Sind Popstars die neuen Modedesigner? Das Engagement von Pharrell Williams bei Louis Vuitton löst immer noch diesen Reflex aus. Dabei wissen wir alle, dass der neue Creative Director mitnichten die Menswear-Kollektionen von Louis Vuitton entwickeln wird. Das macht wie bisher ein Team von Modeprofis, und Pharrell nickt die Artikel dann höchstens nochmal ab. Der Superstar liefert Ideen (um nicht von „Vision“ sprechen zu müssen), vor allem sorgt er für Publicity. 14,3 Millionen Instagram-Follower sind da schon mal ein Pfund. Und er liefert den Buzz: „König Midas der Coolness“ nennt ihn Alessandro Maria Ferreri in der TW, „jemand, der alles, was er anfasst, cool werden lässt“.
Popstars sind also nicht die neuen Designer. Aber Designer sind auch nicht mehr zwangsläufig die Aushängeschilder von Modemarken. So sieht man es offenbar bei LVMH, während Kering & Kollegen nach wie vor Designer-Schach betreiben.
Das hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass man sich bei Louis Vuitton über den Status einer Modemarke längst hinaus gewachsen sieht. Hier geht es darum, ein Identifikationsangebot für einen luxuriösen Lebensstil zu schaffen und zu einer Art kultureller Instanz zu werden.
Im Zentrum steht bei so einem Ansatz gar nicht mehr die eigentliche Ware (obwohl man das in Paris natürlich bestreiten würde). Das Produkt ist vielmehr die Marke. Die Arbeit der Designer verliert damit relativ an Bedeutung. Die Marke muss mit Werten aufgeladen und zeitgemäß kommuniziert werden. Das funktioniert immer noch am besten über Persönlichkeiten. Die Taschen und T‑Shirts sind dann lediglich das Surrogat der Marke – letztlich eine Art Merch-Artikel, die bezeugen, dass man dazu gehört. Der Unterschied zum Fan-Shirt liegt – böse gesagt – nur noch im Preis. Und das funktioniert dann auch im Metaverse.
Pharrell Williams ist der bestmögliche Nachfolger für Virgil Abloh. Dessen Ernennung in 2018 war der eigentlich revolutionäre Schritt für Louis Vuitton.
Das bleibende Verdienst von Virgil Abloh ist, Louis Vuitton im Hier und Jetzt verankert zu haben, indem er der einst spießigen Marke eine hippe Brücke in die Streetwear gebaut hat. Seine Ernennung im Jahr 2018 war der eigentlich revolutionäre Schritt. Mit Pharrell Williams – der anders als sein Freund Virgil nicht als „Artistic Director“, sondern als „Creative Director“ tituliert – hat LVMH den bestmöglichen Nachfolger verpflichtet: ein Künstler und Multitalent, das Kreativität und Unternehmertum vereint, und der als Stilist für Glamour, Diversity und Umweltengagement steht. Und dann kennt ihn auch noch jedes Kind für so fröhliche Hits wie „Happy“ und „Get lucky“.
Wenn all das Gute nicht in seiner Persönlichkeit angelegt gewesen sein sollte, dann hatte Pharrell beim Aufbau seiner personal brand hervorragende Berater. Dass es Louis Vuitton mit Pharrell Williams so ergeht wie Adidas mit Kanye West, ist jedenfalls nicht zu erwarten.
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Und sonst?
…verkleiden sich die Narren im diesjährigen Karneval am liebsten in Markenprodukte. Das verriet Jonas Löw, Einkäufer beim Kostümriesen Deiters der BILD-Zeitung: Auf den ersten vier Plätzen Ahoi Brause, Löwensenf, Kinder-Schokobons und die Flimm-Flasche.
…hat Jonathan Ive das Emblem für die Krönungszeremonie von King Charles entworfen. So viele Schnörkel hätten wir dem iPhone-Designer nicht zugetraut.
…eröffnet Esprit sein neues Headoffice in New York. Ob dort bessere Kollektionen für die deutschen Partner entstehen als in Ratingen?
…trug Rihanna bei ihrem Super Bowl-Auftritt ein Jumpsuit von Loewe und einen Oversize-Mantel von Alaïa sowie MM6 Maison Margiela-Sneaker von Salomon. Und am Ende sprachen alle über ihren Babybauch.