Einen Laden zu eröffnen, hat mit Einzelhandel so viel zu tun wie die Hochzeit mit der Ehe. Das ist an sich keine neue Erkenntnis. Und doch unterschätzen viele, worauf sie sich einlassen, wenn sie sich auf diese Reise begeben. Man braucht Geduld. Und Geld. Am Ende ist eine Scheidung manchmal trotzdem unausweichlich.
Diese Erfahrung machen gerade eine ganze Reihe großer Player in unserem Markt. Gerry Weber, Hugo Boss, Tom Tailor, S.Oliver, Esprit – alle sind sie zurzeit dabei, ihre Ladennetze zu bereinigen. Der jüngste Fall ist Adidas: Der ambitionierte Aufbau eines Fast Fashion-Formats ist gescheitert, alle 16 europäischen Neo-Stores werden geschlossen.
Sind die Retail-Träume der Industrie damit geplatzt? Es waren bekanntlich große Träume. Da war die Überzeugung, dass echte Marken einen Platz in der Fußgängerzone brauchen. Da war die Erkenntnis, dass die vertikale Konkurrenz dem klassischen Wholesale-Business die Grundlage entzieht und die Antwort darauf nur in der eigenen Vertikalisierung liegen kann. Und da waren die Wachstumsphantasien von Analysten und Finanzinvestoren, die bedient werden mussten.
Der Fachhandel hat das Treiben seiner Lieferanten anfangs bekämpft. Schließlich war er es, der die Marken bei den Kunden aufgebaut hat. Zum Dank machten sie ihm nun in der Nachbarschaft Konkurrenz. Die teure Store-Expansion wurde aus den Erträgen des Wholesales finanziert. Überspitzt gesagt subventionierte der Handel damit die eigene Konkurrenz – das ist ungefähr so, als zahle er monatlich in einen Hilfsfonds für notleidende Vertikale ein. Bei vielen Brands sind es bis heute einzig die Outlets, die Geld verdienen. Über den Preis verkaufen, das funktioniert halt immer. Letztlich werden damit teuer aufgebaute Images billig ausgeschlachtet.
Deswegen nehmen Einzelhändler die Retail-Probleme ihrer Lieferanten nicht ohne Genugtuung und manchmal mit Häme zur Kenntnis. Das ist unangebracht. Nicht nur die Direktvertriebsaktivitäten der Industrie haben einen Dämpfer bekommen. Auch etliche Retailer hat der Umsatzeinbruch der vergangenen Monate in Schieflage gebracht: Zero (über 120 Filialen) ist insolvent, Caro (45 Stores) in Emsdetten pleite, Charlys Modetreff (31 Läden) in Fuldabrück ebenso. Bei Bonprix läuft ein Schließungsprogramm. Promod hat angekündigt, international 180 Läden dichtmachen zu wollen. Lokale Schuhfilialisten wie Mengin in Erlangen (12 Läden) und Raab in München (15 Filialen) mussten den Gang zum Amtsgericht antreten.
Vielleicht erzwingt der Markt zurzeit ganz einfach eine Konsolidierung. Verkaufsflächen werden deshalb kaum verschwinden, schon gar nicht in den attraktiven City-Lagen. Expansive internationale Retailer wie TK Maxx, Calzedonia und Weekday oder auch etablierte Player wie Deichmann, H&M und die Inditex-Gruppe werden viele Standorte übernehmen. Die Konzentration wird zunehmen. Zugleich geht die Vertikalisierung weiter. Dass Hugo Boss & Co ihren Direktvertrieb einstellen werden, ist aus den oben genannten Gründen nicht zu erwarten. Aber ihre künftige Filialexpansion wird nach der Bereinigung vielleicht überlegter und selektiver werden.
Zugang zu den Endverbrauchern gibt es heute im übrigen nicht nur über Läden. Die zweite Stufe der Vertikalisierung zündet im Internet. Esprit macht aktuell bereits mehr als ein Drittel seines Einzelhandelsgeschäfts online – das werden im laufenden Geschäftsjahr rund 400 Millionen Euro sein.
Und sonst?
…hebt Wolfgang Grupp jetzt ab. Nicht nur, dass er seine Trigema-„Testläden“ am liebsten mit dem Helikopter besucht. Jetzt lässt er auch noch ein 40 Meter großes Luftschiff anfertigen. Das soll in erster Linie den Affen ersetzen: „Wenn sie beim Fußballspiel Bannerwerbung machen wollen, wäre das eine teure Sache. Aber die Luft darüber ist eben da und ein Start unseres Luftschiffs ist dann für etwa 2000 Euro zu realisieren“, erklärte Grupp dem Schwarzwälder Boten.
…erlebt auch DHL Höhenflüge. Ganz faktisch und im übertragenen Sinne. Zuerst avancierte das gelbe Kurierfahrer-Shirt mit dem roten DHL-Logo zum It-Piece, nachdem Vetement es in seiner Frühjahr/Sommer-Kollektion gezeigt hatte. Die Vorlage gibt‘s im DHL-Onlineshop für 6,50 Dollar, Fashion Victims kaufen natürlich das Original für 245 Euro. Diese Woche hat DHL nun einen dreimonatigen Pilotversuch zur Paketauslieferung mit Drohnen erfolgreich abgeschlossen. Und zeigt damit Amazon eine lange Nase. Die Amerikaner reagierten denn auch prompt und versandten über dpa ein Update zu ihrer geplanten Fluglogistik: Forscher in Graz sollen den Drohnen jetzt das Sehen beibringen.
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