K

Was macht die KI mit uns?

Selbst die E-Commerce-Profis sind verunsichert, wie sich das Geschäft angesichts der rasanten Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz verändern wird. Klar ist nur: Es kommt Großes und Grundsätzliches, und es kommt schnell. Auch die K5 brachte keine Gewissheit, stellt Stefan Wenzel fest. Aber ein paar Hinweise.
Stefan wenzel
Ste­fan Wen­zel

Das The­ma, das wenig über­ra­schend die Luft­ho­heit bei der dies­jäh­ri­gen K5 hat­te, war Künst­li­che Intel­li­genz (KI). Was aber dann viel­leicht doch etwas über­ra­schend war, war die Stim­mung rund um das The­ma. Es gibt eben noch kei­ne Mas­ter­plä­ne und tief­grei­fen­de Case Stu­dies, kei­ne Best Prac­ti­ces, son­dern eine kol­lek­ti­ve, sym­pa­thi­sche Unsi­cher­heit – und das in einer Sze­ne mit hoher Neo­phi­lie-Dich­te. Denn zum ers­ten Mal seit Lan­gem ist im Grun­de unklar, was alles kommt. Vor allem ist unklar, wann, wie und mit wel­cher Kon­se­quenz es kommt.

Klar ist nur: Es kommt Gro­ßes und Grund­sätz­li­ches und es kommt schnell. Vie­le ahnen, dass das, was wir Digi­ta­li­sie­rung nann­ten, dage­gen in der Rück­schau wie ein müdes Auf­wärm­pro­gramm wir­ken wird. Und je nach indi­vi­du­el­lem Infor­ma­ti­ons- und Durch­drin­gungs­grad sowie der Posi­ti­on in der per­sön­li­chen Chan­ge-Kur­ve fal­len die Reak­tio­nen dar­auf in ein Spek­trum von eupho­ri­schem Opti­mis­mus oder Aktio­nis­mus über Abwar­ten bis hin zu Abwin­ken samt trot­zi­gem Ver­weis auf die unver­än­der­te Wich­tig­keit von Ful­fill­ment und ope­ra­ti­ver Exzel­lenz.

Ein Bild, das auf der K5 die Run­de mach­te, zeig­te die Tho­mas W. Law­son, einen Sie­ben­mas­ter, der zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts als Reak­ti­on der Segel­schiff­fahrt auf die damals neu­ar­ti­gen Dampf­schif­fe ent­wi­ckelt wur­de. Die Law­son lief 1902 vom Sta­pel und 1907 auf Grund. Die unan­ge­neh­me Fra­ge lau­tet: Wer­den nach dem sta­tio­nä­ren Han­del jetzt auch erst­ma­lig die digi­ta­len Erfolgs­mo­del­le der letz­ten 20 Jah­re zum Sie­ben­mas­ter des Han­dels?

Wenn in fünf Jah­ren weni­ger als 40 Pro­zent des Web-Traf­fics mensch­lich sind und gleich­zei­tig KI-Agen­ten als völ­lig neue Spe­zi­es 30 Pro­zent des Traf­fics aus­ma­chen, die kei­ne Inter­faces mehr benö­ti­gen, son­dern über Schnitt­stel­len ein­kau­fen, stellt sich die Fra­ge: Wie fin­den die ver­blei­ben­den Men­schen und die neu­en Agen­ten dich? Und was pas­siert mit dei­nem Shop, der für Men­schen kon­zi­piert wur­de, aber von Maschi­nen genutzt wird?

Zugleich brö­ckelt auch das Fun­da­ment der bis­he­ri­gen Reich­wei­ten­öko­no­mie. Goog­le ersetzt blaue Link­lis­ten zuneh­mend durch KI-gene­rier­te, umfäng­li­che Ant­wor­ten. Traf­fic aus Such­ver­kehr sinkt, wäh­rend die Anfor­de­run­gen an Inhal­te stei­gen. Qua­li­tät, Rele­vanz, Auto­ri­tät – und das nicht nur für Men­schen, son­dern auch für KI-Agen­ten. Die 30-jäh­ri­ge Ära der Such­ma­schi­nen-Trick­se­rei neigt sich dem Ende.

Was bislang an technischen Möglichkeiten und hohen Kosten gescheitert ist, wird nun möglich. Content und Experience sind keine Budgetfrage mehr, sondern eine Frage der KI-Architektur und ‑Nutzung. Damit rückt Kreativität wieder an die richtige Stelle: ins Zentrum.

Die rasan­te Evo­lu­ti­on von KI-Suchen zu digi­ta­len Bes­ser­wis­sern für alle The­men und Pro­ble­me, die mit KI-opti­mier­ten Pro­dukt­da­ten zur eige­nen seman­ti­schen Anrei­che­rung sowie mit Echt­zeit-Prei­sen und ‑Bestän­den via Schnitt­stel­le gefüt­tert wer­den (wie von Shop­i­fy bereits auf dem Markt ange­bo­ten) und die eine ver­ti­ka­le Inte­gra­ti­on von Check-out und Zah­lung beinhal­ten (wie bei Per­ple­xi­ty Shop et al.), bedeu­tet, dass neue „Über-Platt­for­men“ ent­ste­hen. Die­se nagen am Geschäfts­mo­dell der Han­dels­platt­for­men, bekannt­lich einem Modell, das sei­ner­seits dem klas­si­schen Han­del und den Her­stel­lern in den letz­ten 20 Jah­ren erst den Kun­den­zu­gang abge­nom­men und dann zurück­ver­mie­tet hat.

