Mit welchem Gefühl fahren wir nach Berlin? Zunächst mal als Verlierer. Ist das nicht furchtbar? Gestern noch Weltmeister, heute entthront von clevereren Gegnern. Wir hatten mit Sicherheit einen weltmeisterlichen Plan und eine von Profis, Experten und Big Data ausgetüftelte Strategie. Aber am Ende zählt bekanntlich auf'm Platz. Und da haben wir es vergeigt. Wir waren zu satt und selbstherrlich. Mentalität, Wille und Einsatz haben gefehlt. Die Rädchen haben nicht so ineinander gegriffen, wie man es gewohnt ist. Von wegen "Best Never Rest" .
Es ist schick geworden, Analogien zur aktuellen Regierungskrise zu ziehen. Die Kanzlerin ist ähnlich lange wie Jogi Löw am Ruder und droht in diesen Tagen ähnlich dramatisch zu scheitern. Wenn man will, kann man aber ebenso Parallelen zu unserem Business sehen. Da sind die ehemaligen Weltmeister Gerry Weber und Esprit, die die Sortimente über Jahre mit breiter Brust dominiert haben und die jetzt einen Absturz sondergleichen hinlegen, mit offenem Ausgang. Da ist ein H&M, gestern noch Benchmark für vertikale Exzellenz, heute ein Überlager-Produzent mit Gewinneinbrüchen. Und da sind viele lokale Player im Handel, die trotz Konzentration und Vertikalisierung an ihren Standorten vielfach immer noch den Markt beherrschen, weil sie es verstanden haben, fehlende Größe im Einkauf durch Kundennähe und Stärke im Verkauf auszugleichen.
Es hat in der letzten Saison die meisten von ihnen erwischt. Die TW meldete per Ende Mai ein Umsatzminus von durchschnittlich 2 Prozent für den stationären Handel, der schwache Juni wird die Bilanz nicht verbessert haben. Dabei sind die konjunkturellen Rahmenbedingungen nach wie vor hervorragend. Es liegen noch keine Daten vor, aber gehen wir mal davon aus, dass sich das Muster der vergangenen Saisons fortgesetzt hat, in denen der Markt insgesamt jedenfalls nicht geschrumpft ist. Das Geschäft haben nur andere – wenige – gemacht, der Umsatz ist gewissermaßen online gegangen. Amazon und Zalando bauen ihre Marktanteile sukzessive aus, buchstäblich ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn Gewinne ausgewiesen werden, soll das in erster Linie die Anleger beruhigen, für die Umsetzung ihrer aggressiven Expansionsstrategie ist das zweitrangig. Entscheidend ist vielmehr, dass die Fantasie aufrechterhalten wird, dass den Digitalen die Zukunft gehört.
Für die große Mehrheit der etablierten Player ist so eine Vorgehensweise keine Option. An den Gegenmitteln wird noch geforscht. Das ist einer der Gründe, weshalb die Stimmung in der Branche mehrheitlich angespannt ist. Was sich in einer anstrengenden Orderrunde widerspiegeln wird. Aber auch das ist nichts Neues. In Berlin wird die Stimmung wie immer gut und die Richtigen da sein. Messen sind Marketing-Events und keine Trauer-Veranstaltungen. Sie mögen insgesamt an Bedeutung verloren haben, aber die halbjährlichen Branchentreffen sind immer noch wichtige Impuls- und Taktgeber für einen Gutteil des Geschäfts. Und eine Gelegenheit, die eigene Ausrichtung zu hinterfragen und sein Angebot anzupassen.
Ansonsten entscheidet sich Erfolg und Misserfolg wie eh und je vor Ort, am POS. Im Unterschied zum Fußball, wo lediglich alle zwei Jahre ein bedeutsames Turnier ansteht, zählt im Handel nämlich jeder Tag, jeder einzelne Moment. Best Never Rest.
Und sonst?
… reden Karstadt und Kaufhof wieder über ein Zusammengehen. Früher oder später wird es womöglich dazu kommen. Ob das die Probleme der Warenhäuser löst?
…rätselt alle Welt über Melanias Jacket. Den besten Beitrag dazu hat Antonia Baum für Zeit Online geschrieben.
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