So ist das, wenn die Politik mitmischt. Natürlich hat Katrin Göring-Eckhardt recht, wenn sie die Vernichtung von Retouren als „Perversion der Wegwerfgesellschaft“ anprangert. Ihre Forderung, den Unternehmen diese Praxis zu verbieten, fand entsprechend Widerhall. 4% der Ware landet einer kürzlich veröffentlichten Studie zufolge im Müll. Das klingt nicht viel, bei 487 Millionen Rücksendungen reden wir gleichwohl über 19 Millionen Artikel. Ein Gutteil davon dürfte Bekleidung sein. Prompt kündigte das SPD-geführte Bundesumweltministerium eine entsprechende Gesetzesänderung an.
Die Reaktionen waren erwartbar. Für den politischen Gegner bestätigt der Vorstoß nur den Ruf der Grünen als Verbotspartei. Erst kein Fleisch mehr in der Kantine, dann kein Geböllere mehr an Silvester, nicht einmal Schottergärten sollen mehr erlaubt sein… Der Bundesverband E‑Commerce und Versandhandel nannte das Vernichtungsverbot „Unfug. Kein Unternehmen hat ein Interesse, wirtschaftlich sinnvoll verwertbare Ware wegzuwerfen oder zu vernichten.“ Das dürfte nicht zu bestreiten sein. Amazon wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass manche Produkte wegen Hygiene- und Sicherheitsvorschriften nicht weiterverwertet werden dürften. Matratzen zum Beispiel. Auch sei bei gespendeten Produkten Mehrwertsteuer zu entrichten, während vernichtete Ware abgeschrieben werden könne. Ware spenden sei deswegen in Deutschland wirtschaftlich nicht sinnvoll, so Amazon. Hier könnte die Politik ebenso ansetzen.
Das Grundproblem ist indes nicht die Verwertung von Retouren, sondern dass es diese überhaupt gibt. Man kann die massenhafte Rücksendung von eigentlich gekauften Produkten auch als Perversion des gesetzlich verankerten Widerrufsrechts ansehen. Das hat eine verbraucherfreundliche Politik hierzulande seit jeher toleriert. Und die Unternehmen haben es gerne in Kauf genommen. Deutschland ist einsame Spitze, was die Retourenquoten angeht. Bei Bekleidung geht mehr als die Hälfte wieder zurück zum Absender. Otto & Co. haben die preisbewussten Kunden jahrzehntelang dazu erzogen, Zalando hat sich mit seiner krawalligen „Schrei vor Glück oder bring’s zurück“-Werbung höchst erfolgreich am Markt positioniert. Nun bekommen die Versender den Geist nicht mehr in die Flasche. In dem Maße, wie der durchschnittliche Warenkorb sinkt, wird die Retourenquote wegen der Handlingskosten zum Problem. Die berüchtigte letzte Meile wird sich eher noch verteuern. Bis Drohnen die unterbezahlten Paketzusteller in den Innenstädten ablösen, dürfte es noch etwas dauern, und gebeamt wird nur bei Raumschiff Enterprise. Außerhalb Deutschlands experimentiert Zalando deswegen längst mit Mindestbestellmengen und Versandkostenzuschlägen. Hierzulande traut man sich das nicht.
Noch nicht. Denn der Vorstoß der Grünen-Politikerin wird die Öffentlichkeit für das Retouren-Thema sensibilisieren. Die ist in Sachen Klimaschutz ohnehin alarmiert. Dass der durch den boomenden Onlinehandel spürbar angestiegene Lieferverkehr in den Innenstädten nicht im Sinne einer positiven CO2-Bilanz ist, dürfte jedem klar sein. Von Verbrauchern, die im SUV bei Alnatura vorfahren, ist Vernunft beim bequemen Couch-Shopping indes nicht zu erwarten. Nur wenn sie an den Kosten beteiligt werden, schicken sie weniger zurück.
Natürlich werden die Kunden dann auch weniger bestellen. Entscheidend ist indes die Frage, was sich eher rechnet. Die Umwelt gewinnt in jedem Fall.
So kann diese Diskussion den Unternehmen Argumente für die Einführung von Versandgebühren liefern. Als CSR-Maßnahme kommuniziert, kann das einem grüneren Image helfen. So wie Aldi neuerdings 1 Cent für Obst-Plastiktüten verlangt und damit nicht nur etwas für die Umwelt, sondern auch für seine GuV tut.
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Auch sonst bestimmt die Politik die Schlagzeilen:
… so verzweifelt Vanessa Friedman in der New York Times an den modischen Signalen, die vom Staatsbesuch des US-Präsidenten in Großbritannien ausgingen. Es war – auf den Punkt gebracht – verwirrend. „Hören wir auf zu erwarten, dass die Trumps nach einer der alten Regeln spielen.“
… so fordert die CDU eine Lagerfeld-Straße in Hamburg, bekanntlich das Tor zur Welt – aber eben nur das Tor, wie Karls Mutter ihm sagte, und da musst du raus.
… so organisiert DIE LINKE am 24. Juni im Babylon in Berlin ein Podiumsgespräch mit Sahra Wagenknecht und Wolfgang Joop. Könnte interessant werden.
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