Es wirkt fast wie ein Nachtrag zur vergangenen und zur vorletzten Woche: Jelmoli in Zürich schließt. Das Warenhaus in bester Lage rechnet sich nicht mehr. Schon seit Jahren nicht. Der Eigentümer wickelt den Handelsbetrieb per Ende 2024 ab und vermietet die Flächen nach einem Umbau der Immobilie neu.
Es ist das schnöde Ende einer Schweizer Handelslegende: seit 1833 in Zürich ansässig, seit 1899 an der Bahnhofstraße, in den 1950er Jahren Expansion auf über 50 Kaufhäuser in der ganzen Schweiz, in den 1970er Jahren Diversifikation in andere Geschäftsfelder, u.a. Tourismus und Gastronomie, 1988 mit 231 Standorten, 5200 Mitarbeitern und fast 1,5 Milliarden Franken Umsatz auf dem Höhepunkt. Jelmoli war über Jahrzehnte auch ein erfolgreicher Versandhändler, lange bevor das Wort Multichannel überhaupt erfunden war. In den 90er Jahren dann der jähe Absturz. 1996 wurden alle Häuser außer der Bahnhofstraße geschlossen und der Jelmoli-Konzern in den darauffolgenden Jahren zerlegt.
Das Warenhausgeschäft gehörte seit 2009 dem Immobilienkonzern Swiss Prime Site. Ein Fremdkörper im Portfolio, der jetzt herausgeschnitten wird. Das ist bitter für die über 800 Mitarbeitenden von Jelmoli. Aber aus Sicht des börsennotierten Eigentümers ist die Abwicklung des Handelsgeschäfts, von dem man nichts verstand und an dem man offensichtlich kein wirkliches Interesse hatte, wohl konsequent. Der SPS-Kurs hat nach der Nachricht am Montag allerdings nur kurz nach oben gezuckt, inzwischen ist er auf dem bisherigen Jahrestiefststand angelangt.
Ist der Fall Jelmoli ein weiterer Beleg für den Untergang einer ganzen Betriebsform? Die Parallelen zur Entwicklung der deutschen Warenhauskonzerne sind schließlich frappierend. Die Antwort ist:
Jein.
Natürlich hat sich die Wettbewerbssituation für die Warenhäuser über die Jahrzehnte massiv verändert. Das wurde hier bereits vielfach thematisiert. Das Warenhaus als dominante Betriebsform der Nachkriegszeit wurde mit den Jahren links überholt von den billigeren Discountern und rechts von den kompetenteren Spezialisten. Die Shopping Center boten das bessere und größere Angebot und lockten damit die Kunden aus der Fußgängerzone, wo die Warenhäuser ihre Geschäfte betreiben. Diese waren an vielen kleinen und mittleren Standorten in die Nahversorgerfunktion gezwungen und mussten sich auf kleinteilige Bedarfsdeckung ausrichten, wo Inspiration und Bedarfsweckung angesagt gewesen wären. Spätestens mit dem Siegeszug des Online-Handels hat sich das aus Kundensicht bequeme „Alles unter einem Dach“-Versprechen der Warenhäuser endgültig erledigt.
Der Marktanteil der Warenhäuser wird weiter sinken. Andererseits eröffnet der Rückzug von Galeria vielerorts neue Chancen für Geschäfte.
Die deutschen Warenhauskonzerne – Karstadt, Kaufhof, Hertie, Horten – haben es nicht geschafft, sich diesen Marktveränderungen anzupassen. Nach heilloser Expansion retteten sie sich in Fusionen und Übernahmen. Sie suchten Synergien im Einkauf und im Back-office, statt nach lokaler Exzellenz und größtmöglicher Kundennähe zu streben. Die Strategien wechselten häufiger als die Manager. Divergierende Interessen von Unternehmensleitung und Arbeitnehmern, von Eigentümern und Vermietern, von Kommunen und Politik verhinderten eine stringente Umsetzung. Zum Aufbau eines funktionierenden Digitalgeschäfts fehlten Kapital und Know-how. Mit jeder Krise wurden Assets verscherbelt. Das wertvolle Immobilienvermögen bedient heute die Renditeansprüche von am Handelsgeschäft letztlich desinteressierten Anlegern. Verluste wurden in Insolvenzverfahren sozialisiert. Auch wenn Karstadt und Kaufhof nach der Handelslehre nicht zu dieser Kategorie zählen – für manchen Stakeholder waren das die eigentlichen SB-Warenhäuser.
Wer pauschal vom Tod der Warenhäuser spricht, übersieht auf der anderen Seite ein Multi-Category-Format wie Breuninger, der sich mit seiner Omnichannel-Strategie erfolgreich der Zeit angepasst hat und eine stringente Premium-Positionierung verfolgt. Auch Kadewe, Oberpollinger und Alsterhaus wird es weiter geben. In Düsseldorf und Wien eröffnet die Gruppe weitere Luxus-Warenhäuser. Platzhirsche wie L&T, Garhammer oder Engelhorn arrondieren ihre Sortimente und mausern sich damit zu Department Stores. Und einem Dodenhof in Posthausen kann der Marktanteil der Warenhäuser in Deutschland auch egal sein.
Dieser Marktanteil wird jetzt weiter sinken. Aber überall dort, wo kompetente und engagierte Kaufleute die Kundschaft mit den passenden Angeboten und attraktiven Einkaufsmöglichkeiten abholen und investitionswillig und ‑fähig sind, besteht eine Chance auf Geschäfte. Der anstehende Rückzug von Galeria eröffnet vielerorts neue Gelegenheiten für Unternehmer.
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Jetzt ist die Tastatur schon wieder zum Thema Warenhäuser mit mir durchgegangen… Was ist sonst noch so passiert?
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