Du hast mit Snipes eine der großen internationalen Erfolgsgeschichten im deutschen und europäischen Einzelhandel geschrieben. Seit Anfang des Jahres bist Du offiziell raus und startest jetzt nochmal durch. Du hast offenbar noch nicht genug vom Einzelhandel.
Es macht mir halt Riesenspaß. Wenn Du jetzt mit meinen Eltern sprechen würdest, die würden Dir erzählen, dass mein Lieblingsspielzeug damals der Kindersupermarkt war. Als Jugendlicher bin ich über die Flohmärkte getingelt. Ich habe den Händler irgendwie im Blut.
Deine Eltern waren keine Kaufleute.
Nein. Aber die Großeltern waren tatsächlich im Modehandel. Das Talent hat wohl eine Generation übersprungen. Ich liebe die Vielfalt dieses Berufs. Sortimente gestalten, Konzepte entwickeln, Läden aufmachen, Teams aufbauen – all das ist für mich wahnsinnig erfüllend, und ich habe diese Faszination tatsächlich nie verloren. Bis heute springe ich gerne im Lager rum, zum Leidwesen meiner Leute. In die neuen Kartons zu schauen, ist für mich immer wie Weihnachten.
Nur dass du die Päckchen bezahlt hast.
Stimmt.
Nach Snipes hättest Du Dich auch zur Ruhe setzen können, Dein Geld zählen, oder Dich als Wohltäter engagieren können.
Vielleicht kann ich nichts anderes. Ich wollte immer mehr sein als nur Retail. Früher ging es darum, einen Laden morgens aufzumachen, so viel zu verkaufen wie möglich und abends das Geld zu zählen. 1998 gehörten wir zu den Ersten, die einen DJ in den Laden gestellt haben. Heute ist das was völlig Normales. Social Media hat die Welt seither total verändert. Ich glaube, wir sind jetzt wieder an dem gleichen Punkt. KI wird die Welt genauso verändern. Für uns bietet das Chancen. Nimm nur unser „Testimonial“ Higgins – die Figur ist komplett KI-generiert, die animierten Videos, seine Songs und so weiter.
Wo siehst Du den Markt für Higgins?
Ich denke, dass sehr viele Leute heute nicht mehr das Geld haben, jedes modische Experiment mitzumachen.
"Mir haben viele Leute gesagt, zehn Läden an einem Tag von einem neuen Konzept, das hat noch keiner gemacht. Jetzt weiß ich auch, warum das noch keiner gemacht hat."
Würdest du sagen, dass Snipes dann zu teuer geworden ist?
Nein, das nicht. Aber ich glaube, dass es zwei wachsende Kundengruppen gibt. Die einen, die sich nicht mehr so viel leisten können, weil im Supermarkt alles teurer geworden ist, weil Energie, Urlaub, Essen und alles das Einkommen auffressen. Und dann ist da noch eine zweite Kundengruppe: die Leute, die sich teure Mode nicht mehr leisten wollen, die sagen: 100 oder 200 Euro für ein T‑Shirt, das ist nicht mehr zeitgemäß.
Das war es womöglich nie. Einigermaßen verrückt klingt, dass Du vergangene Woche gleich mit zehn Stores an den Start gegangen bist und darüber hinaus neben Higgins noch vier andere Firmen gegründet hast.
Mir haben viele Leute gesagt, zehn Läden an einem Tag von einem neuen Konzept, das hat noch keiner gemacht. Jetzt weiß ich auch, warum das noch keiner gemacht hat.
Und warum dann der große Aufschlag?
Es klingt vielleicht bescheuert. Aber ich habe das gemacht, weil ich es kann. In der heutigen Handelslandschaft, wo es vermeintlich schon alles gibt, musst du laut sein. Und dann hast du natürlich gewisse Zwänge. Unsere Higgins-Eigenmarke produziert Dir ja keiner für nur einen Store. Die MOQs würden Dich erdrücken.

Wie sind die ersten Tage gelaufen?
Wir haben uns sehr konservative Ziele gestellt und haben diese dreifach übertroffen. Deswegen sind wir erstmal sehr happy. In unserer bisherigen Welt im Mittelpreissegment bist du ja gewohnt, dass die Leute ein, zwei Artikel kaufen, dann war es das. Bei uns waren jetzt in den ersten Tagen fünf Artikel in der Shopping Bag.
