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Zwei Welten

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Jür­gen Mül­ler

Die Zukunft ist längst da. Sie ist nur ungleich­mä­ßig ver­teilt. An den Spruch des Sci­ence Fic­tion-Autors Wil­liam Gib­son muss­te den­ken, wer letz­te Woche auf der Pit­ti Uomo und die­se Woche auf der K5 – der selbst­er­nann­ten Future Retail-Kon­fe­renz – war. Das waren nicht vie­le. Ich war womög­lich sogar der Ein­zi­ge.

Dies zeigt schon die gan­ze Selbst­be­zo­gen­heit einer Bran­che, deren Hori­zont meist nur bis zur nächs­ten Sai­son reicht und die dabei grund­sätz­li­che Markt­ver­än­de­run­gen ger­ne mal aus­blen­det: im Kauf­ver­hal­ten, im Ver­trieb, in den Geschäfts­mo­del­len. Und so tum­mel­ten sich etli­che Top­ent­schei­der aus dem Mode­busi­ness wie eh und je in den Renais­sance­ku­lis­sen von Flo­renz, gin­gen bei der Mes­se buch­stäb­lich auf Tuch­füh­lung und berausch­ten sich abends im Gil­li bei Gin Tonic und Ape­rol Spritz. Und womög­lich auch anein­an­der.

Um nicht falsch ver­stan­den zu wer­den: Das hat sei­ne Berech­ti­gung. Aber die K5, die­ses wich­tigs­te Stell­dich­ein der deut­schen E‑Com­mer­ce-Sze­ne im – zuge­ge­be­ner­ma­ßen trau­ri­gen – Est­rel-Hotel in Ber­lin-Neu­kölln, über­ließ man dann doch lie­ber den Spe­zia­lis­ten. Und der Kon­kur­renz, die mit Waf­fen unter­wegs ist, über die man selbst nicht ver­fügt. Es sind zwei Wel­ten, als beweg­te man sich als Anbie­ter nicht im sel­ben Markt. Zwei Wel­ten, nicht zuletzt auch was das Mind­set angeht: Wäh­rend die einen noch glau­ben, die Zukunft sei plan­bar, arbei­ten die ande­ren dar­an, in den Flow zu kom­men und die Wel­len zu rei­ten. Die Erfolg­rei­chen – gera­de in der schnell­le­bi­gen Mode­bran­che – haben schon immer bei­des ver­mocht.

Viel­leicht ist es auch ein Stück weit Resi­gna­ti­on vor der Über­macht der bör­sen­no­tier­ten Mil­li­ar­den­play­er und vor den unheim­li­chen Chi­ne­sen, die ihre Schrott­wa­re auf eine Art und Wei­se ver­kau­fen, die bei einem per­sön­lich nicht ver­fängt. Aber dafür bei der neu­en Kon­su­men­ten-Gene­ra­ti­on.

Es ist ja nicht so, als verdrängten die Onliner allein die traditionellen Stationären. Sie sind selbst ebenso Getriebene.

Dabei gab es bei der K5 Con­tent nicht nur für Tech-Nerds. Ein Fall­bei­spiel wie Hit­schies, ein bald hun­dert Jah­re alter Süß­wa­ren­pro­du­zent aus dem Rhein­land, der über eine cle­ve­re Social Media-Stra­te­gie sei­nen Umsatz in weni­gen Jah­ren auf 60 Mil­lio­nen Euro fast ver­dop­peln konn­te. Oder Belia­ni, ein erst 2009 gegrün­de­ter Online-Möbel­händ­ler, der mit klas­si­schen kauf­män­ni­schen Tugen­den sehr soli­de Wachs­tums­ra­ten pro­du­ziert. "Wir geben den Euro erst aus, wenn wir ihn ver­dient haben", so Mit­in­ha­ber Ste­phan Wid­mer. Was auch ein Stück weit die Anti­the­se war zu dem auf der K5 immer wie­der zu hören­den Speed-Cre­do. Von wegen "Geschwin­dig­keit vor Stra­te­gie" und "Lang­sam stirbt zuerst".

Es ist ja nicht so, als ver­dräng­ten die Onli­ner allein die tra­di­tio­nel­len Sta­tio­nä­ren. Sie sind selbst eben­so Getrie­be­ne. Nicht nur, weil per­ma­nent neue Play­er auf­tre­ten, die es zu Mil­li­ar­den­um­sät­zen gebracht haben, kaum dass man von ihnen über­haupt Notiz genom­men hat. Son­dern weil die Tech­no­lo­gie der­art rasant vor­an­schrei­tet, dass man selbst als IT-Pro­fi kaum mehr mit­kommt. Natür­lich bemü­hen sich alle, KI als neue Chan­ce zu begrei­fen. Das ist die Künst­li­che Intel­li­genz zwei­fel­los für vie­le, auch eta­blier­te Anbie­ter, die damit ihre Geschäfts­mo­del­le effi­zi­en­ter gestal­ten oder gar völ­lig neu bau­en kön­nen. Aber KI ist eben auch eine Bedro­hung. Selbst für Unter­neh­men, die zuletzt noch zu den Gewin­nern zähl­ten.

So hat­te es auch etwas Resi­gna­ti­ves, als Johan­nes Alt­mann sei­nen Abschied von der K5-Büh­ne ankün­dig­te. "Wir haben den Han­del zur Tech-Bran­che gemacht", lamen­tier­te der Bera­ter, der mit sei­nen The­sen die Ver­an­stal­tung über Jah­re berei­cher­te. "Wir müs­sen zurück zur eigent­li­chen Wert­schöp­fung des Ver­kau­fens."

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