat – Amazon wächst nach wie vor in allen Geschäftsbereichen. Soweit zum Thema "Online schwächelt".