Die Mühen der Ebene werden noch kommen.
Klar. Wir gucken uns jetzt mal die ersten Wochen an, und dann wissen wir, wo wir stehen.
Higgins ist ein demokratischeres Konzept als Snipes, das auf die Streetwear-Szene zugeschnitten ist. Generationsübergreifend, all gender, stark in Einstiegspreislagen. Gibt es auf diesem Feld nicht schon genug Anbieter? H&M? New Yorker? In Österreich Fussl?
Ich habe mir natürlich den Markt sehr genau angeguckt. Im Mittelpreissegment und im Premium-Bereich ächzen im Moment die allermeisten. Aber es gibt zugleich Gewinner. Schau Dir den all time Ergebnisrekord von New Yorker letztes Jahr an. Schau dir Action an, die gerade durch die Decke gehen. Dann siehst Du, wo die Musik gerade spielt. Zugleich stelle ich fest, dass die Sehnsucht nach Marke immer noch vorhanden ist. Menschen, die Marken suchen, werden bei den Vertikalen nicht fündig.
Denen macht Higgins jetzt ein Angebot.
Genau. Ich habe mich mit Markenlieferanten an den Tisch gesetzt und diese überzeugt, dass sich das Environment verschiebt. Um Access zu den Communities zu haben, braucht ihr eine Einstiegspreislage. Zum Glück sind mir da einige Marken sehr entgegengekommen und haben für uns neue Preisregionen möglich gemacht. Wenn du dir unser Markenportfolio anguckst, staunst du ja erstmal.
Wir sprechen aber nicht über Postenware oder Restanten?
Nein. Wir sind kein Postenhändler, kein Outlet oder ähnliches, sondern wir ordern ganz normal. Natürlich haben wir geschaut, dass wir zum Opening das eine oder andere zusätzlich bekommen. Und natürlich würden wir mal hier und da einen Posten für Black Friday oder andere Retail-Moments dazu kaufen. Grundsätzlich ist Higgins aber ein ganz normaler Retailer.
Und Marken wie Levis, Alpha Industries und New Era spielen mit?
Das teuerste T‑Shirt ist tatsächlich das von Alpha Industries für 22,99. Grundsätzlich enden unsere T‑Shirts bei 19,99 Euro. Der teuerste Schuh kostet 69 Euro. Wir sprechen konstant mit Marken, ob sie uns vielleicht in der Einstiegspreislage was anbieten können, indem sie ein anderes Fabric nehmen oder einen einfacheren Print oder was auch immer. Der Preis ist das aber nur das eine. Das zweite Thema ist, dass wir unseren Kunden versprechen, dass er oder sie gut aussieht, wenn man sich bei Higgins einkleidet. Du darfst den Schuhen halt nicht ansehen, dass sie günstig sind. Wir schulden unserem Kunden, dass er trotzdem ein cooler Dude sein kann.
Ist die scharfe Ausrichtung auf eine Zielgruppe, so wie Ihr es bei Snipes gemacht habt, nicht gerade ein zentraler Erfolgsfaktor und heute sogar mehr denn je notwendig?
Ich glaube, dass beides seine Daseinsberechtigung hat. Snipes ist perfekt positioniert. Der Kunde weiß, was er zu erwarten hat, und er findet das auch dort. Wir wollen breiter in den Markt reingehen. Unsere Zielgruppe ist jung geblieben, das sind heute viele auch noch mit 70. Die ersten Tage zeigen, dass das top aufgegangen ist. Wenn ich unsere Kernzielgruppe definieren müsste, dann ist das für mich die junge Familie – Vater, Mutter, eins, zwei, drei Kinder, wo oft nur ein Gehalt zur Verfügung steht. Denen wollen wir ein Angebot machen.
"Nach 25 Jahren, in denen ich regelmäßig erklären musste, wie man 'Snipes' ausspricht, wollte ich einen Namen, den man nicht falsch aussprechen kann. Das ist bei „Higgins“ schon wirklich schwer."
Woher kommt eigentlich der Name „Higgins“?
Dass wir den Namen gewählt haben, hat drei Gründe. Grund Nummer eins: Higgins klingt international. Der Kunde kann erstmal nicht zuordnen, ist das UK, ist das USA, ist das Australien? Das sind alles Länder, die viele per se erstmal cool finden. Grund Nummer zwei: Nach 25 Jahren, in denen ich regelmäßig erklären musste, wie man „Snipes“ ausspricht, wollte ich einen Namen, den man nicht falsch aussprechen kann. Das ist bei „Higgins“ schon wirklich schwer.
Und der dritte Grund?
In meinem Alter bist du mit zwei Fernsehserien aufgewachsen. Die eine war Miami Vice, die andere war Magnum. Und Magnums Sidekick Higgins ist ein besonders im Gedächtnis gebliebene Charakter, den findet jeder cool.

„Higgins“ ist bei Euch ein fiktiver Fuchs.
Ja. Wir werden keine klassische Preiswerbung machen, sondern unsere gesamte Kommunikation auf den Fuchs abstellen. Der Fuchs wird wahnsinnig viel erleben. Er bringt den Spielball aufs Feld, wenn die Vienna Vikings spielen, er geht im Club feiern, er fährt zu Puma und sucht da die Produkte aus. Und die Kamera ist halt immer dabei. Er wird Community Work machen für Kinder, deren Eltern kein Geld haben für den Schulrucksack und Schulmaterial. Der Fuchs hat auch schon sein erstes Album released. Wenn du auf Spotify „Mr. Higgins“ eingibst, findest du 13 Songs. Vielleicht schaffen wir es ja sogar, dass so ein Song mal chartet. So wie der Crazy Frog oder Schnappi.
Warum ist Higgins ein Fuchs und nicht etwa eine Schildkröte?
Jeder kennt den Schlaufuchs, jeder kennt den Sparfuchs. Wenn du zu Higgins gehst, bist du halt auch ein Fuchs. Und die Kids lieben ihn! Wir haben einen Plüsch-Fuchs gemacht, 30 cm groß. Mit Kia haben wir ein grünes Higgins-Auto losgeschickt. Der Fuchs fährt damit durch die Gegend, und im Radio wird gesagt, wo er gleich auftaucht, und dann können sich die Kids kostenlos diese Füchse holen. Zum Opening haben wir allein in Wien 7500 Stück verteilt.
Okay.
Dazu haben wir das „Heroes Team“ aufgebaut. Wir haben den MMA-Kämpfer Aleksandar Rakic gesigned als Gesicht für Higgins. Und Matthias Göth alias Strongman Cheesy, den stärksten Mann Österreichs, der auch schon mal einen LKW hinter sich her zieht. Und Swifty Moto, der Motorrad-Freestyle macht, der hat eine halbe Million Follower auf Instagram. Wir haben das American Football-Team Vienna Vikings und das Freestyle-Event Masters of Dirt als Partner.
Das klingt ja fast wie bei Red Bull. Du bist erst seit Anfang des Jahres offiziell raus bei Snipes. Wie konntest du das alles in so kurzer Zeit umsetzen?
Ich bin am 31. Mai letzten Jahres ausgeschieden. Ich hatte noch ein non compete bis 10. Januar 2025. Bis dahin durfte ich tatsächlich keine Gesellschaft gründen und keine Leute einstellen. Aber natürlich durfte ich schon ein bisschen nachdenken und Ideen spinnen, das habe ich auch getan. Wir haben dann am 14. Januar fünf Gesellschaften gegründet und in Windeseile Leute eingestellt. Ich wollte unbedingt das Eröffnungsdatum Ende August halten, weil ich dann bis Ende des Jahres noch fünf Retail-Moments habe: Back to School, Herbstferien, Black Friday, Christmas und Holiday. So weiß ich am 31. Dezember, ob mein Konzept greift.
"Ich bin noch zu jung für die Hängematte"
Wieviele Mitarbeiter hast Du eingestellt?
Das sind überraschend wenige. Wir wollen ein maximal leanes Unternehmen aufbauen. In den Stores hast du jeweils sechs Leute, also 60 insgesamt. Wir haben ein Office in Köln, da sitzen vier Leute, unser Office hier in Wien, da sind wir neun Leute. Natürlich sind darunter langjährig Vertraute, mit denen ich teilweise 20 Jahre und mehr zusammenarbeite. Ein Dream Team von Leuten, denen ich blind vertraue und die mir auch vertrauen, dass ich das wieder hinkriege. Das hat vieles möglich gemacht.
Wozu hast Du neben Higgins gleich noch vier andere Gesellschaften gegründet?
