Vinken barbara fotograf rade kurt

“Mode tut uns gut”

Auf einen Kaffee mit..... Barbara Vinken. Die Literaturwissenschaftlerin und Modetheoretikerin über Mode und Konsum. Und warum sie keine Jogginghose besitzt.

Sie sind Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin, Mode­theo­re­ti­ke­rin und Buch­au­to­rin. Wie sehen Sie als Wis­sen­schaft­le­rin die Mode?

Mode ist die Fähig­keit, sich mit sich selbst und mit der Welt in ein voll­kom­me­nes Beneh­men zu set­zen. Natür­lich ist Mode auch ein Kon­sum­gut; aber sie ist vor allem eine ele­men­ta­re Lebens­kunst. In der Mode kann man vie­les über gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Ent­wick­lun­gen able­sen, aber vor allen Din­gen tut sie uns wie jedes Kul­tur­gut gut.

Glau­ben Sie, dass die Men­schen sich nach Coro­na anders anzie­hen wer­den?

Vie­le Pro­gno­sen gehen davon aus, dass wir nach die­ser grau­en Zeit so ein Gol­den Twen­ties-Fee­ling wie vor hun­dert Jah­ren haben wer­den. Nun kann man Coro­na nicht mit dem Ers­ten Welt­krieg ver­glei­chen, aber natür­lich haben wir alle das Gefühl von Lebens- und Glücks­ver­lus­ten. Ich sehe ein Feu­er­werk an Lebens­lust vor­aus, die viel zu lan­ge unter Ver­schluss war. Wenn Sie die Kol­lek­tio­nen  die­ses Som­mers anse­hen, springt ihre blu­mi­ge, far­ben­fro­he Opu­lenz ins Auge, Stoff in Hül­le und Fül­le, ja üppig rau­schen­de Stoff­kas­ka­den. Das gera­de Gegen­teil der Jog­ging­ho­se.

Kürz­lich haben Sie gesagt, dass Sie kei­ne Jog­ging­ho­se besit­zen. Wie haben Sie das geschafft in Zei­ten, wo die gan­ze Nati­on im Lei­su­re-Look unter­wegs war?

Ich besit­ze tat­säch­lich kei­ne ein­zi­ge. Man ist bes­ser in Form zum Schrei­ben, wenn man gut ange­zo­gen ist. Das gibt Hal­tung, die einen aus­ge­feil­ten, geschlif­fe­nen Schreib­stil aus­macht.

Sie haben vie­le Jah­re im Aus­land gelebt und gear­bei­tet. War das eine bewuss­te Ent­schei­dung, nach so vie­len Jah­ren im Aus­land wie­der nach Deutsch­land zurück­zu­keh­ren?

Ich habe sehr lan­ge in den USA gelebt und hat­te immer Heim­weh nach Euro­pa. Inso­fern war die Ent­schei­dung nicht schwie­rig. Weil ich schon als jun­ges Mäd­chen in Frank­reich zur Schu­le gegan­gen bin, habe ich von jeher einen frem­den Blick auf Deutsch­land, der auch etwas Befrei­en­des hat. Ich bin mit die­sem Land im Gro­ßen und Gan­zen, solan­ge es nicht immer deut­scher wird, zufrie­den. Das hängt auch damit zusam­men, dass ich es vor­zie­he, an einer deut­schen und nicht an einer fran­zö­si­schen Uni­ver­si­tät zu leh­ren.

War­um?

Der leben­di­ge Aus­tausch mit den Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten, das Erbe Hum­boldts, hat mir immer aus­ge­zeich­net am deut­schen Uni­ver­si­täts­sys­tem gefal­len.

Was hal­ten Sie von der Aus­sa­ge, ab einem gewis­sen Alter soll­te man nicht mehr jede Mode tra­gen?

Das hal­te ich für eine blö­de Ein­schüch­te­rung irgend­wel­cher Leu­te, die sich als Fashion Poli­ce auf­spie­len. Bei der Tracht ging es nach Alter und Stan­des­un­ter­schie­den: Mäd­chen, Braut, ver­hei­ra­te­te Frau, Wit­we. Für die Mode ist das defi­ni­tiv kei­ne Kate­go­rie. Madon­na trug mit 60 pink­far­be­ne Leg­gings – da soll­te man nicht fra­gen, ob sie dafür zu alt ist, son­dern ob pink­far­be­ne Leg­gings im Ernst eine gute Idee sind. Rele­van­ter als die Fra­ge des Alters ist doch, wel­cher Figur­typ ich bin, ob groß oder klein, gedrun­gen, hoch­ge­wach­sen oder zier­lich. Alter spielt bei der Mode kei­ne Rol­le.

Was bedeu­tet das The­ma Nach­hal­tig­keit für die Mode­bran­che? Schlie­ßen sich Kon­sum und Nach­hal­tig­keit nicht eigent­lich aus?

Wenn Sie durch Paris spa­zie­ren gehen, ist es unglaub­lich, wie nach­hal­tig die Mode­bran­che gewor­den ist. Vegan, recy­celt, Hand­ar­beit. Das hat natür­lich sei­nen Preis. Nach­hal­tig­keit macht nicht nur beim Essen, son­dern selbst­ver­ständ­lich auch in der Mode alles teu­er. Und das ist gut so. Auch hier gilt: Weni­ger ist mehr.

Das Gespräch führ­te Sabi­ne Spie­ler.

Bar­ba­ra Vin­ken ist Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin und Mode­theo­re­ti­ke­rin. Seit 2004 lehrt die Pro­fes­so­rin für All­ge­mei­ne Lite­ra­tur­wis­sen­schaft und Roma­ni­sche Phi­lo­lo­gie an der Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät in Mün­chen. Einem brei­ten Publi­kum bekannt wur­de Vin­ken mit ihrem Buch “Die deut­sche Mut­ter”, in dem sie den Mythos der Müt­ter­lich­keit und die Unver­ein­bar­keit von Mut­ter­schaft und Beruf in Deutsch­land ana­ly­siert. Dar­über hin­aus hat sie Bücher über Mode geschrie­ben wie “Ange­zo­gen. Das Geheim­nis der Mode und Fashion Zeit­geist”. Bar­ba­ra Vin­ken schreibt regel­mä­ßig für Die Welt, die Zeit und NZZ. Vin­ken lebt mit ihrem Mann in Mün­chen. http://www.barbaravinken.de/