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Corona-Tagebuch: Keiner kommt zum Bummeln

ImgMontag, 11. Mai. Krise ist nicht für alle schlecht. Zu den Profiteuren zählen zum Beispiel die Insolvenzverwalter. Biner Bähr, der u.a. Esprit im Schutzschirmverfahren betreut, rechnet im kommenden Jahr mit 30.000 Pleiten. „Ich erwarte die schlimmste ökonomische Krise seit der ‚Großen Depression‘ der Zwanziger- und Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts“, so Bähr im Gespräch mit RP Online. Ob er sich bei dem Interview die Hände gerieben hat?

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Galeria Karstadt Kaufhof – ebenfalls unter dem Schutzschirm – bereitet die Mitarbeiter auf Standortschließungen und Stellenabbau vor. Das hätten der Sachwalter Frank Kebekus und der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz deutlich gemacht, schreibt die Unternehmensleitung in einem Brief an die Mitarbeiter. Investor Rene Benko wird jetzt vorgeworfen, er habe das Ganze von langer Hand geplant. Verschwörungstheorien haben zurzeit ja Konjunktur. Wer weiß, ob der Österreicher nicht hinter dem Corona-Ausbruch in Ischgl steckt…

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Trotz Corona Retail ist und bleibt Detail. So fordert der HDE anlässlich einer Anhörung im Bundestag eine Aussetzung des Plastiktütenverbots, das nun sechs Monate nach Beschlussfassung in Kraft treten soll. Die Vernichtung des Restbestände im Handel wäre aus ökologischer Sicht nicht zielführend und gerade mit Blick auf die aktuelle wirtschaftliche Situation wirtschaftlich untragbar, so der HDE. In New York wurde das Verbot von Einwegtüten aus Hygienegründen wegen Corona bereits im März ausgesetzt. Wenn wir heute nicht am Virus draufgehen, so sterben wir morgen an Plastikrückständen aus dem Meer.

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Dienstag, 12. Mai. „Es ist kein Shoppingerlebnis“, stellt Fabian Engelhorn in der TW fest. „Keiner kommt zum Bummeln.“ Diese Erfahrung macht der Einzelhandel in diesen Tagen überall. Mark Rauschen hat das Thema gestern Abend im Videotalk von ‚Händler helfen Händlern‘-Initiator Marcus Diekmann bei Gesundheitsminister Jens Spahn platziert: „Ich würde mir wünschen, dass wir die Maske in irgendeiner Form kompensieren können, weil sie die Leichtigkeit aus dem ganzen Vorgang nimmt.“ Er sei „zu jeder Schandtat bereit“, so Rauschen, mehr Abstand im Geschäft oder weniger Leute pro Quadratmeter, „doch die Maske stört im Gespräch.“ Allzu viel Hoffnung machte Spahn dem L&T‑Chef nicht. Die Masken werden bleiben. Wir werden uns daran gewöhnen müssen.

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Mittwoch, 13. Mai. Wie ändert sich unser Konsumverhalten nach Covid-19, fragt Fashion Network, und zitiert aus Studien von WGSN und Euromonitor. Die geben freilich keine wirklich erhellenden Antworten: Wir wissen, dass wir, wenn diese Krise vorüber ist, in einer anderen Welt aufwachen. Das bedeutet, dass auch die Produkte und Erfahrungen, die wir jetzt kreieren, anders sein müssen.“ Na dann…

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Donnerstag, 14. Mai. Eines wird bestimmt nicht anders werden: Schnäppchenjägerei und Sale-Gier. Daran werden auch offene Briefe der Designer-Lobby nichts ändern. Solche Aufrufe wird jeder sofort unterschreiben, aber die Marktdynamik hat bislang noch immer über die Vernunft gesiegt. Das gilt erst recht nach dem Shutdown zum Saisonstart, da liegen die Nerven blank: Die drei Topfashion-Händler Uwe Maier (Bungalow), Christian Villwock (Anita Hass) und Henning Korb (Apropos) lassen sich auf immerhin vier TW-Seiten über den laufenden Preisverhau aus. Der ist in normalen Zeiten ein Ärgernis, jetzt sind Reduzierungen angesichts voller Läger und leerer Kassen vielerorts wohl leider unvermeidlich. Die Marken in die Pflicht zu nehmen, ist der einzig erfolgversprechende Weg. Diese sollten ein Interesse daran haben, Stores wie Bungalow oder Apropos, die ja auch Opinion Leader für modeinteressierte Kunden und damit wichtig fürs Brandbuilding sind, bei der Stange zu halten.