Bei Noctane geht es um Licencing. Da habe ich mir Lizenzen gesichert, zum Beispiel von Carlo Colucci, Bruno Banani und von Hummel. Wir haben dort die Freiheit, Kollektionen zu entwickeln und zu vertreiben und zahlen dafür eine Lizenzgebühr. Wir haben zwei Showrooms, einen in Wien, einen in Köln, und wir haben eine Designabteilung, die die Produkte entwickelt. Die zweite Firma ist Void. Das ist eine Marketingagentur, die Services auch für andere Retailer anbietet. Wir haben es mit Snipes ja als einer der Wenigen geschafft, eine Handelsmarke zu einer Brand zu machen. Die Menschen tragen Snipes auf der Brust, das haben JD oder Foot Locker nicht geschafft. Zu uns kommen Handelsketten oder Marken, die sagen, wir werden zu alt, die jungen Leute gehen zum Wettbewerb. Wie können wir uns neu aufstellen? Könnt ihr uns helfen? Dann gibt es eine Gesellschaft für Media, da habe ich mich mit 25,1 Prozent am Forbes Magazine beteiligt. Last but not least gibt es noch Black Mass, das ist die Holding für die ganzen Gesellschaften.

Das klingt nach Workaholic.
Ich bin halt noch zu jung für die Hängematte.
Warum bist Du mit Deinen Firmen nach Österreich gegangen?
Grundsätzlich bin ich großer Österreich-Fan. Ich bin seit Jahren viel in Kitzbühel und war auch für Snipes oft in Wien, wo ich zwölf Stores aufgemacht habe. Meine Frau ist zur Hälfte Österreicherin. Wir lieben es hier. Köln ist von der Lebensqualität her nicht vergleichbar. Unsere vier Kinder waren altersmäßig auch noch umtopfbar. Last but not least ist es auch ein klarer Schnitt: Snipes vorbei, Köln vorbei.
Also eher private Gründe.
Nicht nur. Österreich hat mir auch unternehmerisch sehr geholfen. Das Netzwerken hier ist deutlich einfacher als in Deutschland. Ich habe wahnsinnig viel Support bekommen. Wir haben beispielsweise keine PR-Agentur. Unsere Vorhaben haben sich auch so rumgesprochen, und die Medien kamen auf uns zu. In Österreich leben neun Millionen und nicht 80 Millionen wie in Deutschland. Da ist es ein bisschen einfacher, laut zu sein. Das Gleiche war mit Expansion. Der Markt ist gerade echt ausgetrocknet, was innovative Formate angeht. Die Vermieter sind uns sehr entgegengekommen und haben uns tolle Flächen angeboten.
Higgins ist zum Start ein rein stationäres Format. Es gibt keinen Online-Shop. Wird es perspektivisch einen geben?
Für mich geht es im Handel tatsächlich um die Interaktion zwischen Menschen. Dazu kommt natürlich, dass online Geld zu verdienen nicht die einfachste Disziplin ist. Bei Snipes kam seinerzeit irgendwann jemand zu mir und fragte, warum wir keinen Online Shop haben. Der hat das dann auf Provisionsbasis gemacht. Wir haben das Business später zurückgekauft und selbst betrieben. So einer Anfrage würde ich mich jetzt bei Higgins nicht verschließen. Aber wir selbst werden erstmal keinen Onlineshop aufmachen.
"Welche Dimension Snipes angenommen hat, war anfangs nicht absehbar. Ohne Deichmann wäre das nicht möglich gewesen."
Wo möchtest Du denn langfristig mit Higgins hin? Glaubst Du, dass sich so ein Erfolg wie mit Snipes wiederholen lässt?
Da bin ich mir sehr sicher, und ich sehe sogar viel mehr Möglichkeiten. Bei Snipes bist du mit 150 Läden in Deutschland ausexpandiert. Das ist mit Higgins ganz anders. Das Ding soll noch mal so groß und ehrlicherweise sogar noch größer werden.
Wann eröffnet der erste Laden in Deutschland?
Wir haben einen klaren Drei-Jahresplan. Bis Ende dieses Jahres sollten wir sehen, dass das Konzept greift. Im ersten Halbjahr 2026 gehen wir dann auf die Suche nach Standorten, zunächst in Österreich, Slowenien und Kroatien. Wir wollen diese beiden kleineren Märkte dazunehmen zum Üben. Im Businessplan stehen dann 20 Läden fürs zweite Halbjahr, zu Silvester 2026 wollen wir dann also 30 Filialen haben. 2027 könnte es dann nach Deutschland gehen.
