Sven higgins showroomx

"Ich bin ein Freestyler"

Sven Voth hat aus Snipes ein Milliardenunternehmen mit über 750 Stores in 12 Ländern gemacht. Nach seinem Abschied aus Köln startet er jetzt ein zweites Mal durch. In Österreich hat er gleich zehn Higgins-Stores auf einmal eröffnet. Wir haben mit ihm über das Konzept und seine Pläne gesprochen. Und warum bei Snipes weiterzuarbeiten keine Option für ihn war: "Heinrich Deichmann würde auch nicht angestellt bei Deichmann arbeiten."

Du hast mit Snipes eine der gro­ßen inter­na­tio­na­len Erfolgs­ge­schich­ten im deut­schen und euro­päi­schen Ein­zel­han­del geschrie­ben. Seit Anfang des Jah­res bist Du offi­zi­ell raus und star­test jetzt noch­mal durch. Du hast offen­bar noch nicht genug vom Ein­zel­han­del.

Es macht mir halt Rie­sen­spaß. Wenn Du jetzt mit mei­nen Eltern spre­chen wür­dest, die wür­den Dir erzäh­len, dass mein Lieb­lings­spiel­zeug damals der Kin­der­su­per­markt war. Als Jugend­li­cher bin ich über die Floh­märk­te getin­gelt. Ich habe den Händ­ler irgend­wie im Blut.

Dei­ne Eltern waren kei­ne Kauf­leu­te.

Nein. Aber die Groß­el­tern waren tat­säch­lich im Mode­han­del. Das Talent hat wohl eine Gene­ra­ti­on über­sprun­gen. Ich lie­be die Viel­falt die­ses Berufs. Sor­ti­men­te gestal­ten, Kon­zep­te ent­wi­ckeln, Läden auf­ma­chen, Teams auf­bau­en – all das ist für mich wahn­sin­nig erfül­lend, und ich habe die­se Fas­zi­na­ti­on tat­säch­lich nie ver­lo­ren. Bis heu­te sprin­ge ich ger­ne im Lager rum, zum Leid­we­sen mei­ner Leu­te. In die neu­en Kar­tons zu schau­en, ist für mich immer wie Weih­nach­ten.

Nur dass du die Päck­chen bezahlt hast.

Stimmt.

Nach Snipes hät­test Du Dich auch zur Ruhe set­zen kön­nen, Dein Geld zäh­len, oder Dich als Wohl­tä­ter enga­gie­ren kön­nen.

Viel­leicht kann ich nichts ande­res. Ich woll­te immer mehr sein als nur Retail. Frü­her ging es dar­um, einen Laden mor­gens auf­zu­ma­chen, so viel zu ver­kau­fen wie mög­lich und abends das Geld zu zäh­len. 1998 gehör­ten wir zu den Ers­ten, die einen DJ in den Laden gestellt haben. Heu­te ist das was völ­lig Nor­ma­les. Social Media hat die Welt seit­her total ver­än­dert. Ich glau­be, wir sind jetzt wie­der an dem glei­chen Punkt. KI wird die Welt genau­so ver­än­dern. Für uns bie­tet das Chan­cen. Nimm nur unser „Tes­ti­mo­ni­al“ Hig­gins – die Figur ist kom­plett KI-gene­riert, die ani­mier­ten Vide­os, sei­ne Songs und so wei­ter.

Wo siehst Du den Markt für Hig­gins?

Ich den­ke, dass sehr vie­le Leu­te heu­te nicht mehr das Geld haben, jedes modi­sche Expe­ri­ment mit­zu­ma­chen.

"Mir haben viele Leute gesagt, zehn Läden an einem Tag von einem neuen Konzept, das hat noch keiner gemacht. Jetzt weiß ich auch, warum das noch keiner gemacht hat."

Wür­dest du sagen, dass Snipes dann zu teu­er gewor­den ist?

