Passiert large

Regierung reagiert. Ritter privatisiert. Rivetti und Ruffini fusionieren.

Jürgen Müller

Sonntag, 6. Dezember. „Kündigung aus Liebe“ schreibt die Bild-Zeitung über den „rührenden Brief des Zalando-Bosses an sein Team“. Rubin Ritters Abschied nach über zehn Jahren Aufbauarbeit bei dem Berliner Online Retailer schlägt enorme Wellen. Was ja dann doch irgendwie auch bezeichnend ist. Zum einen kommt es nicht so oft vor, dass ein Vorstand, zumal eines DAX-Kandidaten, freiwillig geht. Und die Begründung, er wolle dem Familienleben und seiner berufstätigen Frau – einer Richterin Vorrang einräumen, hört man in diesen Kreisen auch nicht allzu häufig. „Ritter: Der Name ist Programm“, so Bilds Ritterschlag.

Zugleich gibt es auch kritische Stimmen. Einem Manager, der viele Millionen verdient hat, falle so ein Schritt leichter als dem alleinverdienenden Familienvater mit zwei Kindern in einer Dreizimmerwohnung im Wedding. Hier werde ein Mann für etwas gefeiert, das Frauen viel häufiger tun, ohne dass man groß darüber spreche. Die progressive Haltung, die Ritter an den Tag legt, verdeckt nicht zuletzt, dass im Zalando-Vorstand bislang keine Frau sitzt ein geschicktes PR-Manöver also?

Und schließlich kann man wie Hannah Wilhelm in der SZ die Frage stellen, ob wirklicher Fortschritt nicht darin bestünde, wenn einer wie Rubin Ritter nicht seinen Job schmeißen müsste, weil er seine Familie sehen möchte. Sondern wenn er seinen Job so gestalten könnte, dass auch mal Zeit zum Kicken im Park bliebe. Eine schöne Vorstellung. Aber so sind Unternehmen nicht gebaut. Und die meisten Spitzenmanager auch nicht.

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Montag, 7. Dezember. Remo Ruffini und Carlo Rivetti tun sich zusammen: Moncler übernimmt Stone Island. Sieht nach einer perfekten Passung und Win-Win-Liaison für alle Beteiligten aus. Wenn die D2C-Blaupause von Moncler künftig auch für Stone Island gilt, werden die Verlierer womöglich die Wholesale-Partner sein, die mit der Marke zuletzt gute Geschäfte gemacht haben. Tobias Bayer hat das in der TW sehr gut analysiert.

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Der Ikea-Katalog wird nach 70 Jahren eingestellt… Schnell nochmal in eine Filiale fahren, bevor es die auch nicht mehr gibt! Das Ikea-Museum haben die Schweden gleich im Internet eröffnet.

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Dienstag, 8. Dezember. 30% sparen oder full price zahlen und den Regenwald retten? Armedangels hat seinen Kunden am Black Friday die Wahl gelassen. Acht von zehn nahmen lieber den Rabatt mit. Für den Sustainable Fashion-Anbieter dürfte das eine ernüchternde Erfahrung mit der eigenen Zielgruppe gewesen sein.

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Freitag, 11. Dezember. Die Corona-Krise spitzt sich zu. Wir steuern auf einen zweiten, diesmal wirklich harten Lockdown zu. Sachsen machte am Dienstag den Anfang und beschloss, ab kommender Woche das öffentliche Leben weitgehend stillzulegen und damit auch die Läden zu schließen. Die Ministerpräsidenten schwenken auf die von der Kanzlerin am Mittwoch im Bundestag erneut beschworene harte Linie ein. „Es gibt keinen Grund, am 28. Dezember noch einen Pullover zu kaufen“, so der Regierende Bürgermeister von Berlin im Frühstücksfernsehen. Jetzt, wo er die Modemessen hat ziehen lassen, ist Michael Müller das Schicksal der Modebranche offensichtlich ziemlich egal.

Möglicherweise noch vor Weihnachten, mit Sicherheit spätestens nach dem Fest wird der Einzelhandel bundesweit seine Pforten schließen müssen. Eine Katastrophe, denn die Tage zwischen den Jahren werden normalerweise ja nicht nur für den Umtausch genutzt. Die durch die Schließung möglicherweise entstehenden Vorzieheffekte werden dem Umsatz in den nächsten Tagen vielleicht gut tun, aber die Renditen noch mehr in den Keller schicken. Denn die Aussicht auf einen womöglich länger andauernden Verkaufsstopp wird dazu führen, dass die Läger ab sofort mit dem Rotstift durchgeputzt werden. C&A hat schon mal mit 50% angefangen.

Die entscheidende Frage wird nun sein, welche Entschädigung die Regierung den Einzelhändlern bietet, und ob das ausreicht, die Betriebe zu retten. Die Wiedereinsetzung der Insolvenzanzeigepflicht zum Jahreswechsel hängt wie ein Damoklesschwert über der Branche. Die 75 Prozent vom Umsatz wie die Gastronomen hätten viele Modehändler im November schon gerne gehabt. Es läuft nun wohl auf eine Kostenbeteiligung hinaus. Anders als die Wirte könnten die Händler ja dann nach der Wiedereröffnung ihre Ware verkaufen, heißt es. Dann müssten allerdings auch Amazon und Zalando ihre Webshops schließen.