
Giorgio Armani hat uns posthum überrascht. Die Erben sollen das Unternehmen verkaufen, 15 Prozent bis in 18 Monaten und danach bis zu 54,9 Prozent, am besten an eine erste Adresse wie LVMH oder L'Oréal oder Essorluxottica, mit der Armani bereits Geschäftsbeziehungen unterhält. So steht es im Testament.
Es ist ein doppeltes Eingeständnis. Giorgio Armani sah seine Verwandtschaft offenbar nicht als zukunftssichere Lösung. Das ist sie ganz objektiv nicht: Schwester Rosanna ist 86, Neffe Andrea und die Nichten Silvana und Roberta in den 50ern, sein Partner Leo dell'Orco ist 72.
Zweitens bestätigt er die These, dass selbst eine milliardenschwere Marke wie Armani heute nicht mehr unabhängig zu führen ist, sondern der Ressourcen eines internationalen Multis bedarf. Das war Giorgio Armani vermutlich lange klar. Wie es aussieht, hatte er als Alleinherrscher bloß keine Lust, dass ihm ein Konzernhansel reinquatscht.
Bernard Arnault wiederum fühlt sich durch die Erwähnung in Armanis Testament erstmal geehrt, "dass er uns als einen Akteur bezeichnet, der eine Partnerschaft mit dem außergewöhnlichen Haus, das er aufgebaut hat, eingehen könnte", so die gestelzte Formulierung.
Wenn es nicht pietätlos wäre, dann könnte der LVMH-Chef den Todesfall auch einen Glücksfall nennen. Denn der Luxuskonzern hat in den letzten sechs Monaten rund ein Drittel seines Werts verloren. Da käme die Übernahme eines Schwergewichts wie Armani als Wachstumsimpuls gerade recht. Sofern der Preis stimmt. Denn der schlaue Armani hat natürlich mehrere potenzielle Partner benannt und als Alternative auch einen Börsengang als Exit-Option nicht ausgeschlossen. Das dürfte den Bieterwettbewerb anheizen. Überdies sollen die Familie sowie Armanis Stiftung eine Sperrminorität behalten.
An solchen Bedingungen ist kürzlich auch der Einstieg von Hugo Boss bei Bogner gescheitert. Die Metzinger scheinen ebenfalls Ausschau zu halten nach potenziellen Deals, die den Börsenkurs beflügeln. Organisches Wachstum gibt der Markt zurzeit leider kaum her. Zuletzt wurde Hugo Boss auch Interesse an Closed nachgesagt, um das sich nach der Insolvenz mehrere Bieter rangeln.
Bei seinem Auftritt beim World Department Store Summit im vergangenen Herbst zeigte sich Daniel Grieder mit den Fortschritten seiner Claim 5‑Strategie zufrieden. Dass die Börse die im Branchenvergleich stramme Performance nicht honoriert, wurmte den Hugo Boss-CEO allerdings sichtlich. Der Kurs hat sich seither nicht wirklich weiterentwickelt, und Shortseller wetten auf Verluste.
Eine gegenläufige Entwicklung zeigt indes Kering. Seit ein paar Monaten geht es mit der Aktie aufwärts, nachdem der Gucci-Absturz den Wert des Konzerns in diesem Frühjahr beinahe halbiert hat. 77 Prozent Gewinn hat eingefahren, wer im April in die Aktie investiert hat. Insbesondere die Berufung von Luca de Meo zum neuen CEO im Juni brachte einen Schub: Die Kursverluste bei Renault und der Kursgewinn bei Kering nach der Nachricht von de Meos Wechsel addieren sich auf 3,6 Milliarden. Im Fußball würde man von einem Unterschiedsspieler sprechen.
Wenn operativ die richtigen Entscheidungen fallen, dann klappt's langfristig auch mit dem Shareholder Value.
Die Entwicklung bei Hugo Boss, wo die Personalie Grieder einen ähnlichen Effekt hatte, zeigt, dass solche Effekte nicht nachhaltig sein müssen. Hier wie da gilt im Übrigen: Entscheidend ist auf'm Platz. Wenn operativ die richtigen Entscheidungen fallen, dann klappt's langfristig auch mit dem Shareholder Value.
De Meo ist dabei, Schlüsselpositionen neu zu besetzen. Diese Woche wurde Francesca Bellettini zur Gucci-CEO ernannt. Die Übernahme der restlichen Valentino-Anteile wurde nochmal verschoben. Und Kering scheint Ballast abwerfen zu wollen, zu dem wie es aussieht, auch Puma gehört. Dass ein US-Investor eine Übernahme durch Adidas ins Spiel brachte, hat nicht nur romantische Fantasien einer späten Beilegung des legendären Bruderzwists von Herzogenaurach geweckt. Der Puma-Kurs schnellte in freudiger Erwartung eines anstehenden Deals innerhalb eines Monats um ein Drittel nach oben.
Nicht wenigen bei Adidas dürfte indes das Reebok-Abenteuer noch in den Knochen stecken. Wahrscheinlicher ist, dass ein Finanzinvestor oder ein Markensammler wie die Authentic Brands Group bei Puma einsteigt. Die Firma hat seinerzeit auch Reebok übernommen. Als Investorenvehikel und potenzieller Börsenkandidat braucht auch ABG Stoff für seine Verkaufsstory.
Last but not least hat VF diese Woche Dickies verkauft. Übernehmer ist Bluestar, ein anderer US-Markensammler, zu dem auch Scotch & Soda, Off-White und Palm Angels gehört. Deren Geschäftsmodell scheint zu sein, börsennotierten Konzernen, die zwecks Kurspflege desinvestieren wollen, eine Last abzunehmen.
Vordergründig war es kein guter Deal für VF. Man hatte Dickies vor acht Jahren für 820 Millionen Dollar gekauft. Der Verkaufserlös blieb 200 Millionen darunter. Der VF-Kurs ging dafür gestern um rund 5 Prozent nach oben. Macht 300 Millionen Mehrwert für die Shareholder.