Gratulation zur erfolgreichen Premiere bei HSE! Am vorvergangenen Wochenende hattest Du Deinen ersten Auftritt. Kann es sein, dass Du im Moment der erfolgreichste deutsche Modedesigner bist?
Ach ich weiß nicht…
…nach Philipp Plein.
Das ist natürlich eine tolle Karriere, die der Philipp da gemacht hat. Aber der Erfolgreichste zu sein, das ist gar nicht mein Bestreben. Ich freue mich, dass wir Erfolg haben.
Kürzlich bist Du als Designer des Jahres 2021 ausgezeichnet worden. 2020 hast Du den Modebusiness Award der Stadt Düsseldorf bekommen. Bei solchen Ehrungen kann man leicht abheben, oder?
Dazu bin ich nicht der Typ. Ich bin down to earth und habe immer erstmal meine Kundin im Blick. Ich finde solche Auszeichnungen sehr schön, und auch wenn die Mode meinen Namen trägt, sehe es immer auch als Team-Erfolg.
Wieviele seid Ihr denn in der Firma?
Wir haben ja verschiedene Linien: THOM by Thomas Rath, dann die Erstlinie Thomas Rath Semi Couture, die über den Fachhandel vertrieben wird. Daran arbeiten im Düsseldorfer Headoffice zehn Leute. Inklusive der Teams bei HSE arbeiten wahrscheinlich so an die 50 Leute für uns.
Wie verstehst Du Deine Rolle? Siehst Du Dich als Modedesigner? Als Entertainer? Als Geschäftsmann?
Ich bin alles Drei, und das ist auch die Basis unseres Erfolgs. Natürlich bin ich erstmal Designer. Ich habe das ja wirklich noch von der Pike auf gelernt, habe für so tolle Firmen wie Jil Sander, Mulberry, Windsor, Basler und Wolfgang Ley gearbeitet, bevor ich dann meine eigene Kollektion gemacht habe. Das wäre nicht gegangen, wenn ich nicht auch Geschäftsmann wäre. Zusammen mit Sandro als meinen Businesspartner und Mann. Wir sind ein Dream Team! Und natürlich habe ich auch ein gewisses Entertainer-Talent. Diese Kombination hat nicht jeder. Es gibt wahnsinnig viele kreative Leute, aber die können oft nicht verkaufen.
Seit 15 Jahren bist Du selbstständig. Der eigentliche Durchbruch kam mit GNTM. Wir sind uns in der Zeit ja mal in Düsseldorf zufällig auf der Straße begegnet. Wir konnten keine zwei Minuten reden, ohne dass irgendein Girl nach einem Selfie gefragt hat. Die wollten allerdings nicht mich auf dem Bild haben…
Ich hatte mich nicht beworben, das Management von Heidi kam damals auf mich zu. Ich bin durch GNTM natürlich bekannt geworden. Die Branchenprofis kannten mich, aber die Endverbraucher habe ich erst über diese Show erreicht. Am Ende schließt sich nun mit dem Homeshopping der Kreis: Dort kann ich meine TV-Präsenz und meine Fähigkeiten als Modedesigner gleichermaßen einbringen.
"Ich liebe die Frauen! Ich will sie alle zu meinen Kundinnen machen!"
Nun ist GNTM eine Unterhaltungssendung, die eher dem Showbusiness als dem Modebusiness zuzurechnen ist. Hattest Du keine Angst, Deine Glaubwürdigkeit als Modedesigner zu gefährden?
Überhaupt nicht. Das war eine Win-Win-Situation. Ich würde das auch heute noch machen, wenn es nicht so aufwändig wäre und die Sendung überwiegend in Amerika gedreht wird. Nach drei Jahren habe ich dann gesagt, meine Firma ist mir dann doch ein bisschen wichtiger. Es ist schon verführerisch, das hast Du ja mitgekriegt. Die Leute schreien, wollen Autogramme. Ich bin aber in erster Linie Modemacher! Ich wollte mir treu bleiben, und das war richtig so. Schon mein Vater hat immer gesagt: Schuster bleib bei Deinem Leisten!
Nach Dir kamen Michael Michalsky und Wolfgang Joop. Haben die Dich vorher konsultiert, wie es so ist mit Heidi?
Nein. Das muss man auch nicht. Aber weißt Du, das sind ja auch Entertainer. Der Wolfgang hat das super gemacht. Der ist heute mega-beliebt. Chapeau vor seinem Lebenswerk!
Wolfgang Joop ist ja eigentlich durch GNTM erst von der jungen Zielgruppe wiederentdeckt worden. Ähnlich wie Michael Kors in den USA…
Das war extrem clever! Er macht ja jetzt viele tolle Deals, zum Beispiel mit LOOKS by Wolfgang Joop. Wolfgang Joop ist in Deutschland ein guter Name. Und ich glaube, auch Thomas Rath ist ein guter Name. Ich glaube, dass wir unter unseren Namen viele Dinge verkaufen können.
