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Benkos Fall: Was kommt auf uns zu?

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Jür­gen Mül­ler

Signa wird der­einst Gegen­stand von Wirt­schafts­his­to­ri­ker-Semi­na­ren sein. Man kann nur hof­fen, dass René Ben­ko dann nicht in einem Atem­zug mit dem Anla­ge­be­trü­ger Ber­nie Mad­off, dem Kryp­to-Plei­tier Sam Bank­man-Fried oder den ange­klag­ten Wire­card-Chefs Mar­kus Braun und Jan Mar­sa­lek genannt wer­den wird. Der Zusam­men­bruch des Signa-Kon­zerns hat­te sich über Wochen ange­kün­digt. In die­ser Woche kul­mi­nier­te das Gesche­hen in der Plan-Insol­venz der Wie­ner Signa Hol­ding. Seit­her gehen bei­na­he stünd­lich neue Nach­rich­ten über die Ticker. So erklär­te ges­tern auch Sport­scheck sei­ne Zah­lungs­un­fä­hig­keit, ein häss­li­cher Schluss­ak­kord zum Aus­klang der Ispo. Wel­che Aus­ma­ße das Gan­ze noch annimmt, ist der­zeit kaum abseh­bar.

Wie konn­te das pas­sie­ren? Es ist wie stets in sol­chen Fäl­len, wo ein cha­ris­ma­ti­scher Ver­käu­fer mit Erfolgs-Sto­rytel­ling und 'Think Big'-Attitüde auf gie­ri­ge Anle­ger trifft, die viel Geld haben und noch mehr möch­ten: Irgend­wann ist eine Sto­ry über­reizt, fliegt ein Schwin­del auf oder schafft einer es nicht mehr, sich schnell genug ver­än­der­ten Bedin­gun­gen (wie einer Zins­wen­de) anzu­pas­sen. Es gibt nicht nur ein ‚too big to fail‘, son­dern mög­li­cher­wei­se auch ein ‚too big to suc­ceed‘.

Häme ist frei­lich fehl am Platz, dazu ist der Scha­den zu groß. Der Signa-Zusam­men­bruch hin­ter­lässt prak­tisch nur Ver­lie­rer. Allen vor­an René Ben­ko selbst, der, wie es aus­sieht, nicht nur einen Gut­teil sei­nes Ver­mö­gens, son­dern auch sei­ne Repu­ta­ti­on los ist. Der "Wun­der­wuz­zi" ist ent­zau­bert.

Ver­lie­rer sind natür­lich Ben­kos Geld­ge­ber, die auf die Ver­spre­chun­gen des Auf­stei­gers ver­traut haben, statt Trans­pa­renz über die Geld­flüs­se in dem ver­schach­tel­ten Signa-Kon­zern ein­zu­for­dern. So ein Bud­dy­tum mag bei einem Self­made­man wie Tors­ten Toel­ler noch nach­zu­voll­zie­hen sein, es ist ja auch sein eige­nes, wenn auch sau­er mit Fress­napf ver­dien­tes Geld. Im Fall der invol­vier­ten Ban­ken, die jetzt hohe Mil­lio­nen­be­trä­ge abschrei­ben müs­sen, ist so eine man­gel­haf­te Kon­trol­le dage­gen zumin­dest fahr­läs­sig, wenn nicht skan­da­lös. Jeder Klein­un­ter­neh­mer, der bei sei­ner Haus­bank nach einem Über­brü­ckungs­kre­dit fragt, muss sich vor den Sach­be­ar­bei­tern mit allem, was er hat, qua­si nackig machen. Als Kon­se­quenz aus der Signa-Plei­te (und ande­ren Groß­in­sol­ven­zen die­ses Jah­res) steht zu befürch­ten, dass Kre­dit­neh­mer künf­tig zusätz­lich eine Lei­bes­vi­si­ta­ti­on über sich erge­hen las­sen müs­sen.