Als Du vor 27 Jahren den ersten Snipes-Laden aufgemacht hast, war Dir da klar, was mal daraus werden sollte?
Ich habe Snipes tatsächlich nicht gegründet, um bloß einen Laden zu haben oder zwei oder drei. Das sollte schon groß werden. Welche Dimension das dann angenommen hat, war aber natürlich nicht absehbar. Ohne Deichmann wäre das nicht möglich gewesen, so ehrlich muss man sein. Mit den Ressourcen des Konzerns war eine Filiale zu eröffnen in Bordeaux nicht komplizierter als eine in Bremerhaven.
Nach außen wirkte es seinerzeit eher so, als habe Dir Deichmann unter die Arme gegriffen, weil Ihr zu schnell gewachsen seid.
Es stimmt, ich hatte 2011 bereits 45 Filialen. Aber das Wachstum war viel zu langsam. Brands wie Nike machen in unserem Spiel die Regeln. Da hieß es: fewer, bigger, better und dementsprechend: go big or go home. Mit zwei, drei, vier, fünf neuen Läden im Jahr wären wir irgendwann hinten runtergefallen. Mit Deichmann habe ich Schritt halten können und habe geschafft, dass Snipes einer von den Big Three geworden ist.
Hattest du auch Alternativen geprüft zu Deichmann?
Ja, es gab damals fünf Optionen. Ich bin sehr happy, dass ich mich dann für Deichmann entschieden habe.
"Ich kann nicht in meinem eigenen Unternehmen als Angestellter arbeiten, das fühlt sich komisch an."
Trotzdem hast Du nach meinem Eindruck stets auf Abstand zum Konzern gehalten. Aus Imagegründen?
Schon. Als wir seinerzeit Solebox gekauft haben, lästerten sie in Social Media gleich von wegen „Deichbox“ und so weiter. Weil die TW immer von Deichmann-Tochter schrieb, wollte ich auch den Forumpreis nicht entgegennehmen, da musste Herr Deichmann Überzeugungsarbeit leisten. Snipes ist halt ein cooles Konzept für die coolen Kids in der Schule. Und Deichmann ist ein hervorragender bedarfsorientierter Händler, der aber nicht die Core-Zielgruppe von Snipes anspricht. Deshalb waren wir mit Blick auf den Konsumenten auf Eigenständigkeit bedacht. Im Back Office und bei den Lieferanten waren wir dagegen Eins.
War dein Ausstieg eigentlich langfristig so geplant? Oder war das eher eine Art Ehekrise?
Mein Ausstieg war sogar früher geplant. Aber Herr Deichmann und ich sind immer hervorragend miteinander ausgekommen. Mit ihm hat es total geklickt, und aus den ursprünglich geplanten fünf Jahren sind 14 geworden. Deichmann hat mir alle drei Jahre weitere Shares abgekauft, und Ende 22 hatten sie dann die 100 Prozent.
Dann wurde es Zeit für Dich zu gehen?
Ich habe zu Herrn Deichmann gesagt, dann bin ich auch weg. Ich kann nicht in meinem eigenen Unternehmen als Angestellter arbeiten, das fühlt sich komisch an. Er hat mich dann gebeten, meine Succession zu regeln. Ich hatte drei Jahre Zeit dafür. Nach anderthalb Jahren war das erledigt und ich bin rausgegangen. Das war für Außenstehende vielleicht eine Überraschung. Herr Deichmann und ich waren uns aber lange einig darüber.
Man hat nicht versucht dich zu halten? Snipes ist ja nach wie vor extrem expansiv, Ihr habt hunderte Läden in den USA übernommen, und es gibt doch bestimmt noch genug zu tun.
Heinrich Deichmann würde auch nicht angestellt bei Deichmann arbeiten. Ich glaube, das war für alle Seiten so in Ordnung.
Wie schwer fiel dir selbst denn der Abschied von deinem Baby?
Ich konnte mich sehr lange darauf vorbereiten. Mit der Größe wurde Snipes zudem automatisch auch ein Stück weit corporate, politischer und verwalterischer. Das ist unvermeidlich, und ich meine das gar nicht negativ. Aber ich bin kein Corporate Guy, sondern ein Freestyler. Ich muss kreieren, ich muss spinnen, ich muss Dinge tun, die ich für richtig halte. Das mache ich jetzt.