Später hast Du dann auch noch bei Let's Dance mitgemacht. Wie kam das?
Na gut. Wenn Du einmal in dieses TV-Business gehst, dann kommen ständig neue Angebote. Ich habe ja viele Shows abgesagt. Diese ganzen Spielshows oder Dschungelcamp oder Promi-Big Brother… Ich habe das Glück, ein sehr erfolgreiches Business zu machen. Ich konnte mir immer aussuchen, was mir Spaß macht. Und Tanzen macht mir sehr viel Freude! Let’s Dance ist eines der Top-Formate. Ich bin stolz dabei gewesen zu sein.
Das war sicher anstrengend.
Das kann man wohl sagen! Ich bin tatsächlich keine 25 mehr und war ja kein ausgebildeter Tänzer. In der Disco haben sie zwar gesagt: ‚Mensch, der Thomas hat aber einen ganz guten Hüftschwung‘. Aber ich musste das Tanzen hart lernen, habe über Monate schon im Vorfeld trainiert, teilweise zehn Stunden am Tag. Da kommst Du an Deine Grenzen! Ich wusste gar nicht, was einem am Körper so alles weh tun kann.
"In Deutschland brauchen wir keine Kreateure wie in Paris oder Mailand, sondern kommerziell arbeitende Designer. Das ist mit Kompromissen verbunden und ein hartes Business, und das frustriert natürlich den einen oder die andere."
Sogar im Polizeiruf 110 hast Du gespielt: einen Modelagenten, der sich als Mörder entpuppt.
Ja. ‚Laufsteg in den Tod‘. Das war sogar eine Hauptrolle! Die hatten mich zum Casting eingeladen und offensichtlich Talent gesehen. 30 Drehtage! Es war eine tolle Erfahrung. Mit Sonja Kirchberger bin ich heute noch befreundet.
Wir haben das seinerzeit in profashionals gefeatured. Die Headline war "Mörder Rath". Erst kürzlich hat mich ein Leser darauf aufmerksam gemacht, dass es tatsächlich einen Serienmörder namens Thomas Rath gab. Er ermordete in den 80er Jahren sechs Frauen. Ich entschuldige mich hiermit für die Headline.
Nein! (lacht) Das wusste ich ja gar nicht! Ich habe die Mädchen nur im Film ermordet, bin aber auch selbst umgekommen. Da lag ich in der eisigen Kälte, irgendwo im Osten, im demolierten Auto, übergossen mit Filmblut, die Augen durftest Du nicht zumachen oder blinzeln. Das war anstrengend.
Ausgerechnet ein Frauenmörder. Denn Du liebst doch eigentlich die Frauen, nicht wahr?
Ich liebe die Frauen! Ich will sie alle am Leben erhalten. Und sie zu meinen Kundinnen machen!
Muss man als Modemacher seine Kunden lieben?
Ja!
Es gibt Designer, die arbeiten in erster Linie zur Selbstverwirklichung, nicht für den Markt.
Ich unterscheide zwischen Modedesignern und Kreateuren. Wenn Du als Modedesigner Deine Brötchen mit dem eigenen Unternehmen verdienst und Mitarbeiter bezahlen musst, dann wirst Du den Teufel tun und Dinge nur auf dem Papier entwickeln, die der Markt nicht braucht. Kreateure werden fürs Kreativsein bezahlt. Ich sehe mich als Dienstleister, der einen Markt bedient.
Würdest Du Deinem Sohn oder Deiner Tochter empfehlen, Modedesigner zu werden?
Un-be-dingt! Wenn man dieses Metier liebt, soll man es machen. In Deutschland brauchen wir aber keine Kreateure wie in Paris oder Mailand, sondern kommerziell arbeitende Designer. Das ist mit Kompromissen verbunden und ein hartes Business, und das frustriert natürlich den einen oder die andere.
Haben die meisten Menschen nicht ein falsches Bild von diesem Beruf? Und ist dieses falsche Bild nicht auch durch Sendungen wie GNTM geprägt?
Bei GNTM geht’s ja nicht um Mode, sondern ums Model-Business. Und das hat auch damit zu tun, sich verkaufen zu können. Ich sage immer: Kinder, Ihr seid Euer eigenes Unternehmen! Ihr müsst lernen, Euch gut zu verkaufen! Es gibt viele hübsche Jungs und Mädchen. Aber die, die sich zu verkaufen wissen, bekommen den Job.
Wie stellt man es am besten an als Modedesign-Absolventin? Geht man in die Industrie? Macht man sich selbstständig? Geht man ins Ausland?