Direkt von den Bau­stopps betrof­fen sind die vie­len Bau­un­ter­neh­men und Hand­wer­ker, die fürs Ers­te auf ihren Auf­trä­gen sit­zen blei­ben, und dies in einer Situa­ti­on, wo die Bau­kon­junk­tur eh am Boden liegt. Völ­lig unklar ist, was aus den still­ge­leg­ten Signa-Groß­pro­jek­ten in Mün­chen, Ham­burg, Düs­sel­dorf, Stutt­gart und anders­wo wird. Mit den bereits erfolg­ten und noch mög­li­chen Waren­haus­schlie­ßun­gen wer­den etli­che Ein­zel­han­dels­stand­or­te zu Groß­bau­stel­len. Die rosi­ge Zukunft der Innen­städ­te, die man­che Stadt­pla­ner in ihren Model­len aus­ma­len, muss man als Gale­ria-Nach­bar in der Fuß­gän­ger­zo­ne erst­mal erle­ben.

Galeria steht erneut vor einer Zäsur. Mitarbeitende, Lieferanten und Kommunen müssen wieder zittern.

Beschä­digt sind auch vie­le hono­ri­ge Per­sön­lich­kei­ten und Poli­ti­ker, die Ben­ko Türen geöff­net haben und sich dafür in des­sen Glanz son­nen durf­ten. Ver­schämt hat sich der Bei­rat von der Signa-Web­site neh­men las­sen. Geschä­digt sind last but not least wir alle, die wir Steu­ern zah­len. Fast 700 Mil­lio­nen hat Gale­ria an Staats­hil­fen erhal­ten, ohne dafür aus­rei­chen­de Sicher­hei­ten abzu­ge­ben. Im Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um rech­net man dem Ver­neh­men nach nicht damit, dass das Geld jemals zurück­be­zahlt wer­den kann.

Über­haupt Gale­ria. Nach zwei Insol­ven­zen inner­halb von nur zwei­ein­halb Jah­ren steht der Waren­haus­kon­zern erneut vor einer Zäsur. Die Schwei­zer Dach­ge­sell­schaft hat das Unter­neh­men zum Ver­kauf gestellt. Wer in der aktu­el­len Markt­si­tua­ti­on und bei Gale­ri­as Vor­ge­schich­te das ope­ra­ti­ve Geschäft in über 90 Filia­len über­neh­men wird, ist aller­dings die Fra­ge. Die LZ berich­te­te vor Wochen, dass Umsät­ze und Liqui­di­tät unter Plan lie­gen. Nach dem Weih­nachts­ge­schäft sieht es mög­li­cher­wei­se düs­ter aus, mein­te ein grim­mi­ger Ger­rit Hei­ne­mann vor­ges­tern im ZDF Heu­te Jour­nal. Ins­be­son­de­re wenn – wovon man aktu­ell aus­ge­hen muss – die von Signa ver­spro­che­ne 200 Mil­lio­nen-Kapi­tal­sprit­ze nicht kommt. Mit­ar­bei­ten­de, Lie­fe­ran­ten und Kom­mu­nen müs­sen wie­der zit­tern.

Etwas bes­ser als in Essen und Köln wird man bei der KaDe­We Group in Ber­lin schla­fen kön­nen. Die Pre­mi­um-Häu­ser sind von der Kon­sum­kri­se zwar eben­falls betrof­fen und äch­zen, wie zu lesen ist, unter einer hohen Miet­be­las­tung. Aus Lie­fe­ran­ten­krei­sen hört man jeden­falls, dass es mit der Zah­lungs­mo­ral aktu­ell nicht zum Bes­ten steht. Aber dass die Luxu­ry Depart­ment Stores ein zukunfts­fä­hi­ges For­mat sind, dürf­te unstrit­tig sein. Hier hat der thai­län­di­sche Joint­ven­ture-Part­ner Cen­tral zuletzt bereits die Kon­trol­le über die ins­ge­samt 37 inter­na­tio­na­len Stores von Sel­fri­d­ges Group, Glo­bus und KaDe­We Group über­nom­men und wird sich jetzt ver­mut­lich auch die rest­li­chen Antei­le Ben­kos sichern.