Nein, das nicht. Aber ich glau­be, dass es zwei wach­sen­de Kun­den­grup­pen gibt. Die einen, die sich nicht mehr so viel leis­ten kön­nen, weil im Super­markt alles teu­rer gewor­den ist, weil Ener­gie, Urlaub, Essen und alles das Ein­kom­men auf­fres­sen. Und dann ist da noch eine zwei­te Kun­den­grup­pe: die Leu­te, die sich teu­re Mode nicht mehr leis­ten wol­len, die sagen: 100 oder 200 Euro für ein T‑Shirt, das ist nicht mehr zeit­ge­mäß.

Das war es womög­lich nie. Eini­ger­ma­ßen ver­rückt klingt, dass Du ver­gan­ge­ne Woche gleich mit zehn Stores an den Start gegan­gen bist und dar­über hin­aus neben Hig­gins noch vier ande­re Fir­men gegrün­det hast.

Mir haben vie­le Leu­te gesagt, zehn Läden an einem Tag von einem neu­en Kon­zept, das hat noch kei­ner gemacht. Jetzt weiß ich auch, war­um das noch kei­ner gemacht hat.

Und war­um dann der gro­ße Auf­schlag?

Es klingt viel­leicht bescheu­ert. Aber ich habe das gemacht, weil ich es kann. In der heu­ti­gen Han­dels­land­schaft, wo es ver­meint­lich schon alles gibt, musst du laut sein. Und dann hast du natür­lich gewis­se Zwän­ge. Unse­re Hig­gins-Eigen­mar­ke pro­du­ziert Dir ja kei­ner für nur einen Store. Die MOQs wür­den Dich erdrü­cken.

Sven mr higgins
Sven Voth und "Tes­ti­mo­ni­al" Hig­gins: "Jeder kennt den Spar­fuchs. Wenn du zu Hig­gins gehst, bist du halt auch ein Fuchs."

Wie sind die ers­ten Tage gelau­fen?

Wir haben uns sehr kon­ser­va­ti­ve Zie­le gestellt und haben die­se drei­fach über­trof­fen. Des­we­gen sind wir erst­mal sehr hap­py. In unse­rer bis­he­ri­gen Welt im Mit­tel­preis­seg­ment bist du ja gewohnt, dass die Leu­te ein, zwei Arti­kel kau­fen, dann war es das. Bei uns waren jetzt in den ers­ten Tagen fünf Arti­kel in der Shop­ping Bag.

Die Mühen der Ebe­ne wer­den noch kom­men.

Klar. Wir gucken uns jetzt mal die ers­ten Wochen an, und dann wis­sen wir, wo wir ste­hen.

Hig­gins ist ein demo­kra­ti­sche­res Kon­zept als Snipes, das auf die Street­wear-Sze­ne zuge­schnit­ten ist. Gene­ra­ti­ons­über­grei­fend, all gen­der, stark in Ein­stiegs­preis­la­gen. Gibt es auf die­sem Feld nicht schon genug Anbie­ter? H&M? New Yor­ker? In Öster­reich Fussl?

Ich habe mir natür­lich den Markt sehr genau ange­guckt. Im Mit­tel­preis­seg­ment und im Pre­mi­um-Bereich äch­zen im Moment die aller­meis­ten. Aber es gibt zugleich Gewin­ner. Schau Dir den all time Ergeb­nis­re­kord von New Yor­ker letz­tes Jahr an. Schau dir Action an, die gera­de durch die Decke gehen. Dann siehst Du, wo die Musik gera­de spielt. Zugleich stel­le ich fest, dass die Sehn­sucht nach Mar­ke immer noch vor­han­den ist. Men­schen, die Mar­ken suchen, wer­den bei den Ver­ti­ka­len nicht fün­dig.

Denen macht Hig­gins jetzt ein Ange­bot.

Genau. Ich habe mich mit Mar­ken­lie­fe­ran­ten an den Tisch gesetzt und die­se über­zeugt, dass sich das Envi­ron­ment ver­schiebt. Um Access zu den Com­mu­ni­ties zu haben, braucht ihr eine Ein­stiegs­preis­la­ge. Zum Glück sind mir da eini­ge Mar­ken sehr ent­ge­gen­ge­kom­men und haben für uns neue Preis­re­gio­nen mög­lich gemacht. Wenn du dir unser Mar­ken­port­fo­lio anguckst, staunst du ja erst­mal.

