Karl-Heinz Müller hält’s mit Konrad Adenauer: Was interessiert ihn sein Geschwätz von gestern? Vor einem Dreivierteljahr erst hatte Müller sich aus dem Online-Business verabschiedet und seinen 14oz-Webshop dichtgemacht. Wegen der vielen Idioten, die die Ware nur angrabschen, aber nicht kaufen wollten, so seine erfrischende Erklärung. Die Idioten gibt es immer noch, aber es sind halt viele, und es werden immer mehr. Und so ließ sich der Digital Ignorant überzeugen, seinen Online-Laden wieder zu eröffnen. Voraussichtlich ab September ist es soweit. Bei dem einzigartigen Markenportfolio von 14oz ist das ein vielversprechendes Projekt.
Müllers zweite Volte in dieser Woche war die Einlasserlaubnis für Bestseller. Auf 6000 m² werden die Dänen im Sommer der größte Mieter auf der Bread & Butter sein. Täusche ich mich, oder hat die Bread & Butter ihren Claim geändert: Von „tradeshow for selected brands“ zu „tradeshow for successful brands“? Für Müllers Kritiker ist es jedenfalls der Sündenfall – Bestseller verkörpert so ziemlich das Gegenteil des selektiven Anspruchs, der die Bread & Butter groß gemacht hat: Ein Anbieter von kommerzieller Massenware, dessen Mission schon im Firmennamen zum Ausdruck kommt. Ein Kopist, der mit wenigstens einer seiner elf Marken in so ziemlich jedem Modehaus in Deutschland vertreten sein dürfte. Ein Vertikaler, der mit 3000 Läden mehr Stores betreibt als H&M, die 6000 Filialen in China gar nicht mitgerechnet. Nach dem Rauswurf von über 100 Labels zur Winterveranstaltung, der Müller viel Ärger bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen eingebracht hat, scheint das Ticket für Bestseller zumindest erklärungsbedürftig.
Ist es nicht. Die Flächenvergabe bei der Bread & Butter erfolgte noch nie nach wirklich objektiven Kriterien (wahrscheinlich gibt es die auch gar nicht), sondern letztlich nach des Gründers Gusto. Im Zweifel entscheidet Müllers Bauch. Die Messe ist gut damit gefahren. Das ist wie in einem guten Club, wo der Picker durch die Auswahl der richtigen Gäste am Eingang über den Ausgang der Party entscheidet. Da hilft es nur in Ausnahmefällen, mit dem Geldschein zu wedeln. Bestseller ist vielleicht nicht der Extravaganteste, aber unter denen, die in Tempelhof Schlange stehen, bestimmt nicht der Langweiligste. Jeder, der mal in Brande war und dieses erfolgreiche, junge und extrem internationale Unternehmen ein wenig besser kennt, weiß, was gemeint ist. Dass die Dänen Müller vermutlich einen Haufen Geld bezahlen, um sich im Glanz von G‑Star & Co zu sonnen, ist ihm nicht vorzuwerfen. Die Bread & Butter funktioniert nur, wenn sie Gewinn macht. In Authentizität zu sterben, ist keine Option.
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In dieser Woche sorgt die Katastrophe in Bangladesch für anhaltende Aufregung. Über 1000 Tote wurden inzwischen gezählt. Immer mehr Markenware wird aus den Trümmern des eingestürzten Fabrikgebäudes gezogen. "Kik stellt Suche nach unbeschädigten Kleidungsstücken ein", ätzt der Postillon. Kik-Geschäftsführer Michael Arretz sah sich auf dem Kirchentag in Hamburg einem empörten Publikum gegenüber; der Marathonläufer wurde von einem TV-Team auf der Flucht gefilmt. Adidas will nun Missstände in Fabriken mit einem SMS-System für Mitarbeiter aufklären. Das ist ja gut gemeint, aber können die sich das bei ihrem kargen Gehalt denn leisten?
Allzu viel Hoffnung, dass sich in Bangladesch auf die Schnelle etwas ändert, sollte man jedenfalls nicht haben. "Je mehr Geld Menschen ausgeben, desto mehr Gedanken machen sie sich", ließ sich der Marketingexperte Klaus-Dieter Koch in der SZ vernehmen. Aber die Zielgruppe von Discountern wie Kik sei für solche Schlagzeilen eher unempfindlich. "Die Menschen, die bei Kik eingekauft haben, werden das weiterhin tun – egal was berichtet wird. In der Konsequenz heißt das leider auch, dass sich überhaupt nichts ändern wird."
Eine ernüchternde Analyse der Textilexportentwicklung Bangladeschs hat auch Oliver Schlömann im Blog Retail-Intrapreneur angestellt: Danach sind Europäer und Amerikaner zwar nach wie vor die größten Abnehmer, aber am schnellsten wachsen die Exporte in die BRIC-Länder. Ob ein indischer Abnehmer auf Social Compliance-Audits und Zertifizierungen oder über Mindestlohn liegende Löhne Wert legt, dürfe stark bezweifelt werden, so Schlömann. „Aus Sicht eines chinesischen Produzenten macht es doch Sinn, die eigene Kapazität zu höheren Preisen in den Export zu geben und den Inlandsbedarf aus Märkten wie Bangladesch zu beziehen.“ Die Manchester-Kapitalisten aus Dhaka werden also noch lange Abnehmer für ihre Blut-Klamotten finden.
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Und sonst? Erlöste Permira 630 Millionen beim Verkauf einer weiteren Hugo Boss-Tranche. Übernahm Footlocker die 200 Runners Point-Filialen. Verschickte Esprit erneut eine Verlustwarnung. Und hat H&M den Ratingern Giselle Bündchen ausgespannt. Was insofern naheliegend ist, als dass nicht wenige Kundinnen die Esprit-Plakate letztes Jahr ohnehin bereits für H&M‑Werbung gehalten haben.
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