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"Ja, auf jeden Fall und am besten sofort"

Immer mehr Marken steigen in den Resale-Markt ein. Meist aus Imagegründen und oft ohne wirkliche Retail-Strategie. Die Gefahren sind groß, aber auch die Chancen, meint Secondhand-Expertin Barbara Markert.
Barbara markert
Bar­ba­ra Mar­kert

Isa­bel Marant hat eine, G‑Star hat eine, wie auch Balen­cia­ga (Foto), Hugo Boss, San­dro, AMI, Aigle oder Zara, H&M und nun auch sogar Shein. Die Rede ist von einer Web­site für Second­hand-Ware. Das Enga­ge­ment geht über alle Gen­res – von Ultra-Fast­fa­shion bis Luxus. Das Geschäft mit gebrauch­ter Mode wird auch für Brands mehr und mehr zum Muss. Vor allem aus PR-Gesichts­punk­ten kann es sich eine Mar­ke heu­te kaum noch leis­ten, inner­halb ihrer Nach­hal­tig­keits-Stra­te­gie das Prel­oved-Busi­ness aus­zu­klam­mern. Weil es ein Bau­stein ist, um in der Cir­cu­lar-Eco­no­my mit­zu­spie­len, weil sich damit die Chan­cen erhö­hen, als B‑Corp ein­ge­stuft zu wer­den, weil sich damit neue Käu­fer­schich­ten gewin­nen las­sen, weil damit eine zusätz­li­ches Preis­ka­te­go­rie ins Sor­ti­ment ein­ge­baut wer­den kann, und weil die­ses zusätz­li­che Seg­ment das Gesamt-Ange­bot um eine gewis­se Uni­que­ness berei­chert. Was in der Lis­te der Argu­men­te fehlt, ist aller­dings das The­ma Geld-Ver­die­nen. Denn: So toll es klingt, im Second­hand-Busi­ness mit dabei zu sein, ren­ta­bel ist es bis­her (meist) nicht.

Als mich vor rund zwei Jah­ren eine Ver­tre­te­rin eines deut­schen Mode­an­bie­ters frag­te, ob sie als Brand in den Markt der gebrauch­ten Mode ein­stei­gen soll­te, kam mei­ne Ant­wort wie aus der Pis­to­le geschos­sen: „Ja, auf jeden Fall und am bes­ten sofort.“ Heu­te aller­dings, nach Gesprä­chen mit Akteu­ren die­ses Busi­ness‘, eige­nen Erfah­run­gen als Second­hand-Händ­le­rin, zahl­rei­chen Selbst­ver­su­chen als Kun­din und noch mehr jour­na­lis­ti­schen Recher­chen in die­sem Seg­ment wür­de ich die Fra­ge zwar noch immer beja­hen, aber trotz­dem zur Vor­sicht raten. Bevor man sich als Brand enga­giert, soll­te klar sein, wie, mit wel­chem Ziel, mit wel­cher Ware und mit wel­chem Part­ner man den Ein­tritt in die­ses Geschäfts­seg­ment plant. Es gibt längst nicht mehr nur einen ein­zi­gen Weg, son­dern Dut­zen­de:

Will man als Markt­platz auf­tre­ten und die Abwick­lung den Kon­su­men­ten über­las­sen, also die Peer-to-Peer-Stra­te­gie fah­ren? Oder will man selbst als Akteur für Second-Ware auf­tre­ten? In Form eines Take-back-Modells? Will man nur Ware der eige­nen Mar­ke oder auch Fremd­mar­ken anbie­ten? Wo wird die Abwick­lung auf­ge­hängt: kom­plett intern oder kom­plett out­ges­ourct oder nur in Tei­len out­ges­ourct? Und wenn extern, wel­cher Part­ner ist dann der Rich­ti­ge? Soll der Online-Auf­tritt inhouse ent­wi­ckelt wer­den oder soll­te man auf die Tech­nik der neu­en Second­hand-Tech-Start-ups ver­trau­en? Will man lokal oder inter­na­tio­nal auf­tre­ten? Die Gebraucht­wa­re nur online oder auch in den Läden anbie­ten? Und zum Schluss noch mal ganz kon­kret: Wer sam­melt, wer sor­tiert, wer wäscht, bügelt, repa­riert, foto­gra­fiert, wer stellt es online/offline, wer ver­kauft, was ist mit Retou­ren und wohin mit der Ware, die nicht ver­kauft wer­den kann?

Ob das Re-Commerce-Business für billige Fast Fashion überhaupt Sinn macht, ist diskutierbar.

Die Men­ge der Fra­gen (und das sind längst nicht alle) zeigt schon, dass der Ein­stieg in den Re-Com­mer­ce nicht mal so neben­her von der Marketing‑, Ver­triebs- oder der CSR-Stabs­stel­le geleis­tet wer­den kann. Dafür ist das Busi­ness zu kom­plex, der Abwick­lungs-Auf­wand zu gewal­tig und auch der mög­li­che Image­scha­den beim Schei­tern zu groß. Jede Fir­ma muss sich klar sein: Über einem mar­ken-initi­ier­ten Second­hand-Ange­bot schwebt beim Kon­su­men­ten grund­sätz­lich der Vor-Ver­dacht des Green­wa­shings und die Fra­ge: Wie ernst mei­nen es die Unter­neh­men wirk­lich mit der Mode aus zwei­ter Hand?

Shein exchange plakat
Shein: Wie man es nicht machen soll­te.

