Signa wird dereinst Gegenstand von Wirtschaftshistoriker-Seminaren sein. Man kann nur hoffen, dass René Benko dann nicht in einem Atemzug mit dem Anlagebetrüger Bernie Madoff, dem Krypto-Pleitier Sam Bankman-Fried oder den angeklagten Wirecard-Chefs Markus Braun und Jan Marsalek genannt werden wird. Der Zusammenbruch des Signa-Konzerns hatte sich über Wochen angekündigt. In dieser Woche kulminierte das Geschehen in der Plan-Insolvenz der Wiener Signa Holding. Seither gehen beinahe stündlich neue Nachrichten über die Ticker. So erklärte gestern auch Sportscheck seine Zahlungsunfähigkeit, ein hässlicher Schlussakkord zum Ausklang der Ispo. Welche Ausmaße das Ganze noch annimmt, ist derzeit kaum absehbar.
Wie konnte das passieren? Es ist wie stets in solchen Fällen, wo ein charismatischer Verkäufer mit Erfolgs-Storytelling und 'Think Big'-Attitüde auf gierige Anleger trifft, die viel Geld haben und noch mehr möchten: Irgendwann ist eine Story überreizt, fliegt ein Schwindel auf oder schafft einer es nicht mehr, sich schnell genug veränderten Bedingungen (wie einer Zinswende) anzupassen. Es gibt nicht nur ein ‚too big to fail‘, sondern möglicherweise auch ein ‚too big to succeed‘.
Häme ist freilich fehl am Platz, dazu ist der Schaden zu groß. Der Signa-Zusammenbruch hinterlässt praktisch nur Verlierer. Allen voran René Benko selbst, der, wie es aussieht, nicht nur einen Gutteil seines Vermögens, sondern auch seine Reputation los ist. Der "Wunderwuzzi" ist entzaubert.
Verlierer sind natürlich Benkos Geldgeber, die auf die Versprechungen des Aufsteigers vertraut haben, statt Transparenz über die Geldflüsse in dem verschachtelten Signa-Konzern einzufordern. So ein Buddytum mag bei einem Selfmademan wie Torsten Toeller noch nachzuvollziehen sein, es ist ja auch sein eigenes, wenn auch sauer mit Fressnapf verdientes Geld. Im Fall der involvierten Banken, die jetzt hohe Millionenbeträge abschreiben müssen, ist so eine mangelhafte Kontrolle dagegen zumindest fahrlässig, wenn nicht skandalös. Jeder Kleinunternehmer, der bei seiner Hausbank nach einem Überbrückungskredit fragt, muss sich vor den Sachbearbeitern mit allem, was er hat, quasi nackig machen. Als Konsequenz aus der Signa-Pleite (und anderen Großinsolvenzen dieses Jahres) steht zu befürchten, dass Kreditnehmer künftig zusätzlich eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen müssen.
Direkt von den Baustopps betroffen sind die vielen Bauunternehmen und Handwerker, die fürs Erste auf ihren Aufträgen sitzen bleiben, und dies in einer Situation, wo die Baukonjunktur eh am Boden liegt. Völlig unklar ist, was aus den stillgelegten Signa-Großprojekten in München, Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart und anderswo wird. Mit den bereits erfolgten und noch möglichen Warenhausschließungen werden etliche Einzelhandelsstandorte zu Großbaustellen. Die rosige Zukunft der Innenstädte, die manche Stadtplaner in ihren Modellen ausmalen, muss man als Galeria-Nachbar in der Fußgängerzone erstmal erleben.
Galeria steht erneut vor einer Zäsur. Mitarbeitende, Lieferanten und Kommunen müssen wieder zittern.
Beschädigt sind auch viele honorige Persönlichkeiten und Politiker, die Benko Türen geöffnet haben und sich dafür in dessen Glanz sonnen durften. Verschämt hat sich der Beirat von der Signa-Website nehmen lassen. Geschädigt sind last but not least wir alle, die wir Steuern zahlen. Fast 700 Millionen hat Galeria an Staatshilfen erhalten, ohne dafür ausreichende Sicherheiten abzugeben. Im Wirtschaftsministerium rechnet man dem Vernehmen nach nicht damit, dass das Geld jemals zurückbezahlt werden kann.
Überhaupt Galeria. Nach zwei Insolvenzen innerhalb von nur zweieinhalb Jahren steht der Warenhauskonzern erneut vor einer Zäsur. Die Schweizer Dachgesellschaft hat das Unternehmen zum Verkauf gestellt. Wer in der aktuellen Marktsituation und bei Galerias Vorgeschichte das operative Geschäft in über 90 Filialen übernehmen wird, ist allerdings die Frage. Die LZ berichtete vor Wochen, dass Umsätze und Liquidität unter Plan liegen. Nach dem Weihnachtsgeschäft sieht es möglicherweise düster aus, meinte ein grimmiger Gerrit Heinemann vorgestern im ZDF Heute Journal. Insbesondere wenn – wovon man aktuell ausgehen muss – die von Signa versprochene 200 Millionen-Kapitalspritze nicht kommt. Mitarbeitende, Lieferanten und Kommunen müssen wieder zittern.
Etwas besser als in Essen und Köln wird man bei der KaDeWe Group in Berlin schlafen können. Die Premium-Häuser sind von der Konsumkrise zwar ebenfalls betroffen und ächzen, wie zu lesen ist, unter einer hohen Mietbelastung. Aus Lieferantenkreisen hört man jedenfalls, dass es mit der Zahlungsmoral aktuell nicht zum Besten steht. Aber dass die Luxury Department Stores ein zukunftsfähiges Format sind, dürfte unstrittig sein. Hier hat der thailändische Jointventure-Partner Central zuletzt bereits die Kontrolle über die insgesamt 37 internationalen Stores von Selfridges Group, Globus und KaDeWe Group übernommen und wird sich jetzt vermutlich auch die restlichen Anteile Benkos sichern.