Die meisten, die kommende Woche die Reise nach Berlin antreten, wissen gar nicht, wie gut es ihnen gehen sollte. Die Medien verwirrten zum Jahreswechsel mit diversen Meldungen zu Konsum und Konjunkturentwicklung. Während der TW-Testclub für den Textileinzelhandel ein klares 2 Pozent-Minus in 2017 ausweist, spricht der Handelsverband unter Bezug auf Daten des Statistischen Bundesamtes von einem überdurchschnittlichen Umsatzzuwachs mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren von 4,1 Prozent per Ende November. Weit besser als die Kollegen aus der Möbel- (+2,1%) oder Beauty-Branche (+1,2%) und auch mehr als das 3 Prozent-Plus, das der HDE zuletzt als Prognose für 2017 ausgerufen hatte. Und während eine GfK-Studie den Modekunden für das neue Jahr eine rückläufige Kaufneigung attestiert, spricht der HDE davon, dass Kauflaune auch 2018 anhalte.
Ist die Lage im deutschen Modebusiness womöglich wirklich besser als die Stimmung? Es kommt wahrscheinlich darauf an, wen man fragt. Der Umsatz fließt, wie es aussieht, in andere Kanäle. Es sind die anderen, die das Geschäft machen. Es sind wenige. Die krassen Unterschiede sind Ausdruck des gewaltigen Strukturwandels der Branche. Die Marktanteile verschieben sich in nie dagewesenem Tempo. Manches Online-Startup mit zweifelhaftem Geschäftsmodell schafft im ersten Monat nach der Gründung einen Umsatz, den so manche etablierte Boutique im Jahr nicht erzielt. Amazon – wen wundert‘s – vermeldete erneut ein Rekord-Weihnachtsgeschäft. Der wellenschlagende Nebensatz von Deutschland-Chef Ralf Kleber in einem Interview im Dezember, es sei nicht die Frage ob, sondern wann Amazon in Deutschland Läden eröffne, mag der eine oder andere als Bestätigung verstanden haben, dass dem stationären Handel eben doch die Zukunft gehöre. Die Witzbolde von der Heute Show posteten dazu das passende Meme: „Amazon will Läden in Deutschland eröffnen – genug leer stehende Geschäfte gibt es wegen denen ja.“
Am Ende sind Umsatzentwicklung und Marktanteile nicht die alleinige Messgröße. Die entscheidende Herausforderung ist, in Zeiten des brutalen Preisverhaus noch auskömmliche Gewinne zu erzielen, die zudem Investitionen ermöglichen. Das gilt für alle Marktteilnehmer. Im Verdrängungswettbewerb ist nicht zuletzt Kapitalkraft ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Da dürfte es für manchen Mittelständler bitter sein, wenn die Konkurrenz mit milliardenschweren Finanzinvestoren oder Börsenkapital im Rücken antritt, während man selbst die sauer verdienten Rücklagen angreifen muss.
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Aber auch die Börse schützt nicht vor Ungemach, wie man am Beispiel H&M aktuell sehen kann. Der Konzern verlor im vergangenen Jahr ein Drittel seines Werts. Für das dritte Quartal mussten die Schweden erstmals ein Umsatzminus melden. Die angekündigte Schließung von Stores – an sich Tagesgeschäft in jedem Filialsystem – veranlasste so manche Tageszeitung schon zu Nachrufen. Mit dem Announcement des neuen Influencer-Formats Nyden versuchten die Stockholmer Öffentlichkeitsarbeiter den Negativtrend erstmal vergessen zu machen. Das rassistische Monkey-Motiv beförderte den Goodwill diese Woche dann aber wieder in den Keller. Zu allem Überfluss machte dann auch noch die Scheidung eines der H&M‑Erben Schlagzeilen.. Nein, es läuft zurzeit wirklich nicht rund für H&M.
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Und sonst?
…hat der Rückzug von Naketano aller Welt Rätsel aufgegeben. Und der Marke Schlagzeilen wie noch nie beschwert. Vielleicht war das ganze auch nur ein Scherz? So wie die Namen der Naketano-Modelle: „Der sportive Schwanz“, „Monsterbumserin“, „Gezielt poppen“, „Herr Schlapp vom Schwanz“, „Diese Motzfotz“, „Gnadenlos durchgerattert“ – als infantiles Gemüt mag man die Aufzählung gar nicht abbrechen. Das war bestimmt eine lustige Order.
…hat Germany's Next Top Model Barbara Meier bei den Golden Globes ein Blümchenkleid getragen. Während die Hollywoodstars allesamt in Schwarz aufliefen, um ein Zeichen gegen Sexismus zu setzen. Natürlich sollte das Meier zufolge ein Statement für Selbstbestimmung sein. Und so hat sie auf dem roten Teppich wenigstens einer fotografiert.
…tun sich Intersport und Karstadt Sport zusammen. Das ist schon bemerkenswert. Die Verbundgruppe, die von Mittelständlern mal zum Nachteilsausgleich gegenüber den Konzernen gegründet wurde, nimmt ebenjene Konkurrenz in die eigenen Reihen auf. Der „Feind“ steht heute, wie es aussieht, woanders: In den Monolabelstores der Sportmarken und im Internet.
…dividieren sich Kering und Puma auseinander. Über Pinaults Investmentfirma Artemis bleiben die Herzogenauracher zu einem guten Teil in der Familie. Derweil liefert sich der Sportartikler einen PR-trächtigen Markenrechtsstreit mit Philipp Plein, dessen Tiger-Logo tatsächlich schwer an einen Puma erinnert. Plein kontert cool mit einem Verschrottungsangebot („Don‘t be a Puma. Be a Tiger.“): Für jeden, der seine Puma-Sachen einschickt, gibt es Plein Sport zum halben Preis.