Während die Tage in New York mal wieder die Mode der nächsten Saison gezeigt wurde, wurde 3000 Meilen westlich eine Kollektion von ganz anderer Relevanz vorgestellt. Apple-Chef Tim Cook präsentierte am Dienstag in Cupertino die lange erwartete iWatch, die jetzt Apple Watch heißt und 2015 auf den Markt kommen soll. Das Ding ist natürlich nicht nur eine Uhr, so wie das iPhone nicht nur ein Telefon ist. Die Apple Watch taugt als Self Tracking Tool à la Fuel Band und damit als Basis für alle möglichen Angebote der Gesundheitsindustrie. Sie ist als "Fernbedienung" für die zunehmend vernetzte Wohnung zu gebrauchen. Man kann damit mobil per Fingerabdruck an den Ladenkassen bezahlen. Und wer weiß, welche Apps wir demnächst noch aus dem Handgelenk schütteln werden.
Nun kann man darüber streiten, ob man eine Uhr, die einem bei jeder eingehenden E‑Mail aufs Handgelenk klopft und dazu auch noch den Herzschlag aufzeichnet, wirklich braucht. Im Gegenteil besteht zwischen den beiden Anwendungen womöglich ein unheilvoller Zusammenhang. In den Tech-Blogs wird die übliche Häme über Apple ausgegossen, von wegen wenig innovativ und so weiter, nach dem Motto "das gibt's ja schon bei Samsung". Aber Apple hat mehrfach vorgemacht, wie man Produkte erfolgreich vermarktet, indem man sie eben nicht für informierte Techies, sondern für ahnungslose Anwender konzipiert. Die intuitive Bedienung und natürlich das stilbildende Design haben das 2007 erstmals vorgestellte iPhone rasch zum Lieblings-Gadget der Mode-Profis gemacht. Und die lebten bis dahin in jeder Hinsicht auf einem anderen Planeten als die Nerds.
Die Apple Watch ist ein weiterer Link zwischen Mode und Technik. Wearables gelten seit geraumer Zeit als das nächste große Ding. Bei den Technikern leider mehr als unter Modeleuten. Die nehmen das Thema – mit wenigen Ausnahmen - nicht ernst oder wissen noch nicht so recht etwas damit anzufangen. So sie sich denn überhaupt schon damit beschäftigt haben. Wenn, dann geht es ihnen allenfalls um Publicity. So wurden im Rahmen der New York Fashion Week einige Kollaborationen vorgestellt, etwa von Diesel mit Samsung oder von Tory Burch mit FitBit.
Die Modeleute überlassen es den Techies, diesen Markt zu entwickeln. Im Fall von Google Glass ging das erstmal schief. Die Datenbrillen-Träger mussten sich als "Glasshole" verhöhnen lassen. Im zweiten Anlauf versucht Google nun, die Gestelle modisch zu positionieren. Die Macher haben erkannt, dass für die Akzeptanz von sichtbar getragenen Wearables der soziale Benefit wichtiger ist als der technische Nutzen. Und das ist das Spielfeld, auf dem Apple zweifellos über große Meisterschaft verfügt. Es gibt bessere Smartphones als das iPhone, und auch das iPad ist nicht das weltbeste Tablet. Aber Apples Fummelflundern verströmen den meisten Sexappeal.
Apple hat eben von der Mode gelernt und Prinzipien dieses Geschäfts adaptiert: Es geht um trendige Produkte mit Identifikations- und Distinktionspotenzial. Es geht um eine regelmäßige Erneuerung des Angebotes, die in der Wahrnehmung der Zielgruppe zur Entwertung des Dagewesenen führt. Es geht um selektiven, überwiegend vertikalen Vertrieb über stylische eigene Stores. Man kann sagen: Apple ist – auch – eine Modefirma. Es ist schließlich kein Zufall, dass die Amerikaner in letzter Zeit verstärkt Manager und Spezialisten aus dem Modebusiness mit entsprechendem Know-how und Mindset rekrutieren.
Mit der Watch machen die Amerikaner jetzt den nächsten Schritt. Es geht um modischen Schmuck. Mit dem Zusatznutzen, ein neuartiges Kommunikationsinstrument an die Hand zu bekommen. Es ist eine komplette Kollektion mit diversen Formen und Ausstattungen für die unterschiedlichen Geschmäcker. Die zudem regelmäßig wieder neu aufgelegt und variiert werden wird. Das schafft immer wieder neue Kaufanlässe, potenziell häufiger als beim iPhone. Man hat für gewöhnlich nur ein Smartphone, aber nicht selten mehrere Uhren. Swatch hat es vor 30 Jahren vorgemacht.
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