Wir spre­chen aber nicht über Pos­ten­wa­re oder Restan­ten?

Nein. Wir sind kein Pos­ten­händ­ler, kein Out­let oder ähn­li­ches, son­dern wir ordern ganz nor­mal. Natür­lich haben wir geschaut, dass wir zum Ope­ning das eine oder ande­re zusätz­lich bekom­men. Und natür­lich wür­den wir mal hier und da einen Pos­ten für Black Fri­day oder ande­re Retail-Moments dazu kau­fen. Grund­sätz­lich ist Hig­gins aber ein ganz nor­ma­ler Retail­er.

Und Mar­ken wie Levis, Alpha Indus­tries und New Era spie­len mit?

Das teu­ers­te T‑Shirt ist tat­säch­lich das von Alpha Indus­tries für 22,99. Grund­sätz­lich enden unse­re T‑Shirts bei 19,99 Euro. Der teu­ers­te Schuh kos­tet 69 Euro. Wir spre­chen kon­stant mit Mar­ken, ob sie uns viel­leicht in der Ein­stiegs­preis­la­ge was anbie­ten kön­nen, indem sie ein ande­res Fabric neh­men oder einen ein­fa­che­ren Print oder was auch immer. Der Preis ist das aber nur das eine. Das zwei­te The­ma ist, dass wir unse­ren Kun­den ver­spre­chen, dass er oder sie gut aus­sieht, wenn man sich bei Hig­gins ein­klei­det. Du darfst den Schu­hen halt nicht anse­hen, dass sie güns­tig sind. Wir schul­den unse­rem Kun­den, dass er trotz­dem ein coo­ler Dude sein kann.

Ist die schar­fe Aus­rich­tung auf eine Ziel­grup­pe, so wie Ihr es bei Snipes gemacht habt, nicht gera­de ein zen­tra­ler Erfolgs­fak­tor und heu­te sogar mehr denn je not­wen­dig?

Ich glau­be, dass bei­des sei­ne Daseins­be­rech­ti­gung hat. Snipes ist per­fekt posi­tio­niert. Der Kun­de weiß, was er zu erwar­ten hat, und er fin­det das auch dort. Wir wol­len brei­ter in den Markt rein­ge­hen. Unse­re Ziel­grup­pe ist jung geblie­ben, das sind heu­te vie­le auch noch mit 70. Die ers­ten Tage zei­gen, dass das top auf­ge­gan­gen ist. Wenn ich unse­re Kern­ziel­grup­pe defi­nie­ren müss­te, dann ist das für mich die jun­ge Fami­lie – Vater, Mut­ter, eins, zwei, drei Kin­der, wo oft nur ein Gehalt zur Ver­fü­gung steht. Denen wol­len wir ein Ange­bot machen.

"Nach 25 Jahren, in denen ich regelmäßig erklären musste, wie man 'Snipes' ausspricht, wollte ich einen Namen, den man nicht falsch aussprechen kann. Das ist bei „Higgins“ schon wirklich schwer."

Woher kommt eigent­lich der Name „Hig­gins“?

Dass wir den Namen gewählt haben, hat drei Grün­de. Grund Num­mer eins: Hig­gins klingt inter­na­tio­nal. Der Kun­de kann erst­mal nicht zuord­nen, ist das UK, ist das USA, ist das Aus­tra­li­en? Das sind alles Län­der, die vie­le per se erst­mal cool fin­den. Grund Num­mer zwei: Nach 25 Jah­ren, in denen ich regel­mä­ßig erklä­ren muss­te, wie man „Snipes“ aus­spricht, woll­te ich einen Namen, den man nicht falsch aus­spre­chen kann. Das ist bei „Hig­gins“ schon wirk­lich schwer.

Und der drit­te Grund?

