…das 9/11 der Textilindustrie. Die größte Industriekatastrophe in der Geschichte des Landes. Ein Fanal für die globale Bekleidungsproduktion. 1127 Menschen verloren beim Einsturz des Rana Plaza ihr Leben, 2438 wurden zum Teil schwer verletzt. Das Unglück in Dhaka brachte ans Licht, worüber wir uns keine Gedanken machen sollen – wo die Ware herkommt, die wir kaufen, und unter welchen Bedingungen sie entsteht.
Die grauenhaften Bilder aus Bangladesch beschädigten die teuer aufgebauten Lifestyle-Images der Marken und ließen die Konsum-ohne-Reue-Illusionen der Billigheimer zerplatzen. Sie schadeten nicht nur den Unternehmen, deren Ware unter den Trümmern gefunden wurde. Sondern sie begründeten einen Generalverdacht: Mode ist ein dreckiges Geschäft, bei dem skrupellose Profitgeier buchstäblich über Leichen gehen. Dieser Verdacht trifft die gesamte Branche. Rana Plaza ist dafür nur ein besonders drastischer Beleg. Unhaltbare Zustände finden sich auch in ostdeutschen Logistikzentren, wie die Sklavando-Reportage neulich bei RTL gezeigt hat. Solche Skandalberichte, ob begründet oder nicht, schaden nicht nur Zalando.
Dem Generalverdacht entgeht man nicht durch Schuldzuweisungen, Erklärungen und Ausflüchte (Die ausbeuterischen Fabrikbesitzer! Das intransparente Subcontracting! Die korrupten Regierungen! Die quotengeilen Medien! Die schizophrenen Kunden! Der gnadenlose Wettbewerb!). Sondern indem man selbst Verantwortung übernimmt und alles dafür tut, dass die Standards eingehalten werden, die die Kunden als ausreichend ansehen. Dass der Teufel dabei im Detail steckt und über Standards trefflich gestritten werden kann, ist klar. Das zeigt die Diskussion um die Gütesiegel, wie sie der Entwicklungshilfeminister – wie hieß er doch gleich? – unlängst mal wieder vom Zaun gebrochen hat. Und auch eine Clean Clothes Campaign wird immer etwas auszusetzen haben.
Aber wer sich in Sachen Nachhaltigkeit glaubwürdig engagiert, dem eröffnen sich Profilierungschancen. Diese können ebenso einen Wettbewerbsvorteil bringen wie der letzte im Sourcing eingesparte Cent. Sind erst einmal Entschädigungszahlungen fällig, ist es allerdings zu spät; CSR ist dann nur noch ein Teilaspekt von Risikomanagement.
Die Otto Group hat dieser Tage verkündet, ihr Nachhaltigkeitsmanagement auf neue Füße stellen zu wollen. Soziale und ökologische Auswirkungen sollen künftig ganzheitlicher entlang des gesamten Lebenszyklus von Produkten betrachtet werden, um auf diese Weise effizienter mit Maßnahmen ansetzen zu können. Das klingt so komplex wie es wahrscheinlich ist. Aber es untermauert die Ernsthaftigkeit, mit der man sich in Hamburg mit diesen Fragen beschäftigt. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung wird kein Zufall gewesen sein.
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