Was ist nur aus dem Sommerloch geworden? Natürlich zeigten die Medien die üblichen Urlaubsfotos von Prominenten, im Vorfeld der Wahl insbesondere von Politikern, und nicht selten ging es dabei um Modefragen. Da war die Kanzlerin beim Wandern in 7/8 Outdoor-Hosen. Halt so wie die meisten Leute, die sie wählen sollen. In Bayreuth trug sie ein Kleid, das sie vor Jahren schon einmal anhatte, und das nicht das erste Mal. Ganz die schwäbische Hausfrau, die sie landsmannschaftlich nicht einmal ist. Sigmar Gabriel zeigte sich beim Afrika-Besuch im neokolonialistischen Khaki-Outfit, während seine lokalen Gesprächspartner sich bei 35 Grad protokollgerecht in Anzug und Krawatte zwängten. Sarah Wagenknecht ließ sich vom "Spiegel" in Radlerhosen und Fahrradhelm ablichten, was immer noch besser aussah als der übliche olle Rosa Luxemburg-Look der Linken-Spitzenkandidatin. Gregor Gysi trauerte in einem Interview der FKK-Kultur der DDR nach. Wir dagegen sind eigentlich ganz froh, Leute wie ihn nicht mehr sehen zu müssen, wie Gott sie schuf.
Das Bild zur Bundestagswahl hat freilich jetzt schon Christian Lindner geliefert, im Unterhemd mit Handy auf dem Sofa. Der FDP-Vorsitzende machte zudem als Thermomix-Propagandist von sich reden. Höchstwahrscheinlich unabsichtliche Lobbyarbeit, die – social media sei Dank – auch noch Stimmen bringen dürfte. Und tausendmal eleganter, als 18 auf die Schuhsohlen zu pinseln. Wie ungeschickt dagegen die Kommunikation des jüngsten Engagements von Christian Wulff, der als Prokurist bei einem türkischen Modefilialisten angeheuert hat, dessen Name sich auch nach mehreren Zeitungsartikeln keiner merken kann. Trotzdem: Willkommen in unserer Branche, Herr Bundespräsident!
Ansonsten war von Sommerloch nicht viel zu spüren. Dafür sorgten neben Trumps Entgleisungen der Abgasskandal und die Air Berlin-Pleite. Im Poker um die insolvente Airline hatte zwischenzeitlich Hans Rudolf Wöhrl am Tisch Platz genommen. Und auch die Autokrise sollte uns interessieren, und das nicht nur, weil der vor Monaten bestellte Cayenne nun vorerst nicht ausgeliefert wird. Binnenkonjunktur und Konsumklima hängen nicht unmaßgeblich an den Arbeitsplätzen dieser deutschen Schlüsselindustrie. Fahrverbote können ebenso wenig im Interesse des innerstädtischen Einzelhandels sein. Im übrigen zeigt sich in der Autokrise dasselbe hybride Konsumverhalten, das auch die Modeindustrie zu Nachhaltigkeitskapriolen zwingt. Man empört sich über die unsauberen Praktiken der Anbieter und will doch auf das billige T‑Shirt und den PS-starken SUV nicht verzichten, mit dem man dann bei Alnatura vorfährt.
Oder auch bei Lidl, wenn dort demnächst die neue Heidi Klum-Kollektion auf die Fläche kommt. Die wird im September auf der New York Fashion Week gezeigt. Nach dem Pop up-Store am Neuen Wall der nächste, noch viel größere Scoop des Lebensmitteldiscounters. Man hat den Eindruck, als ginge es den Neckarsulmern vor allem darum, den aufgeblasenen Modeleuten zu zeigen, wo der Hammer hängt. Heidi ließ sich derweil beim Turteln mit Michael Michalsky am Strand von St. Barth ablichten. Die nächste GNTM-Staffel droht.
Bei Sichtung der Fachmedien war ansonsten vor allem Krisenberichterstattung. Allen voran über Kaufhof, der seit der Herabstufung durch Kreditversicherer nicht mehr zur Ruhe kommt. Eine finanzielle Schieflage wird in Köln und Kanada regelmäßig dementiert. Die Abberufung von HBCs President International und Kaufhof-Aufsichtsratschef Don Watros spricht eine andere Sprache. Jetzt wird schon wieder über eine Deutsche Warenhaus AG spekuliert, den ewigen Wiedergänger der Warenhaus-Publizistik.
Endgültig Schluss ist bei Basler. Irritierend ist dabei, dass so viele Einzelhändler der Marke nachweinen. Das Schicksal der Goldbacher lag schließlich auch in deren Händen. Die einstige Ertragsperle ist ein Musterbeispiel für den Niedergang vieler deutscher Modemarken: von einem starken Macher groß gemacht, von der Marktentwicklung überrollt und mit den Kunden alt geworden, von Finanzinvestoren heruntergewirtschaftet und am Ende entbeint.
Überraschend sind die öffentlich gewordenen Minus-Ergebnisse von Chanel. Von Krise zu sprechen, wäre verfehlt. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass Familie Wertheimer jetzt noch intensiver über die Zukunft nach Karl Lagerfeld nachdenkt.
Dass auch im Fast Fashion-Segment nicht alles Gold ist was glänzt, zeigt das Beispiel Mango. Nach seiner Repositionierung ist der spanische Modefilialist in die roten Zahlen gerutscht. Ganz anders dagegen die Kollegen von Inditex, die von Rekord zu Rekord eilen. Die Vergleiche mit H&M, die die TW angestellt hat, mögen plakativ sein. Sie führen dennoch in die Irre. Denn nur weil die Spanier bessere Kennzahlen liefern, sind die Schweden als Player am Markt nicht weniger ernstzunehmen. Zumal in der Stockholmer Format-Fabrik regelmäßig neue, innovative Filialkonzepte an den Start gebracht werden, wie das gerade dieser Tage in London gelaunchte Arket. Dass H&M‑CEO Karl Johan Persson mit 1,4 Millionen im TW-Vergleich gegenüber Inditex-CEO Pablo Isla mit seinem mehr als achtfachen Jahresgehalt wie ein armer Schlucker aussieht, dürfte den Gründerenkel ohnehin kalt lassen. Familie Persson hat sich allein für 2016 eine Dividende von über 680 Millionen Euro ausbezahlt.