Es ist schon paradox, dass Amazon trotz roter Zahlen als Gewinner und Ebay trotz solider Erträge zurzeit als der große Loser im E‑Commerce gilt. Während die Amazon-Anleger Jeff Bezos' Wachstumsstrategie trotz gelegentlichem Murren mittragen und es kaum Zweifel daran gibt, dass die vielen strategischen Initiativen dem Unternehmen auf lange Sicht in etlichen Märkten eine dominante Stellung verschaffen werden, ist Ebay dabei, sich unter dem Druck seiner Shareholder selbst zu zerlegen. Die von dem gordongekkoesken Investor Carl Icahn betriebene Paypal-Abspaltung ist nur der Auslöser. Dass das Online-Kaufhaus in den vergangenen 20 Jahren viele Marktchancen verschlafen hat, hat Marcel Weiss in Wired sehr schön analysiert. Mit seiner kürzlichen Ankündigung, 2400 Mitarbeiter (das sind immerhin 7 Prozent der Belegschaft) zu entlassen und das Enterprise-Business zu verkaufen oder an die Börse zu bringen, macht CEO John Donahoe das Rest-Ebay zur schmucken Braut. Die dann womöglich demnächst von einem feschen Bräutigam gefreit werden wird. Icahn und die anderen Shareholder hätten dann einen schönen Schnitt gemacht.
In den Medien wird seit geraumer Zeit spekuliert, dass Alibaba das Milliarden-Brautgeld aufbringen könnte. Ist ja nach dem Börsengang genug in der Kasse. Auch Amazon wird in diesem Zusammenhang genannt. Gut möglich auch, dass sich ein Wal-Mart die Gelegenheit nicht entgehen lässt, auf einen Schlag zu einem relevanten Player im E‑Commerce zu werden. Das passte ins Bild: Während die stationären Händler hierzulande vornehmlich auf dem Omnichannel-Weg sind, sichern sich die amerikanischen Retailer ihre Online-Claims in letzter Zeit durch die Übernahme von Pure Playern. Der spektakulärste Fall war letztes Jahr sicherlich die Übernahme von Mytheresa durch Neiman Marcus. Media Saturn fährt hierzulande mit Redcoon ebenso eine Mehrmarkenstrategie, bei der die Synergien zwar allenfalls im Backoffice liegen, dafür aber die kostentreibende Komplexität eines Crosschannel-Vertriebs vermieden wird.
Auf der anderen Seite scheint ausgerechnet Amazon konkrete stationäre Überlegungen zu haben. Richtige Sortimente sind an der Highstreet von Amazon aber nicht zu erwarten, es läuft mehr auf so eine Art hipper Quelle-Shop hinaus. Etailment zeigte vorgestern Fotos von dem Pick-up-Konzept Amazon@Purdue. Und Bloomberg meldete diese Woche, dass Amazon an einer Übernahme von Flächen der insolventen RadioShack Corp. dran sei, einer US-Kette mit weit über 4000 Filialen. Gut möglich also, dass deutsche Modehändler eines Tages nicht nur fiese Handyshops, sondern auch noch Pickup-Stationen von Amazon (und warum nicht auch von Zalando & Co) in ihrer Nachbarschaft dulden werden müssen.
Während der Online-Wettbewerb in den USA offensichtlich auf einige neue Weichenstellungen zuläuft, lieferten sich zwei große deutsche Player diese Woche eine Art Interview-Battle. "Otto ist kein Unternehmen, an dem wir uns orientieren", erklärte Zalando-Vorstand Rubin Ritter dem Handelsblatt.
Rocket Internet sei wiederum für Otto kein Vorbild, sagte CEO Hans-Otto Schrader derselben Zeitung. "Die ziehen eine Firma nach der anderen hoch, um die erfolgreichen später zu verkaufen. Das ist nicht unser Geschäftsmodell." Otto sei Händler und Dienstleister und wolle das auch bleiben. Für Schrader ist der Goldrausch im Online-Modehandel übrigens zu Ende. Die großen zweistelligen Wachstumsraten seien vorbei.
Ist das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht?