Die Absage der Premium bedeutet auch das Aus für die Modemessenstadt Berlin. Die auf Upper Streetwear und Urbanwear fokussierte Seek passt zwar dorthin und wurde zuletzt auch gut besprochen. Aber diese Veranstaltung wird mit ihrer nischigen Ausrichtung nie und nimmer dieselbe Anziehungskraft auf so viele Einkäufer haben wie die Berliner Messen in ihren besten Zeiten. Günstigstenfalls kann die Seek so etwas wie der Nukleus für einen Wiederaufstieg sein. Wahrscheinlicher ist sie das Requiem.
Dass man sich im Januar nicht einmal auf einen gemeinsamen Termin mit der Fashion Week einigen konnte, wird am Ende allen in der Hauptstadt geschadet haben. Ohne marktrelevante Modeprofis wird dieses B2C-Event noch mehr als bisher als Subventionsbetrieb der Berliner Fashion Bubble erscheinen.
Das alles ist sehr bedauerlich, und wer hätte das vor 20 Jahren gedacht. Damals haben Einkäufer und Brands aus aller Welt Berlin für ein paar Saisons zur deutschen Modehauptstadt gemacht. Premium und Bread & Butter haben Düsseldorf und Köln etwas aufregend Neues entgegengesetzt. Mit der Fashion Week wähnten sich manche bereits auf Augenhöhe mit Mailand und Paris.
Seither ist viel passiert. Letztlich leider in die falsche Richtung. Der Niedergang hat nicht nur konzeptionelle oder konjunkturelle, sondern vor allem auch strukturelle Gründe. Es ist schlichtweg so, dass ein sich vertikalisierender Markt keine auf Transaktion zwischen Industrie und Handel ausgerichtete Plattformen mehr trägt, schon gar nicht, wenn sie mit hohen Kosten und Aufwand verbunden sind. Amazon und Zalando kommen auch ohne Messen klar. Sich informieren und mit anderen kommunizieren kann man auch über Medien, auf Fachkongressen, Netzwerkveranstaltungen wie dem Dachmarkenforum oder den Fashionfestivals der Verbundgruppen. Dort trifft sich freilich vor allem, wer sich bereits kennt. Dass es nicht mehr die eine große Branchenplattform gibt, beklagen diejenigen am lautesten, die in den vermeintlich guten alten Zeiten beruflich sozialisiert wurden – als die Igedo noch die weltgrößte Modemesse war und Hugo Boss auf der Kölner Herrenmodewoche ganze Hallen angemietet hat.
Ein Schlüssel gegen den strukturell bedingten Aussteller- und Besucherschwund wäre eine Ausweitung der internationalen Reichweite gewesen. Bleibt die Frage, warum das in Berlin nicht gelungen ist. Der progressive Einzelhandel und Wholesale-Brands, die Aufnahme in die hiesigen Sortimente suchen, werden bis auf Weiteres den Umweg über Florenz, Kopenhagen, Amsterdam oder Paris nehmen müssen. Und Düsseldorf hat wohl nicht zufällig diese Woche das Save the Date für Ende Januar verschickt.
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Und sonst?
…verweist Betty Barclay laut TW-Studie Adidas und Hugo Boss im Arbeitgeberbeliebtheitsranking auf die Plätze. Mode wird in Deutschland in Nussloch, Herzogenaurach und Metzingen gemacht.
…verkauft Esprit jetzt Pullover für 469 Euro. Den Wholesale-Partnern hat man die neue Premiumlinie nicht angeboten. Die hätte eh keiner gekauft.
…gibt es bei McDonalds jetzt den Schuh zum Burger, natürlich von Crocs. Da haben sich die Richtigen gefunden: Oben und unten elastisches Material und dazwischen eine wenig appetitliche Fleischeinlage.