Modehandel und Modeindustrie haben ihre eigenen Themen mit der Digitalisierung, da brauchen sie sich über die Herausforderungen der Modemedien keinen Kopf zu machen. So ist es für die meisten nur eine Fußnote, was der Guardian diese Woche gemeldet hat: das traditionsreiche britische Verlagshaus Emap wird nach 70 Jahren abgewickelt. Die Fachzeitschriften für den Lebensmittel- und den Textilhandel, Retail Week und Drapers stellen ihre Printtitel ein und erscheinen demnächst nur noch online. Publisher Top Right wird die Emap-Organisation in seine Sparte 4C integrieren.
"Die Leute wollen Digitalabos und Live-Events", lässt sich Top Right-CEO Duncan Painter zitieren. Print stand zuletzt noch für ein Drittel der Erlöse. Aber vermutlich für einen noch höheren Anteil der Kosten. So zielt die Entscheidung der Eigentümer (darunter Finanzinvestor Apax) darauf ab, die Profitabilität des B2B-Informationsanbieters Top Right weiter zu steigern. Diese ist mit 85 Millionen Pfund Gewinn bei 312 Millionen Pfund Umsatz jetzt schon außergewöhnlich hoch. Aber es geht darum, eine Verkaufsstory zu schreiben, da ist kein Platz für Verlegersentimentalitäten.
Die Entscheidung der kühl rechnenden Investoren sollte zugleich all jenen zu denken geben, die der gedruckten Zeitung die Stange halten. Ähnlich wie die Online-Pure Player den stationären Einzelhandel links und rechts überholen, so sind auch die Online-Fachmedien auf dem Vormarsch. Eine abofinanzierte Trendplattform wie WGSN wird in so gut wie allen großen Design- und Produktmanagement-Abteilungen genutzt. Business of Fashion hat die altehrwürdige Women's Wear Daily als globales Leitmedium der Modeindustrie in kürzester Zeit abgelöst (WWD erscheint im übrigen täglich auch nur noch online). Blogs wie Exciting Commerce oder Etailment versammeln die E‑Commerce-Community um sich. Wie die Pure Player im Einzelhandel haben die Online-Medien den Vorteil, dass sie bei ihrem Wachstum nicht von alten Strukturen gebremst werden und auf bestehende Apparate Rücksicht nehmen müssen. Statt sich unter zunehmendem Kostendruck mit digitaler Transformation abmühen zu müssen, arbeiten sie mit digitalem Know-how und reichlich Fremdkapital ausgestattet daran, Reichweite zu generieren und diese schrittweise zu monetarisieren. Hinter WGSN stand zeitweise u.a. die japanische Nomura-Bank als Wachstumsfinanzierer (heute gehört die Plattform übrigens zu Top Right), bei Business of Fashion sind u.a. Index Ventures und LVMH investiert (ob Bof-Gründer Imran Amed wohl jemals ein kritisches Wort über Bernard Arnault verlieren wird?).
Die Crux der Verlage ist, dass Online nicht dieselben Deckungsbeiträge wie Print abliefert. Die aber braucht es, um Redaktionen und Organisationen zu finanzieren. Deshalb suchen die großen Player alternative Erlösquellen und betreiben Markentransfers in andere Felder. Der (letztlich nicht zustande gekommene) Weihnachtsmarkt von Condé Nast in München war ein besonders kreativer Beleg dafür.
Es ist aber nicht nur die Konkurrenz der Onlinemedien, die Print gefährdet. Es ist – damit einhergehend – vor allem das rapide sich verändernde Leseverhalten. Wir alle lesen heute schon vorwiegend vom Screen. Unsere Kinder werden sich kaum mehr an einer Zeitung die Hände schmutzig machen. In Abwandlung des bekannten Werbeslogans möchte man sagen: Print verwirkt. Insbesondere im B2B-Bereich werden Medien nicht zum Spaß konsumiert (Profashionals ist natürlich eine Ausnahme), sondern sie werden gelesen, weil man sich einen beruflichen Nutzen davon verspricht. Der ästhetische Mehrwert, den die Hochglanzmagazine der Publikumspresse für sich reklamieren können, verfängt hier weniger.
Medien-Produkte können digitalisiert werden. Deshalb werden sie digitalisiert werden. Das ist die Herausforderung der Verlage. Im Vergleich dazu hat es der stationäre Einzelhandel noch richtig gut.
Bitte lesen Sie dazu auch: Krähen gegen Pfauen – die Modemedien-Revolution geht weiter
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