Nach dem gigantischen Kursrutsch, der Meta 240 Milliarden Börsenwert kostete, legte Amazon vergangene Woche um mehr als 13 Prozent oder 184 Milliarden Dollar zu. Es wirkt so, als hätten die Anleger reihenweise Facebook-Aktien verkauft, um das Geld in Amazon zu investieren. Ganz so wird es nicht gewesen sein. Die Kursausschläge sind aber wohl ein Indiz dafür, dass die Investoren Mark Zuckerbergs Metaverse-Visionen weniger vertrauen als den handfesten Resultaten und Perspektiven, die Jeff Bezos und Andy Jassy offerieren.
Der Konzern wuchs 2021 erneut um satte 22 Prozent auf sagenhafte 469,8 Milliarden Dollar, unter dem Strich bleibt ein um mehr als die Hälfte gestiegener Nettogewinn von 33,4 Milliarden. Der Konzern ist operativ in allen Sparten gewachsen. Sogar im stationären Geschäft, wo der Online-Gigant inzwischen mehr als 17 Milliarden Dollar erwirtschaftet, gelang ein Plus von 5 Prozent. Amazon betrieb Ende 2021 insgesamt 679 Läden, über 500 davon sind Whole Foods-Märkte, auf die natürlich der Löwenanteil des Umsatzes entfällt. Dazu kommt eine wachsende Zahl von Amazon Books‑, Amazon 4Star- und Amazon Go-Convenient Stores. Demnächst eröffnet mit Amazon Style in L.A. das erste stationäre Bekleidungsgeschäft.
Soll man sich als Ladenbetreiber nun freuen, dass ein Online Player offenbar Chancen im stationären Geschäft sieht? Amazon ist da ja nicht der Einzige. In Deutschland fallen einem spontan Mister Spex und My Muesli ein. Erst kürzlich hat Home24 die Butlers-Filialen übernommen. Die große Frage ist, ob die Digital Natives erfolgreichere Läden machen werden als die Brick & Mortar-Händler Webshops zu betreiben vermögen. Hier kann man schon mal sehen, wie Amazon das Omnichannel-Thema angeht:
Wer in der spektakulären Amazon-Bilanz unbedingt einen Haken sucht, der könnte beim internationalen Geschäft hängen bleiben. Trotz eines Umsatzsprungs um mehr als 23 Milliarden Dollar, den der Konzern außerhalb der USA hingelegt hat, ist es gelungen, einen 717 Millionen-Gewinn aus 2020 in einen 924 Millionen-Verlust für 2021 zu verwandeln. In Deutschland setzt Amazon inzwischen übrigens 37,3 Milliarden Dollar (31,6 Mrd. Euro) um, das sind rund 6 Milliarden Euro mehr als 2020. Zum Vergleich: Die Otto Group wird 2021/22 (28.2.) in Deutschland knapp 7,6 Milliarden online umsetzen. Und Zalando wird 2021 international zwischen 2 und 2,5 Milliarden Euro zugelegt haben.
Aus Sicht der Regierungen und der Mitbewerber nach wie vor ein Ärgernis sind die Steuerpraktiken: Für Ertragssteuern hat Amazon lediglich 12 Prozent seiner Gewinne zurückgestellt. Zum Vergleich: Bei DAX-Konzernen liegt die Steuerquote bei durchschnittlich rund 25%.
Wie geht es weiter?
Amazon hat die Erwartungen für das laufende Quartal gedämpft. Das Wachstum soll lediglich zwischen 6 und 8 Prozent betragen, der Gewinn sogar schrumpfen. Insbesondere darf man gespannt sein, wie sich der eigene Onlinehandel entwickelt. Das 1 Prozent-Minus, das Amazon für das vierte Quartal hier bereits ausweist, kann man als Hinweis auf nachlassende Wachstumsdynamik werten. Für die Mitbewerber bedeutet das trotzdem keine Entwarnung, im Gegenteil. Denn gleichzeitig zeigt der Wert an, dass die Umsätze auch nach der historischen Corona-Ausnahmesituation auf hohem Niveau bleiben. Die Kunden haben in der Pandemie Amazon genutzt, und sie tun es weiterhin im selben Umfang. Hinzu kommt: Der Online Retail mag nach wie vor das Kerngeschäft sein, aber strategisch forciert Amazon das profitablere Plattformbusiness. Dieses hat sich in nur zwei Jahren auf 103,4 Milliarden Dollar fast verdoppelt.
Der vielbeschworene „Peak Amazon“ ist jedenfalls nicht in Sicht.