Mittlerweile ist es fast langweilig geworden, schon wieder über die Zukunft von Galeria spekulieren zu müssen. Zumal Experte Hinz und Berater Kunz sich in den vergangenen Wochen medial breitflächig dazu ausgelassen haben. Möglicherweise hat sich auch der eine oder andere Leser an dieser Stelle bereits verabschiedet. Aber es ist dann halt doch das Ereignis dieser Woche, wenngleich nach dem Signa-Zusammenbruch kein überraschendes mehr.
Als langjähriger Beobachter der Handelsszene ist man geneigt, sich der „Deckel drauf“-Fraktion anzuschließen. „Die Insolvenz wird bei Galeria offenbar mittlerweile als Geschäftsmodell gesehen“, lästert etwa Gerrit Heinemann im Spiegel. „Dieses Geschäftsmodell ist am Ende“, verkündet der Handelsprofessor seit Wochen auf allen Kanälen. Als Steuerzahler, dessen Geld von Galeria in Form von hoch neunstelligen Überbrückungshilfen und Insolvenzgeldern verbrannt wurde, wird man ihm beipflichten und einen Schlussstrich befürworten. Ebenso als Einzelhändler, der sich zu Recht darüber ärgert, dass der Staat dem Konkurrenten nun das dritte Jahr in Folge ein Viertel seiner Personalkosten abnimmt und damit den Wettbewerb verzerrt.
Andererseits versteht man die Galeria-Mitarbeiter, die um ihren Arbeitsplatz bangen. Nur gut, dass die keine Traktoren und auch kein Interesse haben, die Fußgängerzone zu blockieren. Verständlich sind auch die Leerstands-Sorgen der Kommunen. Die Galeria-Lieferanten sind teilweise so verzweifelt, dass sie sich sogar mit einem windigen Partner wie Aachener einlassen, um nicht den Zugang zu manchen Standorten zu verlieren. Die anstehende Orderrunde in Essen wird für die Vertriebsverantwortlichen in der Industrie eine Gleichung mit extrem vielen Unbekannten werden.
Dass das Galeria-Management mit dem Insolvenzverwalter explizit eine Fortführung anpeilt, ist natürlich ebenso zu verstehen. Es geht auch um die eigenen Pfründe. So bemüht man sich, die Krise als Chance zu verkaufen und spricht von einer Befreiung von Benko. Als seien Wuchermieten das einzige Problem der Warenhäuser gewesen. Dabei gibt es Belege dafür, dass die Betriebsform – gut gemacht – sehr wohl eine Existenzberechtigung hat. Nur eben nicht überall mit demselben Konzept, und womöglich auch nicht mehr unter Galeria-Flagge.
Ob sich ein Investor findet, der bereit ist, das gesamte Unternehmen inklusive der zunehmend dysfunktionalen Zentrale zu übernehmen? Man wird sehen. Sehr wahrscheinlich ist das bei der derzeitigen Marktlage nicht. Man kann nur hoffen, dass der Zuschlag nicht an einen der Leichenfledderer geht, die es in der Finanzinvestorenszene ja ebenfalls gibt.
Wahrscheinlicher ist, dass einzelne Häuser oder Filialpakete an Mitbewerber gehen. Es gibt stationär ja nach wie vor viele expansive Player. Diese werden aber kaum die schlechtesten Standorte übernehmen wollen (was die Basis von Galeria nur weiter erodieren lassen würde). Man darf davon ausgehen, dass es bereits im Vorfeld des Insolvenzantrags entsprechende Sondierungsgespräche gegeben hat. Wahrscheinlich auch mit P&C, was eine Erklärung für die Übernahme-Ente sein könnte, mit der BILD Ende Dezember die Öffentlichkeit überraschte. Zumindest ein ganz klein wenig überraschte. Denn mittlerweile haben wir in dieser Branche gelernt, grundsätzlich alles für möglich zu halten.