In mei­nem Alter bist du mit zwei Fern­seh­se­ri­en auf­ge­wach­sen. Die eine war Miami Vice, die ande­re war Magnum. Und Magn­ums Side­kick Hig­gins ist ein beson­ders im Gedächt­nis geblie­be­ne Cha­rak­ter, den fin­det jeder cool.

Sven pre opening
Sven Voth und sein Heroes-Team: "Zum Ope­ning haben wir allein in Wien 7500 Plüsch-Füch­se ver­teilt."

„Hig­gins“ ist bei Euch ein fik­ti­ver Fuchs.

Ja. Wir wer­den kei­ne klas­si­sche Preis­wer­bung machen, son­dern unse­re gesam­te Kom­mu­ni­ka­ti­on auf den Fuchs abstel­len. Der Fuchs wird wahn­sin­nig viel erle­ben. Er bringt den Spiel­ball aufs Feld, wenn die Vien­na Vikings spie­len, er geht im Club fei­ern, er fährt zu Puma und sucht da die Pro­duk­te aus. Und die Kame­ra ist halt immer dabei. Er wird Com­mu­ni­ty Work machen für Kin­der, deren Eltern kein Geld haben für den Schul­ruck­sack und Schul­ma­te­ri­al. Der Fuchs hat auch schon sein ers­tes Album released. Wenn du auf Spo­ti­fy „Mr. Hig­gins“ ein­gibst, fin­dest du 13 Songs. Viel­leicht schaf­fen wir es ja sogar, dass so ein Song mal char­tet. So wie der Cra­zy Frog oder Schnap­pi.

War­um ist Hig­gins ein Fuchs und nicht etwa eine Schild­krö­te?

Jeder kennt den Schlau­fuchs, jeder kennt den Spar­fuchs. Wenn du zu Hig­gins gehst, bist du halt auch ein Fuchs. Und die Kids lie­ben ihn! Wir haben einen Plüsch-Fuchs gemacht, 30 cm groß. Mit Kia haben wir ein grü­nes Hig­gins-Auto los­ge­schickt. Der Fuchs fährt damit durch die Gegend, und im Radio wird gesagt, wo er gleich auf­taucht, und dann kön­nen sich die Kids kos­ten­los die­se Füch­se holen. Zum Ope­ning haben wir allein in Wien 7500 Stück ver­teilt.

Okay.

Dazu haben wir das „Heroes Team“ auf­ge­baut. Wir haben den MMA-Kämp­fer Alek­sand­ar Rakic gesi­gned als Gesicht für Hig­gins. Und Mat­thi­as Göth ali­as Strong­man Chee­sy, den stärks­ten Mann Öster­reichs, der auch schon mal einen LKW hin­ter sich her zieht. Und Swif­ty Moto, der Motor­rad-Free­style macht, der hat eine hal­be Mil­li­on Fol­lower auf Insta­gram. Wir haben das Ame­ri­can Foot­ball-Team Vien­na Vikings und das Free­style-Event Mas­ters of Dirt als Part­ner.

Das klingt ja fast wie bei Red Bull. Du bist erst seit Anfang des Jah­res offi­zi­ell raus bei Snipes. Wie konn­test du das alles in so kur­zer Zeit umset­zen?

Ich bin am 31. Mai letz­ten Jah­res aus­ge­schie­den. Ich hat­te noch ein non com­pe­te bis 10. Janu­ar 2025. Bis dahin durf­te ich tat­säch­lich kei­ne Gesell­schaft grün­den und kei­ne Leu­te ein­stel­len. Aber natür­lich durf­te ich schon ein biss­chen nach­den­ken und Ideen spin­nen, das habe ich auch getan. Wir haben dann am 14. Janu­ar fünf Gesell­schaf­ten gegrün­det und in Win­des­ei­le Leu­te ein­ge­stellt. Ich woll­te unbe­dingt das Eröff­nungs­da­tum Ende August hal­ten, weil ich dann bis Ende des Jah­res noch fünf Retail-Moments habe: Back to School, Herbst­fe­ri­en, Black Fri­day, Christ­mas und Holi­day. So weiß ich am 31. Dezem­ber, ob mein Kon­zept greift.

"Ich bin noch zu jung für die Hängematte"

Wie­vie­le Mit­ar­bei­ter hast Du ein­ge­stellt?

Das sind über­ra­schend weni­ge. Wir wol­len ein maxi­mal lea­nes Unter­neh­men auf­bau­en. In den Stores hast du jeweils sechs Leu­te, also 60 ins­ge­samt. Wir haben ein Office in Köln, da sit­zen vier Leu­te, unser Office hier in Wien, da sind wir neun Leu­te. Natür­lich sind dar­un­ter lang­jäh­rig Ver­trau­te, mit denen ich teil­wei­se 20 Jah­re und mehr zusam­men­ar­bei­te. Ein Dream Team von Leu­ten, denen ich blind ver­traue und die mir auch ver­trau­en, dass ich das wie­der hin­krie­ge. Das hat vie­les mög­lich gemacht.

Wozu hast Du neben Hig­gins gleich noch vier ande­re Gesell­schaf­ten gegrün­det?

Bei Noc­ta­ne geht es um Licen­cing. Da habe ich mir Lizen­zen gesi­chert, zum Bei­spiel von Car­lo Coluc­ci, Bru­no Bana­ni und von Hum­mel. Wir haben dort die Frei­heit, Kol­lek­tio­nen zu ent­wi­ckeln und zu ver­trei­ben und zah­len dafür eine Lizenz­ge­bühr. Wir haben zwei Show­rooms, einen in Wien, einen in Köln, und wir haben eine Desi­gn­ab­tei­lung, die die Pro­duk­te ent­wi­ckelt. Die zwei­te Fir­ma ist Void. Das ist eine Mar­ke­ting­agen­tur, die Ser­vices auch für ande­re Retail­er anbie­tet. Wir haben es mit Snipes ja als einer der Weni­gen geschafft, eine Han­dels­mar­ke zu einer Brand zu machen. Die Men­schen tra­gen Snipes auf der Brust, das haben JD oder Foot Locker nicht geschafft. Zu uns kom­men Han­dels­ket­ten oder Mar­ken, die sagen, wir wer­den zu alt, die jun­gen Leu­te gehen zum Wett­be­werb. Wie kön­nen wir uns neu auf­stel­len? Könnt ihr uns hel­fen? Dann gibt es eine Gesell­schaft für Media, da habe ich mich mit 25,1 Pro­zent am For­bes Maga­zi­ne betei­ligt. Last but not least gibt es noch Black Mass, das ist die Hol­ding für die gan­zen Gesell­schaf­ten.

Higgins store
Hig­gins-Store: "Für mich geht es im Han­del tat­säch­lich um die Inter­ak­ti­on zwi­schen Men­schen."

Das klingt nach Work­aho­lic.

Ich bin halt noch zu jung für die Hän­ge­mat­te.

War­um bist Du mit Dei­nen Fir­men nach Öster­reich gegan­gen?

Grund­sätz­lich bin ich gro­ßer Öster­reich-Fan. Ich bin seit Jah­ren viel in Kitz­bü­hel und war auch für Snipes oft in Wien, wo ich zwölf Stores auf­ge­macht habe. Mei­ne Frau ist zur Hälf­te Öster­rei­che­rin. Wir lie­ben es hier. Köln ist von der Lebens­qua­li­tät her nicht ver­gleich­bar. Unse­re vier Kin­der waren alters­mä­ßig auch noch umtopf­bar. Last but not least ist es auch ein kla­rer Schnitt: Snipes vor­bei, Köln vor­bei.

Also eher pri­va­te Grün­de.

Nicht nur. Öster­reich hat mir auch unter­neh­me­risch sehr gehol­fen. Das Netz­wer­ken hier ist deut­lich ein­fa­cher als in Deutsch­land. Ich habe wahn­sin­nig viel Sup­port bekom­men. Wir haben bei­spiels­wei­se kei­ne PR-Agen­tur. Unse­re Vor­ha­ben haben sich auch so rum­ge­spro­chen, und die Medi­en kamen auf uns zu. In Öster­reich leben neun Mil­lio­nen und nicht 80 Mil­lio­nen wie in Deutsch­land. Da ist es ein biss­chen ein­fa­cher, laut zu sein. Das Glei­che war mit Expan­si­on. Der Markt ist gera­de echt aus­ge­trock­net, was inno­va­ti­ve For­ma­te angeht. Die Ver­mie­ter sind uns sehr ent­ge­gen­ge­kom­men und haben uns tol­le Flä­chen ange­bo­ten.

