"Zusammen sind wir Zara" ist so ein Spruch Heinz Krogners, der mittlerweile zum festen Vokabular insbesondere von Vertriebsverantwortlichen in der Modeindustrie gehört. Das hört sich griffig an, ist aber doch nur die halbe Wahrheit. In der Praxis sind die Reibungsverluste in der Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie vielleicht kleiner geworden, es gibt sie aber nach wie vor. Auf jeden Fall sind es andere geworden. Der Effizienz eines rein vertikalen Systems wie Zara können sich unabhängig voneinander operierende Partner allenfalls annähern. Dafür hat die klassische Arbeitsteilung zwischen Industrie und Handel andere Vorteile.
Um diese Thematik drehte sich der Partnerschaftskongress 2012, der vergangene Woche in Frankfurt stattfand. Rund 200 Teilnehmer kamen zu der von TW und BTE organisierten Veranstaltung. Fast gebetsmühlenartig erhoben die Referenten die Klage, es seien zu wenige Einzelhändler im Saal. Was von einem althergebrachten Blickwinkel zeugt. Denn die anwesenden Lieferanten – von Brax und Basler über Gelco und Lacoste bis hin zu Comma und Closed – sind ja allesamt auch Einzelhändler. Die neuen Einzelhändler eben. Und dass so wenige originäre Fachhändler da waren, hängt womöglich damit zusammen, dass auf der Bühne bei solchen Kongressen allzu oft Verkaufsshows abgezogen statt Inhalte geboten werden. Das war leider auch diesmal so, obwohl TW und BTE sich bemüht hatten, den Vertriebsprofis aus der Industrie Kunden aus dem Handel zur Seite zu stellen. Dass dabei Konflikte öffentlich ausgetragen würden, konnte man nicht erwarten. Und so war das einzige Händler-Solo, der Auftritt von Christof Schönenberger, denn auch ein Höhepunkt des Tages.
Das andere Highlight war das Einführungsreferat von Klaus Harnack, der über Status Quo, Potenziale und Zukunft vertikaler Partnerschaften sprach. "Nichts hat die Branche so verändert wie die Expansion der Markenflächen", so der Unternehmensberater von Hachmeister + Partner. Seit 2002 ist die Zahl der Monolabelflächen von 12.500 auf 67.500 gestiegen. 90% aller vertikalen Flächen funktionieren dabei in Partnerschaften. Von den Top19-Lieferanten in der DOB haben alle auch Flächenkonzepte im Angebot. Während im klassischen Wholesale mit höheren durchschnittlichen Wareneingangskalkulationen gearbeitet wird, sind die erzielten Bruttokalkulationen und die LUGs bei Flächensystemen signifikant höher. Soweit in aller Kürze Harnacks Kernaussagen zum Status Quo.
Was bringt die vertikale Zukunft? Harnack sprach sieben Trends an.
1. Aus Platzhirschen werden Lifestyle-Häuser, die neben Bekleidung auch weitere Sortimente integrieren. So wie Kastner & Öhler (Parfümerie), Lengermann & Trieschmann (Lebensmittel, Gastronomie), Hagemeyer (Schuhe) und Engelhorn (Sport). Die Wiederentdeckung des Warenhauses?
2. Die Vertikalisierung erobert modenahe Industrien: den Schuhhandel (Tamaris), den Sport (Adidas), die Wäsche (Victoria's Secret), Accessoires (Liebeskind).
3. Großflächen integrieren neben Herstellermarken-Flächen auch Retail Brands. Selfridges vermietet Flächen an H&M, Jack Wills und All Saints, neben Diesel und Denim & Supply von Ralph Lauren.
4. Die Uniformität stößt an ihre Grenzen. Die Zukunft gehört Formaten, die System im Produkt und Logistik mit Individualität im Auftritt verbinden.
5. Verkaufsmitarbeiter werden zu Markenbotschaftern.
6. Concessions sind auf dem Vormarsch. Auch wenn die Vermietung von Verkaufsflächen an Marken für viele in Handel und Industrie noch ein Tabu-Thema ist, so bieten Concessions gerade im Department Store-Bereich große Chancen, so Harnack. "Wenn Lieferanten auf Concessions-Flächen den doppelten Umsatz schaffen wie vorher, dann ist das doch eine Backpfeife für den Handel."
7. Das eigentliche Effizienzsteigerungspotenzial für vertikale Wholesaler liegt in der Komplexitätsreduktion. Die meisten Anbieter haben zu viele parallele Vertriebssysteme. "E‑, M- und F‑Commerce werden zusätzliche Komplexität bringen", so Harnack.
"Der Weg von der komplexen Semi-Vertikalität in eine beherrschbare Voll-Vertikalität ist steinig und weit", sagt Harnack. "Das Thema ist noch lange nicht durch."
Hans-Peter Vankerkom (Hagemeyer, Minden) und Justo Javier Gallardo (Roy Robson): "Die größte Herausforderung war, dem Vertriebsteam beizubringen, dass wir unsere Ware nicht mehr in Riesen-Stückzahlen verkaufen, sondern einzeln zur Kabine tragen."
Gardeur-CEO Gerhard Kränzle: "Wir müssen handeln wie Händler."
Martin Knauff (Modecentrum Sauer, Bad Hersfeld): "Wenn ich wie Hollister nur 25% Warenkosten hätte, könnte ich auch jeden Tag ein Fass aufmachen. Party-machen kann ich auch."
Reiner Baumbach (Atair) brachte seine Socken mit aufs Podium. Da ist mir doch glatt das Bild verwackelt.
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