Ja gibt es denn gar keine richtigen Einzelhändler mehr? Also Unternehmen, die Ware von der Industrie einkaufen und diese an den Mann bzw. die Frau bringen, idealerweise mit Gewinn? So einfach ist das bekanntlich heutzutage nicht mehr. Stattdessen verfolgen die großen Player: Plattform-Strategien. Jeder freilich auf seine Weise.
Da ist einerseits Karstadt. Der Warenhauskonzern wolle bis zu einem Drittel seiner Verkaufsfläche untervermieten, meldete „Monitor“ vergangene Woche unter Berufung auf „ein geheimes Strategiepapier“. Einzelhändler wie Rossmann oder Primark sollen in die Kaufhäuser einziehen, an anderer Stelle war von Lidl, Aldi und dm die Rede. Wer Karstadt-Mitinhaber Rene Benko seit jeher ein bloßes Immobilieninteresse unterstellt, darf sich bestätigt fühlen. Ebenso wie jene Branchenbeobachter, die vor „Warenhauskonzern“ reflexhaft das Attribut „angeschlagener“ setzen und für die die sinistren Vermietungspläne nichts anderes sind als die Kapitulation des Warenhausformats vor den kompetenteren Spezialisten. Klar, dass dies Verdi auf den Plan rufen musste. Das war wohl auch die Absicht des WDR-Berichts, und wer weiß, ob da nicht einer über Bande gespielt hat. Die Gewerkschaft sieht ihre Hausmacht bei Karstadt bedroht. Die ist, nebenbei bemerkt, seit jeher auch ein Teil des Karstadt-Problems.
Vielleicht erklärt das, weshalb Karstadts Arbeitsdirektor Miguel Müllenbach den WDR-Bericht in ungewöhnlich scharfer Form zurückwies. Untervermietungen im Warenhaus seien seit Jahren gelebte Praxis, erklärte er in einem Interview mit der „Welt“. Das Ziel sei es, das Waren- und Dienstleistungsangebot für die Kunden zu ergänzen und die Häuser durch interessante Mieter attraktiver zu machen. Man wolle brach liegende Flächen nutzen und natürlich auch Mieteinnahmen generieren. „Die Verkürzung des Vermietungsthemas auf ‚Karstadt will 30 Prozent Fläche abgeben und deshalb werden entsprechend Stellen abgebaut‘ ist nicht nur böswillig und bewusst falsch, sondern auch schlicht grob irreführend.“ Wer solche Dinge in die Welt setze, müsse sich fragen, ob er an einer Lösung interessiert sei.
Während in Essen die Schlachten der Vergangenheit geschlagen werden, bauen sie in Berlin am Shopping Center der Zukunft. Zalandos Plattform hat den Vorzug, keiner Flächenlimitierung zu unterliegen. Vor einem Jahr ist man mit 100 Shops gestartet, heute verkaufen nach eigenen Angaben bereits 1500 Marken ihre Ware über eine eigene Präsenz auf Zalando.de, in absehbarer Zeit sollen es alle knapp 3000 Lieferanten sein. Zalando monetarisiert seine Reichweite. Der Online-Händler ist damit nicht nur Vertriebspartner, sondern wird zum Fullfillment-Dienstleister der Industrie, der Services wie Content-Generierung, Logistik und Zahlungsabwicklung anbietet. Amazon hat es vorgemacht, und weil die Amerikaner nicht den besten Ruf als fairer Partner der Industrie genießen, hat Zalando hier die Chance, es besser zu machen. Und daneben mit seinen Eigenmarken zu punkten.
Was Verdi für Karstadt ist im übrigen die Börse für Zalando: der anstrengende Nörgler, der sich in alles einmischt und dem man es kaum recht machen kann. So hat die Ankündigung, dass der Umsatz lediglich um 22,5 bis 24,5% wachsen und der Gewinn unter Vorjahr liegen würde, die Aktie gleich mal um 5% ins Minus fallen lassen. Seit Jahresanfang hat Zalando rund ein Fünftel seines Werts verloren.
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Und sonst? Lässt die Technologie uns immer wieder staunen:
So launcht Smeg jetzt eine Kühlschrank-Serie von Dolce & Gabbana. Schlappe 30.000 Euro kostet der bunte Brummer. Für alle, die auf Versace-Geschirr essen, im Maison Moschino in Mailand absteigen und sich Glööckler-Kosmetik ins Gesicht schmieren.
Ein spanischer Bettenhersteller bringt die smarte Matratze auf den Markt. Die ist mit Sensoren ausgestattet und meldet ungewöhnliche Erschütterungen. Über eine App lässt sich damit kontrollieren, was der Partner so treibt, wenn man selbst auf Geschäftsreise ist.
Und schließlich ist der Amazon-Pilotstore in Seattle nicht das harmlose Buchgeschäft, als das es erscheint. Warum der Laden ein Vorbild für den vernetzten Handel ist, erklärt Olaf Kolbrück in Etailment.