Auf keinen Fall selbstständig machen! Es sei denn, Mama und Papa haben Millionen, die man verspielen kann. Und wenn ich Millionen sage, dann meine ich Millionen. Wer das Kapital hat, dem sage ich: Versuch Dein Glück! Ich empfehle aber jedem, erstmal unten anzufangen, in der Industrie zu lernen, wie man strukturiert eine Kollektion entwickelt. So wie ich das auch gemacht habe. Erstmal kleine Brötchen backen, lernen und nicht gleich das große Geld erwarten.
Warum hat es Modedesign – im Sinne von Kreateuren – in Deutschland so schwer?
Das war immer schon so. Deutschland ist ein Land, wo man Mode gut verkaufen kann. Aber Mode ist bei uns kein Kulturgut. Du musst über das Internationale kommen, um wahrgenommen zu werden. Du hast eben Philipp Plein angesprochen. Erst als er die große Bühne Mailand bespielen konnte, ging es so richtig für ihn los. Du kannst es in Deutschland nicht so einfach schaffen.
Das sehen sie in Berlin anders.
Dort gibt es unheimlich viele talentierte, tolle Kreateure. Aber Berlin ist einfach nicht der Nabel der Mode. Schau, was aus der Fashion Week geworden ist! Der deutsche Handel findet in Düsseldorf eine unheimlich gute Infrastruktur. Das konnte Berlin nie gewährleisten. In Deutschland musst Du kommerzielle Mode machen, um erfolgreich zu sein. Als Kreateur kannst Du nur international erfolgreich sein.
"Ich stand am Premieren-Sonntag zehn Stunden vor der Kamera. Ich habe überhaupt nicht geschlafen. Das muss man wollen. Und auch können."
Jetzt wechselst Du von QVC zu HSE. Ein bisschen so wie ein Fußballstar den Verein wechselt.
So muss man es sehen.
Wie hoch war die Ablöse?
Darüber will ich jetzt nicht sprechen. Aber der Vergleich ist schon ganz gut.
Was hat den Ausschlag gegeben, das Pferd zu wechseln?
Ein Wechsel tut manchmal gut. Das gibt dem Ganzen einen neuen Kick.
Wie unabhängig bist Du als Designer bei HSE? Kannst Du da entwickeln, was Du willst, so lange Du es nur verkaufst?
Da steht mein Name drin und natürlich ist es meine Verantwortung, die Richtung vorzugeben. Aber Modemachen ist immer Teamwork, und ich wäre ja dumm, wenn ich Anregungen nicht nutze würde. Und ich muss nach den ersten Erfahrungen mit dem Team von HSE sagen: Man kann es nicht besser machen.
Teleshopping scheint inzwischen ja so etwas wie der Hafen für deutsche Kreative zu sein: Eva Lutz, Steffen Schraut, Jette Joop, Uta Raasch, David Tomaszewski…
Ich war ja der Erste. Und wie sehr wurde ich anfangs dafür von der Branche und auch der Presse belächelt! Aber inzwischen hat sich herumgesprochen, wie erfolgreich dieser Kanal funktioniert. Aber: Es können nur ganz wenige!
Weil man eben Designer, Geschäftsmann und Entertainer zugleich sein muss.
Exakt. Ich stand am Premieren-Sonntag zehn Stunden vor der Kamera. Ich habe überhaupt nicht geschlafen. Das muss man wollen. Und auch können.
Ihr habt ja das Ziel, den Umsatz auf 100 Millionen Euro zu steigern. Wie soll das gelingen?
Ich habe sehr viele Stammkunden, das sind Tausende, und alle sind zu HSE mitgekommen. Und dann kommen die HSE-Kundinnen noch dazu. Ich halte das Ziel für machbar. Die Resonanz am Premierenwochenende war so fantastisch, das kannst Du Dir nicht vorstellen!
Wieviel habt Ihr denn verkauft?
Das musst Du HSE fragen.
Du bist seit mehr als 30 Jahren im Geschäft. Hättest Du am Anfang Deiner Karriere geahnt, wohin es Dich bringen würde?
Ja! Ich hatte immer eine Vision und habe meine Karriere Stück für Stück aufgebaut. Ich kann jedem Nachwuchstalent deswegen auch nur raten: Lasst Euch Zeit! Nicht so schnell! Die wollen heute immer alle gleich Millionär werden. Lasst dem Ganzen doch mal Ruhe und macht gute Arbeit! Das Geld kommt dann schon automatisch. Geld darf nie der Motor sein. Ich habe erst in den Vierzigern meine eigene Firma gegründet und mir davor in der Branche einen Namen gemacht und Vertrauen im Handel erworben. Wir arbeiten bis heute ohne Fremdkapital, haben alles aus eigener Kraft gemacht. Du brauchst erstmal Kunden, nicht Klamotten! Und Du brauchst Fleiss! Ich bin heute noch fleissig und werde auch die nächsten zehn Jahre noch wie ein Rennpferd laufen.