Hig­gins ist zum Start ein rein sta­tio­nä­res For­mat. Es gibt kei­nen Online-Shop. Wird es per­spek­ti­visch einen geben?

Für mich geht es im Han­del tat­säch­lich um die Inter­ak­ti­on zwi­schen Men­schen. Dazu kommt natür­lich, dass online Geld zu ver­die­nen nicht die ein­fachs­te Dis­zi­plin ist. Bei Snipes kam sei­ner­zeit irgend­wann jemand zu mir und frag­te, war­um wir kei­nen Online Shop haben. Der hat das dann auf Pro­vi­si­ons­ba­sis gemacht. Wir haben das Busi­ness spä­ter zurück­ge­kauft und selbst betrie­ben. So einer Anfra­ge wür­de ich mich jetzt bei Hig­gins nicht ver­schlie­ßen. Aber wir selbst wer­den erst­mal kei­nen Online­shop auf­ma­chen.

"Welche Dimension Snipes angenommen hat, war anfangs nicht absehbar. Ohne Deichmann wäre das nicht möglich gewesen."

Wo möch­test Du denn lang­fris­tig mit Hig­gins hin? Glaubst Du, dass sich so ein Erfolg wie mit Snipes wie­der­ho­len lässt?

Da bin ich mir sehr sicher, und ich sehe sogar viel mehr Mög­lich­kei­ten. Bei Snipes bist du mit 150 Läden in Deutsch­land aus­expan­diert. Das ist mit Hig­gins ganz anders. Das Ding soll noch mal so groß und ehr­li­cher­wei­se sogar noch grö­ßer wer­den.

Wann eröff­net der ers­te Laden in Deutsch­land?

Wir haben einen kla­ren Drei-Jah­res­plan. Bis Ende die­ses Jah­res soll­ten wir sehen, dass das Kon­zept greift. Im ers­ten Halb­jahr 2026 gehen wir dann auf die Suche nach Stand­or­ten, zunächst in Öster­reich, Slo­we­ni­en und Kroa­ti­en. Wir wol­len die­se bei­den klei­ne­ren Märk­te dazu­neh­men zum Üben. Im Busi­ness­plan ste­hen dann 20 Läden fürs zwei­te Halb­jahr, zu Sil­ves­ter 2026 wol­len wir dann also 30 Filia­len haben. 2027 könn­te es dann nach Deutsch­land gehen.

Als Du vor 27 Jah­ren den ers­ten Snipes-Laden auf­ge­macht hast, war Dir da klar, was mal dar­aus wer­den soll­te?

Ich habe Snipes tat­säch­lich nicht gegrün­det, um bloß einen Laden zu haben oder zwei oder drei. Das soll­te schon groß wer­den. Wel­che Dimen­si­on das dann ange­nom­men hat, war aber natür­lich nicht abseh­bar. Ohne Deich­mann wäre das nicht mög­lich gewe­sen, so ehr­lich muss man sein. Mit den Res­sour­cen des Kon­zerns war eine Filia­le zu eröff­nen in Bor­deaux nicht kom­pli­zier­ter als eine in Bre­mer­ha­ven.

Nach außen wirk­te es sei­ner­zeit eher so, als habe Dir Deich­mann unter die Arme gegrif­fen, weil Ihr zu schnell gewach­sen seid.

Es stimmt, ich hat­te 2011 bereits 45 Filia­len. Aber das Wachs­tum war viel zu lang­sam. Brands wie Nike machen in unse­rem Spiel die Regeln. Da hieß es: fewer, big­ger, bet­ter und dem­entspre­chend: go big or go home. Mit zwei, drei, vier, fünf neu­en Läden im Jahr wären wir irgend­wann hin­ten run­ter­ge­fal­len. Mit Deich­mann habe ich Schritt hal­ten kön­nen und habe geschafft, dass Snipes einer von den Big Three gewor­den ist.

