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Das Must-have dieses Sommers: Masken, leider

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Wahrscheinlich hat noch kein Kleidungsstück so eine Karriere hingelegt: Diesen August hat es die Maske sogar auf den Titel des Spiegel geschafft. Der letzte Mode-Aufmacher des Nachrichtenmagazins war vor über einem Jahr Karl Lagerfeld, und der musste dazu erst sterben. Karl würde im Grab rotieren, erführe er vom aktuellen Jogginghosen-Boom. Aber er hat zugleich Recht behalten: Wir haben tatsächlich in gewisser Weise die Kontrolle über unser Leben verloren.

Doch Spaß beiseite: Der Spiegel-Titel war nicht dem Sommerloch geschuldet, denn das fiel dieses Jahr wie so vieles wegen Corona aus. Nein, die Maske ist natürlich das Symbol dieser Krise. Als stete Erinnerung an die Gefahr einer Ansteckung hat sie eine pädagogische Wirkung, die womöglich genauso schützt wie der Stoff an sich. Wir werden uns daran gewöhnen müssen. Die Deutschen haben zwar durchaus ein Faible für Funktionsbekleidung, aber Mund und Nase waren bislang eine textilfreie Zone. Jetzt stellen sich schwierige Fragen: Welche Maske passt zum Outfit? Wie halte ich das Ding sauber? Wohin damit, wenn sie nicht im Gesicht sitzt? Und: Wozu habe ich mir eigentlich einen so prächtigen Bart stehen lassen? Fördert das Maskentragen womöglich Segelohren? Kann ich das Geld für die Lippenaufpolsterung vom Chirurgen zurückfordern? Nein wir alle haben dieses Accessoire wirklich nicht gebraucht.

Das gilt auch für das Modebusiness, selbst wenn manche Anbieter gute Geschäfte mit Masken machen und die Produktion vielen Herstellern durch den Lockdown half. Die Dinger hindern leider nicht nur Viren an der Verbreitung, sondern auch Kunden am Einkaufen. Und wer den ganzen Tag maskiert im Laden stehen muss oder im Zalando-Lager mit Mundschutz Pakete stapelt, hat eigentlich eine Erschwerniszulage verdient. Nicht selten bekommen Verkaufsmitarbeiter es zudem mit Covidioten zu tun. In Großbritannien statten Supermarktketten ihr Personal deshalb nun mit Bodycams aus. In den USA empfehlen die Behörden dem Einzelhandel, Alarmknöpfe und Kameras zu installieren und am besten gleich einen Panic Room einzurichten, für den dort ja nicht unwahrscheinlichen Fall, dass die Maskengegner ihr Sturmgewehr entsichern.

Einkaufen ohne Maske ist in Deutschland zurzeit nur im Internet möglich. Was sich in den Umsätzen des Einzelhandels widerspiegelt. Das Statistische Bundesamt meldet für das erste Halbjahr einen Umsatzzuwachs von durchschnittlich 16 Prozent für Online-Anbieter, während der Einzelhandel insgesamt ein Plus von lediglich 1,5 Prozent verzeichnet. Oder besser gesagt: von immerhin 1,5 Prozent. Der Konsum insgesamt hat durch Corona nicht gelitten, die Konsumenten gaben ihr Geld nur anders aus. Getroffen hat das insbesondere die Mode- und Schuheinzelhändler (mit 29 und 25 Prozent Minus).

Generell unter Druck sind Innenstadt-Anbieter. Dass ein Zara, wie diese Woche bekannt wurde, die Zeil verlässt, ist ein Menetekel. In Frankfurt schließen demnächst Esprit, das riesige Karstadt-Warenhaus sowie das Sporthaus an der Hauptwache, mit Appelrath-Cüpper gibt es eine weitere Großfläche mit Fragezeichen. Galeria Karstadt Kaufhof wird City-Immobilien in der ganzen Republik verwaist zurücklassen. In München kämpfen Kommune und Belegschaft immer noch um das Haus am Stachus. In Berlin hat der Senat Signa Zugeständnisse für milliardenschwere Bauprojekte gemacht, um die Schließung von vier Warenhäusern zu verhindern. Eine Lösung wurde damit nur vertagt. Denn dass die Schrumpfung von GKK eine Gesundschrumpfung darstellt, ist lange nicht ausgemacht.

Interessant sind in diesem Zusammenhang Meldungen, wonach Amazon in USA mit dem Einkaufszentrenbetreiber Simon Property Group über leerstehende Verkaufsflächen von Sears und JC Penney verhandelt, um diese gut gelegenen Standorte als Außenlager zu benutzen. So etwas ähnliches hatte Karstadt auch selbst mal im Sinn. Bestätigt ist die Eröffnung eines knapp 60.000m² großen Amazon-Technologiezentrums im ehemaligen Flagship-Store von Lord & Taylor an der New Yorker Fifth Avenue.

Zugleich bietet die Krise expansionshungrigen Retailern neue Möglichkeiten. Discounter wie Kik und Tedi stehen in den Startlöchern, auch TK Maxx und Decathlon sind im Vorwärtsgang. Woolworth will Medienberichten zufolge seine Filialzahl in Deutschland in den nächsten Jahren auf rund 800 Standorte verdoppeln. Jüngstes Beispiel ist diese Woche Deichmann: Der Schuh-Konzern übernimmt in Belgien 43 Filialen der insolventen Kette Brantano und verdreifacht damit sein dortiges Filialnetz.

Und schließlich fördert die Krise Kreativität. Mit der „Corona-Jacke“ ist H&M ein kleiner Coup gelungen: Eine Jeansjacke, in deren Schulterpartien flexible Sensoren und taktile Elemente eingearbeitet sind, die über eine App Berührungen übertragen. Bestimmt kein Stückzahlenbringer, aber ein PR-Gag, der in Social Distancing-Zeiten passt. Nike bringt „Sneaker Slipper“ fürs Home Office auf den Markt. Der Slogan „Just do nothing“ bestätigt freilich alle Arbeitgeber-Befürchtungen. Und in München macht ein Pop-up-Format des Circus Krone für Schlagzeilen: Bei Mr. Poo wird Löwen-Kacke in Einmachgläsern angeboten, als Bio-Waffe zur Abschreckung von Schädlingen wie beispielsweise Auto-Mardern.

Wer nur lange genug nachdenkt, kann eben noch mit dem letzten Scheiss Geld verdienen.

Und sonst?

…rückt mit Giny Boer eine langjährige Ikea-Managerin an die Spitze von C&A Europa. Ob es demnächst heißt: „Kleidest du dich noch oder lebst du schon?“

…hat Philipp Plein das Beste aus der Plünderung seiner Pariser Filiale gemacht. Sie hätten Cartier oder irgendeine andere Luxus-Brand in der Nachbarschaft ausrauben können, aber haben offensichtlich Philipp Plein bevorzugt – das ist echte Fan-Liebe, so Plein auf Instagram.

…sorgt Julian Nagelsmann modisch für Aufsehen. An seinem gemusterten Halbfinal-Anzug (leider Drykorn) scheiden sich die Geister. „Oh je“ ließ sich Michael Michalsky zitieren. Der Leipzig-Trainer selbst fand sein Outfit laut Bild „ziemlich geil“.  

…trat Melania Trump bei Ihrer Rede im Rosengarten des Weißen Hauses in einer Zweiter Weltkriegs-Uniform von Alexander McQueen auf. Was auch immer sie uns damit sagen wollte. Anders als die Rolling Stones kann sich der Designer nicht mehr gegen die Vereinnahmung wehren.  

…ist Claudia Schiffer 50 geworden. Auch schon. Wir gratulieren!