Eine interessante Zusammenstellung findet sich in der aktuellen TW: Die Online-Umsatzanteile der Modemarken. Diese bewegen sich zwischen 3 Prozent bei Hugo Boss und 25 Prozent bei Esprit. Hier sind die Ratinger immer noch Spitze. Die Global Player H&M und Inditex liegen mit 12.5 bzw. 10 Prozent noch unter dem Marktanteil, den das Online Business insgesamt am Bekleidungsmarkt mittlerweile hat. Der liegt wohl irgendwo zwischen 20 und 25 Prozent.
Bislang hielten sich die meisten Unternehmen mit derlei Informationen zurück. Weil das Onlinegeschäft vielfach noch in den Anfängen steckte und mehr Kostenträger als Umsatzbringer war. Und weil mit den zusätzlichen Einnahmen die wegbrechenden Flächenproduktivitäten in den Läden bemäntelt werden mussten.
Dass nun insbesondere börsennotierte Unternehmen ihre Online-Anteile publizieren, ist nicht nur dem Anlegerinteresse geschuldet, sondern insbesondere eine Imagefrage. Am Kapitalmarkt müssen sich alle Player an den Wachstumsraten von Amazon und Zalando messen lassen, im Internet passiert der Handel der Zukunft, und Marken, die da nicht sind, haben keine, so die Erwartung, die ein auf externes Kapital angewiesenes Management heute bedienen muss. Nur unabhängige Unternehmer wie Fritz Knapp (New Yorker) können es sich noch leisten, die allgemeine Omnichannel-Euphorie zu ignorieren.
Fakt ist: Mit der Zahl der Vertriebskanäle wächst nicht zwangsläufig der Umsatz. Aber in jedem Fall steigen mit der zusätzlichen Komplexität die Kosten. Hinzu kommt: Eine Marke muss in jedem Kanal zu jeder Zeit eine überzeugende Leistung bringen. Das ist stationär schon schwer genug. Und Online ist Amazon die Benchmark. Da kann man wie Fritz Knapp schon mal zum nüchternen Schluss kommen, dass man als Schuster am besten bei seinem Leisten bleibt.
Auf der anderen Seite ist es tatsächlich so, dass man auch die Chancen sehen muss, die im Multichannelvertrieb potenziell stecken. Dass ein Online Pure Player wie Alibaba in den vergangenen beiden Jahren 8 Milliarden Dollar in Brick and Mortar-Geschäfte gesteckt hat, zeigt, dass man auch in der neuen Welt an Omnichannel-Vertrieb glaubt. Auch Amazon mit Whole Foods und Zalando mit Kickz haben stationäre Spielfelder eröffnet. Start-ups wie MyMuesli oder Mr. Spex mussten gar realisieren, dass ihre Geschäftsmodelle online only nicht zünden.
Grundsätzlich haben die etablierten Stationären einen Vorsprung gegenüber den Angreifern aus dem Internet. Vorausgesetzt, es gelingt ihnen, ihre bestehenden Kundenbeziehungen mittels neuer Technologien zu vertiefen und auszuweiten. “Multichannel-Unternehmen können ihre Marketingeffizienz gegenüber Monokanal-Spielern deutlich erhöhen”, schreibt EY-Parthenon (ehemals OC&C) in einem gerade erschienenen Paper zum Thema. “In-Store-Daten sind die neue Währung für Kundenbindung und ‑Akquise.” Außerdem könnten Unternehmen Umsatzsteigerungen durch Kanaltransparenz und vernetzte Prozesse z.B. im Bestandsmanagement erwirtschaften. „Das klassische Multichannel-Konzept ist aber in der Tat tot, wenn es mit wahllosen Investitionen in vollintegrierte Services einhergeht – Services, die der Kunde kaum nutzt oder nicht hinreichend zu schätzen weiß und die dementsprechend auch nicht den nötigen Zuwachs an Ertrag bringen, um die Mehrkosten zu decken.“
Wie auch immer: Hier liegt eine der ganz großen Baustellen für die kommenden Jahre. Die Branche hat die Vertikalisierung kaum gemeistert. Jetzt bricht die Digitalisierung über sie herein. Fast hätte ich geschrieben: Handel ist Wandel.
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Ein aktueller Nachtrag zum Thema: Die Augmented Reality-App, die Zara am Donnerstag in ausgewählten Stores an den Start geschickt hat, ist ein perfektes Beispiel für Kundenansprache im Omnichannel-Kontext: