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Lagerfelds Heimkommen

XDie Spannung im Vorfeld war riesig. Die Gäste freuten sich auf einen ganz besonderen Abend. Der Meister zeigte sich denn auch in Bestform. Wer dabei war, wird die Weihnachtsfeier von SUITS. so schnell nicht vergessen.

Und dann war da am Mittwochabend ja auch noch die Chanel-Schau in der Elbphilharmonie. Der zweite gesellschaftliche Höhepunkt in der Hansestadt in diesem Jahr, nach den G20-Krawallen. In der ersten Reihe Stars wie Tilda Swinton, Kristen Stewart, Lily-Rose Depp und Tatjana Patitz. Lena Meyer-Landrut und Jan Delay durften auch kommen. Auf den Rängen 1400 Gäste, nicht wenige natürlich in Chanel. Das dürfte den Wert der Kulisse vorübergehend über die Milliardengrenze getrieben haben. Das Kammerorchester spielte La Paloma. Die Models im Matrosenlook. Beim anschließenden Dinner in der Fischauktionshalle gab es Aalsuppe und Hamburger Backfisch zu den Klängen eines Shantychors. So weit, so klischeehaft hanseatisch.

Die Kollektion sei eine Liebeserklärung an seine Heimatstadt, hatte Karl Lagerfeld verbreiten lassen. „Im Grunde bin ich ein Pfeffersack“, sagte er dem Hamburger Abendblatt. Angemessen feiner formulierte er es in einem lesenswerten Interview, das am Donnerstag zeitgleich in Vogue und Zeitmagazin erschien: „Wenn ich an Hamburg denke, merke ich: Ich bin Hanseat, kein Deutscher.“ In dem Gespräch mit Christiane Arp und Christoph Amend schwadroniert Lagerfeld im Übrigen politisch munter drauflos: „Ich wollte nie den deutschen Pass abgeben, obwohl das leicht gewesen wäre. Du bist damit geboren, habe ich mir gesagt, damit musst Du fertigwerden.“ Seine kürzliche Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik präzisiert er noch einmal: „Die Deutschen haben Millionen von Juden umgebracht, und da schämen wir uns doch heute noch für. Und jetzt lässt Angela Merkel eine Million ihrer Erzfeinde ins Land.“ Ein AfD-Sympathisant ist Lagerfeld deswegen aber noch lange nicht. „Ich war wütend, bin es immer noch“, dass die Partei in den Bundestag eingezogen ist. Er selbst habe bei der Bundestagswahl nicht mitgemacht: „Ich finde die alle grauenhaft.“ Wenn er denn wählen würde, würde er wahrscheinlich für die SPD stimmen, „was in Deutschland zur CDU ja kein großer Unterschied ist“. Den derzeitigen SPD-Bürgermeister Olaf Scholz, erfahren wir, mag der Exil-Hamburger nicht. Aber der Vorgänger, der die Elbphilharmonie auf den Weg gebracht habe, „der ist toll“. Ole von Beust durfte deswegen auch in der ersten Reihe Platz nehmen. Die Kanzlerin war übrigens, anders als die Bild-Zeitung im Vorfeld geraunt hatte, in Hamburg nicht mit dabei. „Ich kenne Angela Merkel nicht persönlich, ich will sie auch gar nicht kennenlernen, so kann ich weiter Karikaturen über sie machen.“

Aber natürlich ging es in der Elbphilharmonie nicht um Politik, sondern um Mode. Das ist zumindest der Reflex, den ein Defilee von 89 Outfits bei vielen Betrachtern immer noch auslöst. Tatsächlich liefert die Präsentation der Zwischenkollektion lediglich den Anlass für eine gigantische Inszenierung der Marke. Und die lässt sich bekanntermaßen in vielerlei Hinsicht monetarisieren. Die Top 3 Fashion Brands mit den meisten Tweets sind nach der gerade veröffentlichten Tweet-Jahresstatistik von Twitter nicht zufällig die mit den lautesten Rummelplatzaktivitäten: Tommy Hilfiger, Victoria’s Secret und Chanel. Mit ein bisschen Anzeigenplatzierung hier und ein wenig Influencer Marketing dort ist das jedenfalls nicht zu schaffen.

Doch während Gigi Hadid Tommy frischen Schub gegeben hat, muss Lagerfeld seine neue Muse noch suchen. Der Umsatz von Chanel sank im letzten Geschäftsjahr zum zweiten Mal in Folge, selbst bereinigt um Sondereffekte stagnierte er bestenfalls, während die Konkurrenz von Kering und LVMH von Rekordumsatz zu Rekordumsatz eilt. Anfang 2016 hatte die langjährige CEO des Luxuskonzerns Maureen Chiquet das Unternehmen wegen unterschiedlicher Auffassungen verlassen. Lagerfeld soll dagegen einen Vertrag auf Lebenszeit haben.

Apropos Lebenszeit: Irgendwie schloss sich in Hamburg ein Kreis der große Sohn der Stadt, der es in der Fremde zu Weltruhm gebracht hat, besinnt sich auf seine Wurzeln. Und alle kommen zusammen, um ihn zu feiern. So wie beim legendären Edeka-Weihnachtsspot „Heimkommen“. Da freut sich die Familie am Ende, dass Opa doch noch lebt. In der Elbphilharmonie sollen gleichfalls Tränen geflossen sein. Denn der 84jährige ist quicklebendig. Und gibt sich gewohnt unsentimental. Wie soll man sich später an Sie erinnern, fragen Arp und Amend Lagerfeld in ihrem Interview. „Das ist mir total egal.“

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