Freitag, 29. Januar. Die Aufregung um den 460-Millionen-Kredit für Galeria Karstadt Kaufhof ist verständlich. Auf der einen Seite die vielen Tausend kleinen, mittleren und auch größeren Betriebe, die trotz funktionierenden Geschäftsmodells in einer existenziellen Krise stecken und die vom Staat nicht ausreichend unterstützt werden. Auf der anderen Seite der seit drei Jahrzehnten dahin siechende Warenhausriese, der im ersten Lockdown als einer der ersten in die Knie gegangen war und die Insolvenz nutzte, um sich von über 40 Häusern, 4000 Arbeitsplätzen und zwei Milliarden Schulden zu trennen. Wenn das jetzt auch noch als förderungswürdig gilt, sorgt das für Frust und einen weiter ansteigenden Wutpegel beim lauteren Wettbewerb, zumal das Geschäftsmodell der Warenhäuser lange vor Corona vielen als nicht mehr zukunftsfähig galt. „Berlin pumpt viel Geld in eine seit langem sterbende Spezies“, kommentiert die NZZ die Rettungsaktion. "Dieser Millionenkredit landet bei einem Dinosaurier", schreibt Focus Online.
„Der Steuerzahler hat kein Risiko und keinen Nachteil“, entgegnet GKK-CEO Miguel Müllenbach in einem Brief an die Mitarbeiter. Tatsächlich handelt es sich nicht um ein Geschenk des Staates, sondern um einen Kredit, der an Auflagen und Zinszahlungen geknüpft ist. Laut Wirtschaftswoche hat GKK Sicherheiten eingebracht. Wobei der Steuerzahler im Falle eines Falles von Warenbeständen und Markenrechten nicht allzu viel hätte. Aber es sollen ja auch Immobilien dabei sein.
Bleibt die Frage nach der Systemrelevanz von GKK. Der Wegfall des örtlichen Warenhauses könne genau zu dem Tipping Point führen, an dem der Teufelskreis aus schließenden Geschäften, reduzierter Attraktivität, abnehmenden Besucherzahlen und in der Folge weiteren Schließungen von Geschäften und Gastronomie einsetze, so Handelsexperte Thomas Roeb in der Wirtschaftswoche. Am Ende bliebe nur noch eine Mischung aus Billigläden, Fast-Food und Leerstand übrig, „also eine wirtschaftliche Wüste“. Genau genommen sieht es in vielen Kleinstädten freilich heute schon so aus, wie Roeb das befürchtet. Und das trotz Warenhaus.
GKK zu stützen, ist im aktuellen Ausnahmezustand trotzdem alternativlos. Es hängen immer noch 17.000 Mitarbeiter samt Familien an dem Konzern. Von den Lieferanten mal gar nicht zu reden. Und das neue GKK-Management hatte bislang keine Chance, sich zu beweisen. Das ändert nichts daran, dass auch die vielen Beschäftigten im Rest der Branche eine Chance auf Zukunft verdienen. Diese Chance, so sieht es leider aus, kann zurzeit nur der Staat gewährleisten.
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Freitag, 29. Januar. Dr. Martens legt ein fulminantes Börsendebut hin. Wer die Aktie zum Ausgabepreis gekauft hat, hat am Abend schon 15% verdient. Am meisten dürfen sich indes die Verantwortlichen bei Permira die Hände reiben. Dabei war die Übernahme 2014 ein vergleichsweise kleines Geschäft für den Finanzinvestor. 300 Millionen Pfund hat Permira damals für 80% der Anteile auf den Tisch gelegt. Dr. Martens war zu diesem Zeitpunkt gerade mal 160 Millionen Pfund Umsatz schwer. In nur sieben Jahren wurde das Geschäft auf 670 Millionen mehr als vervierfacht, der Börsenwert liegt jetzt bei über 4 Milliarden.
Ähnlich wie seinerzeit bei Hugo Boss gelang dies durch einen massiven Ausbau des Direktgeschäfts. 20% des Umsatz gehen heute bereits über den eigenen Webshop, die Zahl der Läden stieg von 41 auf mehr als 130. In Metzingen hat man nach dem Ausstieg Permiras eine ganze Weile gebraucht, sich von dieser Wachstumsstrategie zu erholen. Begünstigt wurde die Dr. Martens-Erfolgsgeschichte aber auch durch die Mode. Insbesondere die Girls stehen seit vielen Saisons auf die schweren Treter mit der Subkultur-Heritage. Ob Glück oder cleveres Marketing – Permira hat auf jeden Fall auch den Trend perfekt geritten.
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Montag, 1. Februar. „Was wenn es einmal 50% sind?“ Das hat mich vor acht Jahren ein nachdenklicher Unternehmer gefragt, als wir über die Marktanteilsverschiebungen in Richtung Online sprachen. Was mich zu einer siebenteiligen Beitragsserie zum Thema „Online Handeln“ inspirierte. Man konnte im Jahr 2012 erstaunlich viel schon kommen sehen. Jetzt legt das EHI eine KPMG-Studie vor: Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil des Onlinehandels am Modegeschäft auf 50% steigen.
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Mittwoch, 3. Februar. Um 30% ist Amazon im vergangenen Jahr in Deutschland gewachsen. Von 19,9 auf 25,9 Milliarden Euro! Zum Vergleich: Karstadt und Kaufhof machten nach den letzten vorliegenden Zahlen 2017 zusammen etwas über 4,7 Milliarden. Selbst wenn man die AWS- und Werbeerlöse bei Amazon rausrechnet, dürften die Warenhauskonzerne zu ihren besten Zeiten niemals annähernd eine solche Umsatzbedeutung gehabt haben wie Amazon heute.
Die Zahlen gingen fast ein wenig unter vor lauter "Nachrufen" auf Jeff Bezos, der sich in diesem Jahr aus der Geschäftsführung seines Unternehmens zurückzieht. Der beste Beitrag war der von Stefan Schultz im Spiegel, der sich damit beschäftigt, wie Amazon unser Leben verändert hat: Angefangen bei der inzwischen selbstverständlichen On Demand-Kultur über den allgegenwärtigen Bewertungswahnsinn und die Algorithmisierung bis hin zur Gig Economy, die die Prekarisierung der Arbeitswelt zum großen, bunten Vergnügen verklärt. Bezos ist zugleich noch lange nicht am Ende, und auch Amazon ist es nicht. Seine Botschaft an die Mitarbeiter: „Erfindet immer weiter. Verzweifelt nicht, wenn eine Idee erstmal verrückt klingt. Denkt daran abzuschweifen, die Neugier soll Euer Kompass sein. Es bleibt immer Tag eins.“