Jahrelange Verspätungen kennt man eigentlich nur von Berliner Flughäfen oder Münchner Stammstrecken. Es gibt sie auch in der Mode. An diesem Montag ging Phoebe Philo nun endlich an den Markt, eineinhalb Jahre nach dem zunächst fürs Frühjahr 2022 angekündigten Starttermin. Möglicherweise wollte sie zunächst ihre Geburtstagsparty hinter sich bringen. Vergangene Woche, am 25. Oktober, feierte Philo ihren Fünfzigsten.
Doch im Ernst. Die Designerin lieferte, was die Philophiles erhofften: den typischen luxuriösen minimal chic, mit dem Phoebe Philo in den Zehnerjahren Celine zurück auf die Einkaufszettel gebracht hatte. Freilich zu teils horrenden Preisen: Hosen für bis zu 3500 Euro, Mäntel für 12.000 Euro, Taschen für über 6000 Euro. Ein krasser Kontrast zum Preisverhau, der im Multilabelhandel aktuell auch Designer-Brands erfasst hat. Und, was soll man sagen: Der überwiegende Teil der Ware ist nach vier Tagen bereits ausverkauft. Nicht wenigen Sammlerinnen wird es darum gegangen sein, sich ein Stück aus der Debutkollektion sichern.
Das eigentlich Bemerkenswerte an der Premiere sind aber nicht die Mode oder die Preise, sondern ist die Go to market-Strategie. Phoebe Philo setzt als erste bekannte Designermarke zu einhundert Prozent auf den eigenen Webshop. Keine Show, keine Werbung, kein Wholesale, schon gar keine Läden – nix mit Omnichannel. Stattdessen see now, buy now. Wo andere Designerbrands Begehrlichkeit über künstlich erzeugte Schlangen vor der Tür schaffen wollen, heißt es auf phoebephilo.com "nur solange der Vorrat reicht". Und dieser Vorrat ist knapp kalkuliert. Was den Kaufentscheidungsdruck erhöht, gleichzeitig das Bestandsrisiko minimiert und – auch weil auf jegliche Werbung zum Launch verzichtet wurde – zudem die Kosten überschaubar macht. Nicht-Kommunikation ist auch Kommunikation: Die Insider hatten den Termin im Blick und konnten sich umso mehr als Teil einer informierten Gemeinschaft fühlen. Zielgruppengerecht ist der Online-Vertriebskanal sowieso: Die Philophiles sind modisch anspruchsvolle, meist berufstätige Frauen, die ihr selbst verdientes Geld ausgeben, und die, weil ihnen wenig Zeit zum Shoppen bleibt, besonders digitalaffin sind.
Last but not least entzieht sich die eigensinnige Designerin mit ihrem Ansatz der von den Kreativen viel beklagten Branchenmühle von immer neuen Pre‑, Main- und Capsule-Collections, die der Wholesale und der eigene Retail brauchen, um erfolgreich Geschäft zu generieren. Stattdessen kann sie das Sortiment inhaltlich und zeitlich an der Nachfrage ausrichten, die sich im Digitalkanal unmittelbar zeigt.
Dieses Konzept dürfte kommerziell ziemlich sicher funktionieren. Als Blaupause für andere Anbieter taugt es indes nur bedingt. Etablierte Marken müssen Rücksicht nehmen auf bestehende Vertriebsstrukturen und können nicht mal eben so auf online only gehen. Und andere D2C-Startups müssen sich ihre Bekanntheit erstmal teuer bei Google oder über Influencer erkaufen. Phoebe Philo kann dagegen auf eine Fanbase bauen. Ihr Instagram-Account hat 367.000 Follower. Und übrigens null Content.
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Und sonst?
… meldet Hugo Boss Donnerstagfrüh zweistelliges Wachstum bei Umsatz und Gewinn im Quartal und bekräftigt die entsprechende Jahresprognose. Wenige Minuten später kassiert Zalando in einer Meldung seine Umsatzwachstumsprognose für 2023. Vielleicht sollte Daniel Grieder auch in Berlin mal nach dem Rechten sehen.
.. verliert René Benko Geldgeber: Nach Roland Berger zieht nun auch Fressnapf-CEO Torsten Töller eine Verkaufsoption. Carschhaus und Elbtower sind zurzeit nicht die größten Projekte für Signa. Die wichtigste Baustelle ist der Konzern selbst.
… trat Heidi Klum bei ihrer legendären Halloween-Party als gruseliger Pfau auf. Zehn Tänzerinnen bildeten das Pfauenrad. Der Spiegel kalauerte von "Pfauenpower". Bedauernswert nur Tom Kaulitz: Ob als mannsgroßes Pfauen-Ei oder als wundgeschlagener Angler, der einen Wurm ausführt – der Ehemann bleibt Heidis Accessoire.