In Kom­bi­na­ti­on mit einem völ­lig neu­en Kampf um den unmit­tel­ba­ren Kun­den­zu­gang, bei dem Betriebs­sys­te­me (Apple, Goog­le) mit KI-Gerä­te­her­stel­lern (Meta-Bril­len, Ope­nAI mit Jony Ive et al.), KI-Brow­sern (Ope­ra One, Dia et al.) sowie KI-Agen­ten um die Nut­zer kämp­fen, sto­ßen die eige­ne Stra­te­gie und das bis­he­ri­ge Geschäfts­mo­dell an ihre Gren­zen. KI wird sich zwar posi­tiv auf alle Schrit­te in der Wert­schöp­fungs­ket­te und alle Posi­tio­nen in der Gewinn- und Ver­lust­rech­nung aus­wir­ken. So erfreu­lich ver­bes­ser­te Pro­duk­ti­vi­tät und ope­ra­ti­ve Exzel­lenz auch sind, das Geschäfts­mo­dell der aller­meis­ten hängt am eige­nen Kun­den­zu­gang und der steht unter völ­lig neu­em Druck.

Wer sich von Gelern­tem löst und statt­des­sen nach neu­en Lösun­gen für Kun­den­pro­ble­me im Zeit­al­ter von KI sucht, kommt auf neue Ansät­ze. Eine auf der K5 dis­ku­tier­te Ant­wort lau­tet: Dyna­mic Com­mer­ce. Kein neu­er Begriff, aber eine neue Per­spek­ti­ve. Han­del als KI-nati­ve Anwen­dung, KI als Basis und Han­del als App dar­über. Abge­löst wird der fixe Shop als digi­ta­ler Kata­log mit Fil­ter-Lis­ten und aus­tausch­ba­ren Tem­pla­tes. An des­sen Stel­le kommt eine wirk­lich indi­vi­du­el­le Expe­ri­ence in Echt­zeit, die aus Kon­text, Ver­hal­ten und Prä­fe­ren­zen gene­riert wird – zu mar­gi­na­len Grenz­kos­ten. Con­tent wird zur Infra­struk­tur, Expe­ri­ence wird dyna­misch.

Was bis­lang an tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten und hohen Kos­ten geschei­tert ist, wird nun mög­lich. Con­tent und Expe­ri­ence sind damit kei­ne Bud­get­fra­ge mehr, son­dern eine Fra­ge der KI-Archi­tek­tur und ‑Nut­zung. Damit rückt Krea­ti­vi­tät wie­der an die rich­ti­ge Stel­le: ins Zen­trum. Dif­fe­ren­zie­rung durch Exzel­lenz muss sich also nicht mehr auf Ful­fill­ment beschrän­ken oder in Bran­ding-Kam­pa­gnen vor­ge­gau­kelt wer­den, son­dern kann vor allem auch auf der Erleb­nis­ebe­ne gegen die neu­en Über-Platt­for­men antre­ten. Denn eine hoch­spe­zia­li­sier­te und opti­mier­te User Expe­ri­ence wird auch in Zukunft ein effek­ti­ver Burg­gra­ben gegen hori­zon­ta­le Gene­ri­ka sein und Kun­den orga­nisch bin­den.

Wer nicht KI-nativ auf einer grü­nen Wie­se star­tet, steht höchst­wahr­schein­lich vor der bis­lang größ­ten Trans­for­ma­ti­on. Die­se muss als Chef­sa­che erkannt und geführt wer­den. Sie muss aber auch finan­ziert und von Men­schen gestal­tet wer­den. Inso­fern ist es scha­de, dass so weni­ge CFOs, HR-Ver­ant­wort­li­che und Auf­sichts­rä­te den Weg zur K5 fan­den, um sich mit der Zukunft aus­ein­an­der­zu­set­zen, bevor sie von ihr über­rollt wer­den. Aber viel­leicht spricht es sich ja her­um: Die nächs­te K5 fin­det am 23./24. Juni 2026 in Ber­lin statt.

Ste­fan Wen­zel ist seit mehr als 20 Jah­ren im digi­ta­len Han­del und einer der pro­fi­lier­tes­ten Köp­fe der Bran­che. Sei­ne Vita beinhal­tet unter ande­rem Sta­tio­nen als Geschäfts­füh­rer für Unter­neh­men wie Ebay, brand4friends, Otto, Mexx und Tom Tail­or Digi­tal. Ste­fan Wen­zel unter­stützt Fir­men, Grün­der und Geschäfts­füh­rer als digi­ta­ler Bei­rat, ist regel­mä­ßi­ger Spre­cher auf Fach­kon­fe­ren­zen, Inter­­­­­­­view- und Pod­­­­­­­cast-Gast. www.stefanwenzel.com

Bei­trä­ge von Ste­fan Wen­zel