Das Bei­spiel Shein zeigt, wie man es nicht machen soll­te: „Shein Exch­an­ge“ heißt der Ser­vice, der zwar publi­kums­wirk­sam ver­laut­bart wur­de, aber auf der Web­site nir­gends zu fin­den ist und nur über die App erreich­bar sein soll. Doch auch hier führt der QR-Code der Wer­bung nur zur nor­ma­len Neu­wa­ren-Ver­kaufs­platt­form. Der auf der Ankün­di­gung sicht­ba­re But­ton „Exch­an­ge“ fehlt im Menu und wird angeb­lich erst nach der Regis­trie­rung sicht­bar. Spä­tes­tens hier hat mich Shein als Second­hand-Kli­ent ver­lo­ren, denn ich will den Chi­ne­sen auf kei­nen Fall mei­ne E‑Mail mit­tei­len oder ein Kun­den­kon­to eröff­nen. Ob sich nach der Regis­trie­rung wirk­lich ein Online-Ange­bot gebrauch­ter Shein-Ware öff­net oder nicht, kann ich nicht sagen. Für mich als Kon­su­ment endet die Erfah­rung beim bil­li­gen Trick, mich auf die­se Wei­se als Neu­kun­den ködern zu wol­len.

Zara preowned
Zara: Alt­wa­re aus­schließ­lich für Spen­den

Sehen wir zu Zara, die es viel schlau­er anstel­len: Der Spa­ni­er sam­meln Alt­wa­re aus­schließ­lich für Spen­den ein. Auf der Web­site steht: „Alle gesam­mel­ten Klei­dungs­stü­cke wer­den an loka­le Orga­ni­sa­tio­nen über­ge­ben […], um deren best­mög­li­chen Zweck zu bestim­men. Sie wer­den bei­spiels­wei­se an von Aus­gren­zung bedroh­te Men­schen gespen­det, in Second­hand-Läden ver­kauft oder recy­celt.“ Als Part­ner wer­den die Deut­sche Klei­der­stif­tung, Cari­tas, le Relais etc. genannt. Zara tritt hier auf als ver­ant­wor­tungs­be­wuss­te Alter­na­ti­ve zu Klei­der­con­tai­nern, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren mehr und mehr in Ver­ruf kamen. Das geld­wer­te Geschäft mit der Second­hand-Ware über­lässt Zara gene­rös sei­nen Kun­den, für die es den fir­men­ei­ge­nen Mar­ket­place „Pre-owned“ zur Ver­fü­gung stellt, auf dem sich Ver­käu­fer und Käu­fer unter sich und ohne jeg­li­che Pro­vi­si­on oder Gebüh­ren eini­gen kön­nen.

Ob das Re-Com­mer­ce-Busi­ness für bil­li­ge Fast Fashion über­haupt Sinn macht, ist ohne­hin dis­ku­tier­bar. Das weiß auch H&M, die als einer der Pio­nie­re im Second­hand gel­ten und sich längst nicht mehr nur mit der eige­nen Ware zufrie­den­ge­ben. Bei „Prel­oved H&M“ gibt es auch Etro, Max Mara, Gan­ni, Chloé und vie­le ande­re mehr zu kau­fen – neben den Schwes­ter­brands wie Arket, COS, &Other Sto­ries und einer spe­zi­el­len Koope­ra­ti­on mit der eige­nen Second­hand-Toch­ter­fir­ma Sell­py.

Auf Part­ner­schaf­ten mit erfah­re­nen Resa­le-Spe­zia­lis­ten set­zen auch man­che Luxus­mar­ken, um die eige­ne Brand „sau­ber zu hal­ten“ und den­noch in der Kreis­lauf­wirt­schaft mit­zu­mi­schen. So koope­riert Bur­ber­ry seit Jah­ren erfolg­reich mit Ves­ti­ai­re Coll­ec­ti­ve, die inzwi­schen auch für bekann­te Händ­ler wie Mythe­re­sa oder Lui­sa­Vi­a­Ro­ma die Abwick­lung des Resa­le-Ser­vices über­neh­men. Aus sol­chen stra­te­gi­schen Zusam­men­schlüs­sen kön­nen Win-Win-Situa­tio­nen ent­ste­hen.

Bashsecondhand
Ba&sh: Gut für Umsatz und fürs Image

Ande­re schaf­fen es aber auch allein, aus dem unren­ta­blen Cir­cu­lar-Eco­no­my-Seg­ment eine Erfolgs­ge­schich­te zu stri­cken. Bes­tes Bei­spiel ist die fran­zö­si­sche Mar­ke Ba&Sh: Die Pari­ser stie­gen im Rah­men einer umfang­rei­chen Nach­hal­tig­keits­stra­te­gie 2021 ins Second­hand-Geschäft ein. Bei der Abwick­lung setz­te Ba&Sh auf exter­ne, spe­zia­li­sier­te Ser­vice­un­ter­neh­men, erst Reflaunt, jetzt Fau­me. Laut eige­nen Aus­sa­gen konn­ten im Jahr 2023 ins­ge­samt 20.000 gebrauch­te Klei­dungs­stü­cke wie­der in den Kreis­lauf gebracht wer­den. Das Second­hand-Busi­ness trägt inzwi­schen fünf Pro­zent zum Gesamt­um­satz der Fir­ma bei und war einer der aus­schlag­ge­ben­den Punk­te dafür, dass Ba&Sh im Juni 2024 als B‑Corp zer­ti­fi­ziert wur­de. Das Enga­ge­ment der Mar­ke für gebrauch­te Mode zahl­te sich also aus: im Image und im Umsatz.

Sol­che Bei­spie­le machen Mut – trotz der genann­ten hohen Ein­stiegs­hür­den. Ich für mei­nen Fall bin noch immer der Mei­nung, dass das Geschäft mit gebrauch­ter Mode Zukunft hat und jeder, der noch nicht mit­mischt, Gefahr läuft, einen wich­ti­gen Trend zu ver­pas­sen.