Hat­test du auch Alter­na­ti­ven geprüft zu Deich­mann?

Ja, es gab damals fünf Optio­nen. Ich bin sehr hap­py, dass ich mich dann für Deich­mann ent­schie­den habe.

"Ich kann nicht in meinem eigenen Unternehmen als Angestellter arbeiten, das fühlt sich komisch an."

Trotz­dem hast Du nach mei­nem Ein­druck stets auf Abstand zum Kon­zern gehal­ten. Aus Image­grün­den?

Schon. Als wir sei­ner­zeit Sole­box gekauft haben, läs­ter­ten sie in Social Media gleich von wegen „Deich­box“ und so wei­ter. Weil die TW immer von Deich­mann-Toch­ter schrieb, woll­te ich auch den Forum­preis nicht ent­ge­gen­neh­men, da muss­te Herr Deich­mann Über­zeu­gungs­ar­beit leis­ten. Snipes ist halt ein coo­les Kon­zept für die coo­len Kids in der Schu­le. Und Deich­mann ist ein her­vor­ra­gen­der bedarfs­ori­en­tier­ter Händ­ler, der aber nicht die Core-Ziel­grup­pe von Snipes anspricht. Des­halb waren wir mit Blick auf den Kon­su­men­ten auf Eigen­stän­dig­keit bedacht. Im Back Office und bei den Lie­fe­ran­ten waren wir dage­gen Eins.

War dein Aus­stieg eigent­lich lang­fris­tig so geplant? Oder war das eher eine Art Ehe­kri­se?

Mein Aus­stieg war sogar frü­her geplant. Aber Herr Deich­mann und ich sind immer her­vor­ra­gend mit­ein­an­der aus­ge­kom­men. Mit ihm hat es total geklickt, und aus den ursprüng­lich geplan­ten fünf Jah­ren sind 14 gewor­den. Deich­mann hat mir alle drei Jah­re wei­te­re Shares abge­kauft, und Ende 22 hat­ten sie dann die 100 Pro­zent.

Dann wur­de es Zeit für Dich zu gehen?

Ich habe zu Herrn Deich­mann gesagt, dann bin ich auch weg. Ich kann nicht in mei­nem eige­nen Unter­neh­men als Ange­stell­ter arbei­ten, das fühlt sich komisch an. Er hat mich dann gebe­ten, mei­ne Suc­ces­si­on zu regeln. Ich hat­te drei Jah­re Zeit dafür. Nach andert­halb Jah­ren war das erle­digt und ich bin raus­ge­gan­gen. Das war für Außen­ste­hen­de viel­leicht eine Über­ra­schung. Herr Deich­mann und ich waren uns aber lan­ge einig dar­über.

Man hat nicht ver­sucht dich zu hal­ten? Snipes ist ja nach wie vor extrem expan­siv, Ihr habt hun­der­te Läden in den USA über­nom­men, und es gibt doch bestimmt noch genug zu tun.

Hein­rich Deich­mann wür­de auch nicht ange­stellt bei Deich­mann arbei­ten. Ich glau­be, das war für alle Sei­ten so in Ord­nung.

Wie schwer fiel dir selbst denn der Abschied von dei­nem Baby?

Ich konn­te mich sehr lan­ge dar­auf vor­be­rei­ten. Mit der Grö­ße wur­de Snipes zudem auto­ma­tisch auch ein Stück weit cor­po­ra­te, poli­ti­scher und ver­wal­te­ri­scher. Das ist unver­meid­lich, und ich mei­ne das gar nicht nega­tiv. Aber ich bin kein Cor­po­ra­te Guy, son­dern ein Free­sty­ler. Ich muss kre­ieren, ich muss spin­nen, ich muss Din­ge tun, die ich für rich­tig hal­te. Das mache ich jetzt.