Passiert large

Die Queen und wir

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Jürgen Müller

Der Tod von Elisabeth II hat diese Woche fast alle anderen Themen und Probleme überlagert, wenigstens vorübergehend. Monarchie ist um Marx abzuwandeln bekanntlich Opium fürs Volk. Es handelt sich aber auch um eines jener epochalen Ereignisse, bei dem man vermutlich noch in Jahren sagen wird können, in welcher Situation man zuerst davon gehört hat. Selbst Nicht-Windsors hatten das Gefühl, die seit jeher präsente Queen gehörte irgendwie zur Familie. Mit ihr verschwindet eine weitere Konstante aus unserem Leben. Der Wandel ist einfach unerbittlich.

Man muss im Übrigen kein Monarchist sein, um die rituelle Prachtentfaltung zu bewundern, zu der neben dem britischen Königshaus wahrscheinlich nur noch der Vatikan fähig ist beides Institutionen, die die Macht der Bilder lange nutzten, bevor Instagram auch nur vorstellbar war, und deren Macht heute vielleicht sogar entscheidend auf Inszenierung basiert. Eine Parallele zum Modebusiness?

Es mag täuschen, aber die Modewelt schien von der Todesnachricht besonders ergriffen zu sein. Die Feeds der Fashion Bubble füllten sich mit Queen-Motiven. Nicht nur die britischen Designer, Modeunternehmen und Medien kondolierten, sondern auch ganz gewöhnliche Instagram-User kramten im Netz nach sharebarem Queen-Content. Möglicherweise gibt es ja so etwas wie eine historische Verbundenheit der Modeleute mit der Krone. Schließlich gehörten die Königshäuser im 19. Jahrhundert zu den ersten Kunden der Haute Couture, bis die sog. „Demokratisierung der Mode“ Ende des 20. Jahrhunderts die Entwürfe der Maisons auch für Krethi und Plethi erschwinglich gemacht hat.

Was wir eigentlich an Elisabeth bewunderten, war ihre Kenntnis der Codes und Ihre Sicherheit im Setzen subtiler Signale.

Jetzt liest man in den Medien vom modischen Einfluss der Königin, und Modeleute schwärmen von ihrem eleganten Auftritt. Dies verkennt, dass diese Institution eigentlich genau das Gegenteil des zeitgeistigen Wandels verkörpert, der der Mode immanent ist. The Crown-Gucker werden wissen, dass sich die britische Monarchie immer nur der Zeit angepasst hat, wenn es gar nicht mehr anders ging. Immerhin haben die zeitlosen farbigen Kostüme und Hüte die Queen zu einer ikonischen Marke gemacht; ein Effekt, den auch eine Angela Merkel für sich nutzte, der aber mit Mode nichts zu tun hat.

Was wir eigentlich an Elisabeth bewunderten, war ihre Kenntnis der visuellen Codes und ihre Sicherheit im Setzen subtiler Signale. Da sie sich als repräsentative Monarchin nicht ins politische Geschäft einmischen konnte, blieb ihr nur die dezente Kommentierung des Zeitgeschehens durch ihre Kleiderwahl. Zum Beispiel als sie den Brexit-Beschluss ihrer Regierung im blauen Hut mit gelben Blümchen-Applikationen verkündete. Oder das OP-Kittel-grüne Kleid bei ihrer Fernsehansprache zur Corona-Krise, ein Signal an die erschöpften Mitarbeiter im britischen Gesundheitswesen. Oder zuletzt das gelbe Kleid, das Elisabeth zur Eröffnung der nach ihr benannten U‑Bahnlinie in London trug, und das man als Solidaritätsadresse an die Ukraine sehen durfte.

Mode war ihr Medium. Dieser bedachte Umgang mit Bekleidung ist den meisten Menschen heute leider verloren gegangen. Für Modeleute vielleicht ein weiterer Grund zu trauern.