Vor lauter Berlin kam man gar nicht dazu, sich mit all dem zu beschäftigen, was sonst noch so passiert ist in den vergangenen Wochen. Da war Wichtigeres und Unwichtigeres, aber einiges Erwähnenswertes.
Für Schlagzeilen gesorgt hat Eva-Lotta Sjöstedt. Die neue Karstadt-Chefin stellte sich publikumswirksam an die Ladenkassen. Ob vor lauter Reportern überhaupt ein Kunde an sie heran kam? Egal: Bei den Mitarbeitern kam die Geste an. Das allein wird Karstadt aber nicht retten. Derweil zementieren Benko und Berggruen die Dreiteilung des Unternehmens. Sowohl Karstadt Sport als auch die Premium Group bekommen eine neue Führung, Kadewe & Co mit André Maeder sogar einen Fashion Hero.
Oliver Samwer hat sich mal wieder zu den Zukunfts-Chancen des stationären Einzelhandels geäußert: „Stores? I see no value in stores!“ Wenig später gab Zalando die Eröffnung eines stationären Outlets im ehemaligen Kaufhof-Haus in der Leipziger Straße in Frankfurt bekannt. Irgendeinen Wert wird das schon haben.
Die Macht des Internet zeigte sich übrigens mal wieder diese Woche. Weil vor fünf Jahren ein paar Schüler über Facebook den „Tag der Jogginghose“ ausgerufen haben, berichteten nun zahlreiche Medien über diesen Quatsch. Dabei ist, wenn man sich mal auf der Straße umsieht, für nicht wenige Menschen jeden Tag irgendwie Jogginghosen-Tag. Deutlich sexier war dagegen neulich der „No Pants Subway Ride“; da ging es darum, unten ohne U‑Bahn zu fahren. Angeblich schlossen sich Hosenlose in immerhin in 70 Städten auf der ganzen Welt dem Flashmob an.
Doch zurück zum Business: Auch Samwers Geschäftspartner bei Zalando, Karl-Erivan Haub, hat sich in der Weihnachtszeit zu Wort gemeldet: 1,99-T-Shirts bei Kik müssten sein, „weil letztlich viele Menschen darauf angewiesen sind, so preiswert einzukaufen.“ Niedrigere Preise bedeuteten nicht automatisch schlechte Produktionsbedingungen. Das mag sein. In derselben Woche legten Textilarbeiter-Streiks Bangladesch lahm und schoss die Polizei in Kambodscha auf protestierende Näherinnen. Beschämend ist, dass sich die deutsche Öffentlichkeit fast mehr über angebliche Katzenfellbommel an Woll-Mützen aufregten (die sich dann als Marderhund herausstellten). Die armen Tiere!
Jeff Bezos musste wegen Nierensteinen von einer Kreuzfahrt auf den Galapagos-Inseln ins Krankenhaus ausgeflogen werden. Ein Gerücht ist freilich, dass er von einer Amazon-Drohne abgeholt wurde. Der Online Retailer ließ dafür diese Woche eine weitere Rakete steigen: dank „vorausschauender Lieferung“ erhalten wir die Ware künftig, bevor wir sie überhaupt bestellt haben. Amazon wird offensichtlich alles zugetraut. Ausbeutung sowieso. Da ist es gut, dass die zufriedenen Mitarbeiter, die es offensichtlich auch gibt, ihren Unmut über die Verdi-Kampagne kund taten und eine Gegen-Kampagne mit Pro-Amazon-Shirts auf die Beine stellten.
„Marken-Guru“ Klaus Brandmeyer gab der Bild-Zeitung aus diesem Anlass ein pointiertes Interview zum Thema Social Responsibility: „Der Kunde ist ein Egoist. Ihm geht es um seine eigenen Bedürfnisse. (…) Wie und unter welchen Umständen ein Produkt entsteht, ist ihm eigentlich egal. Auf Amazon übertragen heißt das: Wenn die Hotline nicht funktioniert, ist das für diese Marke schlimmer, als wenn die Mitarbeiter wenig verdienen.“
Zur Berlin Fashion Week waren deutsche Designer in den Medien allgegenwärtig: Guido Maria Kretschmers Auftritt in Berlin wurde von der Kritik verrissen. Vor lauter Shopping Queen scheint er kaum mehr Zeit für sein Kerngeschäft zu haben. Zudem steht er mit seinem Buch seit Wochen auf Platz 1 der Spiegel Bestseller-Liste. Wann hat das ein Modebuch jemals geschafft? Oder ist es ein Buch über GMK? Michael Michalsky ist neuerdings Art Director bei McFit; die Muckibudenkette vermarktet ihre Prachtexemplare über eine eigens gegründete Modelagentur. 15 Kerle kamen bei Michalskys Stylenite zum Einsatz. Gottseidank hatte Michalsky die Mädels woanders her. Und auch Thomas Rath hat sich anlässlich Berlin geäußert – zu Düsseldorf, wo er gemeinsam mit anderen Marken Anfang Februar auf der Platform Düsseldorf auftreten wird. Dort findet das Geschäft statt. „Berlin ist mehr und mehr Trash. Höchstens noch ein Nachwuchs-Karussell.“