Wer in diesen Tagen in Düsseldorf durch die Showrooms zieht, stellt spätestens nach dem dritten Termin fest, dass Sommer 2022 – wenn es nach den Herstellern geht – modisch eine einzige Freudenparty wird. Wir sollen feiern, lachen, tanzen und verreisen, ohne dass Covid-19 unsere Pläne immer wieder durchkreuzt. Und dafür brauchen wir Farbe, Pastelle, Knall- und Neonfarben und Drucke, was das Zeug hält, ganz gleich, ob Paisley, Streifen, Blumen, Vichykaro, Ikatmuster, Tie Dye oder Animal. Das geht mitunter so weit, dass man in manchen Showrooms vor lauter Prints und Power-Farben schon mal kurz aufs Etikett schauen muss, um zu sehen, bei welchem Label man gerade ist.
Nun liegt es auf der Hand, dass nach all den Monaten der Entbehrung die Lebenslust groß ist und wir alle nach fröhlichen Gute-Laune-Farben lechzen. Die Zeiten sind schon schwer genug, keiner weiß, was die ansteigenden Inzidenzen bringen werden. Schon für diesen Herbst hat der Handel extrem farbenfroh eingekauft, und Schwarz war ungefähr so gefragt wie AstraZeneca. Zugleich kann man sich die Frage stellen, wieviel Knallpink, Giftgrün und Quietschorange wir nächsten Sommer brauchen – und auch in welcher Dosierung es sinnvoll und stimulierend in den Geschäften präsentiert werden kann, ohne dass es aussieht wie im Bällebad von Ikea?! Warum ausschließlich Hallo-Hier-Bin-Ich Gelb, Pink und Orange kaufen, wenn es auch noch Pastelle und helle Neutrals gibt, die übrigens ganz nebenbei auch idealer Sparringspartner für kräftige Farben sind, wie Valentino das immer eindrucksvoll beweist.
Ähnlich hoch im Kurs in den Showrooms ist das Kleid. Am liebsten voluminös und luftig geschnitten. Auch wenn die Deutschen in den vergangenen 14 Monaten durchschnittlich 5,6 kg zugenommen haben und sich die im Lockdown antrainierte Bequemlichkeit nicht mehr nehmen lassen wollen, braucht es neben dem gemusterten Kaskadenkleid noch Alternativen. Für alle, die keine Stufen mehr sehen können, die wieder ausgehen und flirten wollen, kurzum: die sexy sein möchten, braucht es mehr als nur der eine Kleidertyp.
So schön es ist, dass Frauen sich an die Figur umspielende Silhouetten gewöhnt haben, dass es sogar Flieder in die Kollektion geschafft hat, dass Drucke Lust auf Sommer machen – die Herausforderung ist, dass der Handel nicht vergisst, dass die Menschen an manchen Tagen einfach Lust auf einen stinknormalen dunkelblauen Pullover haben.