
Die Zukunft ist längst da. Sie ist nur ungleichmäßig verteilt. An den Spruch des Science Fiction-Autors William Gibson musste denken, wer letzte Woche auf der Pitti Uomo und diese Woche auf der K5 – der selbsternannten Future Retail-Konferenz – war. Das waren nicht viele. Ich war womöglich sogar der Einzige.
Dies zeigt schon die ganze Selbstbezogenheit einer Branche, deren Horizont meist nur bis zur nächsten Saison reicht und die dabei grundsätzliche Marktveränderungen gerne mal ausblendet: im Kaufverhalten, im Vertrieb, in den Geschäftsmodellen. Und so tummelten sich etliche Topentscheider aus dem Modebusiness wie eh und je in den Renaissancekulissen von Florenz, gingen bei der Messe buchstäblich auf Tuchfühlung und berauschten sich abends im Gilli bei Gin Tonic und Aperol Spritz. Und womöglich auch aneinander.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Das hat seine Berechtigung. Aber die K5, dieses wichtigste Stelldichein der deutschen E‑Commerce-Szene im – zugegebenermaßen traurigen – Estrel-Hotel in Berlin-Neukölln, überließ man dann doch lieber den Spezialisten. Und der Konkurrenz, die mit Waffen unterwegs ist, über die man selbst nicht verfügt. Es sind zwei Welten, als bewegte man sich als Anbieter nicht im selben Markt. Zwei Welten, nicht zuletzt auch was das Mindset angeht: Während die einen noch glauben, die Zukunft sei planbar, arbeiten die anderen daran, in den Flow zu kommen und die Wellen zu reiten. Die Erfolgreichen – gerade in der schnelllebigen Modebranche – haben schon immer beides vermocht.
Vielleicht ist es auch ein Stück weit Resignation vor der Übermacht der börsennotierten Milliardenplayer und vor den unheimlichen Chinesen, die ihre Schrottware auf eine Art und Weise verkaufen, die bei einem persönlich nicht verfängt. Aber dafür bei der neuen Konsumenten-Generation.
Es ist ja nicht so, als verdrängten die Onliner allein die traditionellen Stationären. Sie sind selbst ebenso Getriebene.
Dabei gab es bei der K5 Content nicht nur für Tech-Nerds. Ein Fallbeispiel wie Hitschies, ein bald hundert Jahre alter Süßwarenproduzent aus dem Rheinland, der über eine clevere Social Media-Strategie seinen Umsatz in wenigen Jahren auf 60 Millionen Euro fast verdoppeln konnte. Oder Beliani, ein erst 2009 gegründeter Online-Möbelhändler, der mit klassischen kaufmännischen Tugenden sehr solide Wachstumsraten produziert. "Wir geben den Euro erst aus, wenn wir ihn verdient haben", so Mitinhaber Stephan Widmer. Was auch ein Stück weit die Antithese war zu dem auf der K5 immer wieder zu hörenden Speed-Credo. Von wegen "Geschwindigkeit vor Strategie" und "Langsam stirbt zuerst".
Es ist ja nicht so, als verdrängten die Onliner allein die traditionellen Stationären. Sie sind selbst ebenso Getriebene. Nicht nur, weil permanent neue Player auftreten, die es zu Milliardenumsätzen gebracht haben, kaum dass man von ihnen überhaupt Notiz genommen hat. Sondern weil die Technologie derart rasant voranschreitet, dass man selbst als IT-Profi kaum mehr mitkommt. Natürlich bemühen sich alle, KI als neue Chance zu begreifen. Das ist die Künstliche Intelligenz zweifellos für viele, auch etablierte Anbieter, die damit ihre Geschäftsmodelle effizienter gestalten oder gar völlig neu bauen können. Aber KI ist eben auch eine Bedrohung. Selbst für Unternehmen, die zuletzt noch zu den Gewinnern zählten.
So hatte es auch etwas Resignatives, als Johannes Altmann seinen Abschied von der K5-Bühne ankündigte. "Wir haben den Handel zur Tech-Branche gemacht", lamentierte der Berater, der mit seinen Thesen die Veranstaltung über Jahre bereicherte. "Wir müssen zurück zur eigentlichen Wertschöpfung des Verkaufens."