Wie gerne würden wir uns zum Jahresbeginn erfreulicheren Themen zuwenden. Doch leider hat Corona die Branche immer noch fest im Griff. Erwartungsgemäß hat das Virus die Bilanzen rot infiziert. Über viele Jahre hochprofitable Unternehmen wie P&C West, S. Oliver oder Marc Cain – alle legten sie im Dezember ihre Verluste für das Geschäftsjahr 2020 offen. Selbst Breuninger, der über ein sehr relevantes Online-Business verfügt, ist es 2020 nicht gelungen, die Lockdown-Einbußen aufzufangen. Man möchte gar nicht wissen, wie es um weniger erfolgreiche Player steht.
Das Weihnachtsgeschäft stand bereits unter dem Eindruck der anrollenden Omikron-Welle. 80 Prozent der Einzelhändler waren laut TW mit den Ergebnissen unzufrieden; dabei waren die Erwartungen vermutlich ohnehin nicht hoch. Um erneute 12 Prozent ist der Umsatz im stationären Einzelhandel 2021 gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, meldet die TW, und 2020 war mit einem historischen 30 Prozent-Minus bereits ein Desaster. In derselben Ausgabe schreibt Kerstin Florack-Abromat von einem grandiosen Börsenjahr, der DAX legte 16 Prozent zu, die Modeaktien blieben mit einem Zuwachs von 2 Prozent – wen wundert’s – weit dahinter zurück. Zu den großen Gewinnern zählten übrigens Hugo Boss und Gerry Weber, wo mit Daniel Grieder und Angelika Schindler-Obenhaus neuer Schwung eingekehrt ist, während die Kurse von Online-Größen wie Zalando nach der Corona-Hausse 2020 in 2021 zweistellig rückläufig waren.
Trotz Corona war die Zahl der Insolvenzen 2021 deutlich rückläufig. Die staatlichen Stützungsmaßnahmen haben vielerorts das Schlimmste verhindert. „Wir gehen davon aus, dass es relativ viele Zombie-Unternehmen im stationären Einzelhandel gibt, da diese eigentlich kein funktionierendes Geschäftsmodell mehr haben“, so Falkensteg-Berater Sebastian Wilde in der TW. „Laufen die Hilfen aus, dann dürften diese Zombies recht schnell umfallen.“ Wenn der Staat derzeit zu Unrecht ausgezahlte Überbrückungsgelder zurückfordert, dürfte das einige hart treffen. Eine gute Nachricht für Filialisten ist indes die diese Woche getroffene Entscheidung des Bundesgerichtshof, dass Händler wegen des staatlich verhängten Lockdowns grundsätzlich Anspruch auf Mietminderung haben.
Ein Drama ist die Pandemie für die Messen. Fast alle Veranstaltungen wurden abgesagt oder verschoben, leider auch die Fashion Week-Premiere in Frankfurt. Nur Florenz hat die Pitti diese Woche durchgezogen. "Wir haben keinen Moment daran gezweifelt", so Pitti-CEO Raffaello Napoleone zur TW. Wer’s glaubt…
Auf der anderen Seite nutzen solvente Player die Chancen, die die Krise bietet. So übernahm Home24 die hundert Butlers-Filialen zu einem Kaufpreis von bis zu 100 Millionen Euro. Das ist schon allein deshalb interessant, weil da ein börsennotierter Onlineanbieter stationär geht. Das werden wir in Zukunft wohl öfter sehen. Ob das in diesem Fall ein strategisch sinnvoller Move ist oder eher der Kurspflege dienen sollte? Die Home24-Aktie ist nach anfänglichen Kursgewinnen wieder abgerutscht.
Während die einen überlegen, wie sie die 2G-Kontrollen im Laden organisieren sollen und die Mitarbeiter im Umgang mit Impfgegnern schulen, beschäftigen sich die anderen mit dem Metaverse. Angesichts der existentiellen Corona-Probleme erscheint das fast als so etwas wie kommerzieller Eskapismus.
Auch die Übernahme von Selfridges durch Central/Signa gehört in die Kategorie Chancennutzung. Nach dem Tod des Firmenpatriarchen Galen Weston war dessen Familie verkaufswillig; die miserablen Ergebnisse – ein Umsatzeinbruch von 45 Prozent in 2020/21 – werden die Lust auf das Erbe nicht eben gesteigert haben und womöglich auch den Kaufpreis gedrückt haben. Langfristig ist es ein erfolgversprechender Move. Mit der Übernahme entsteht der dominante Player im europäischen Luxury Department Store Business, der Unternehmen wie die KaDeWe Group in Deutschland, Rinascente in Italien, Illum in Dänemark und Globus in der Schweiz mit Selfridges in London, Manchester und Birmingham, de Bijenkorf in den Niederlanden und Brown Thomas Arnotts in Irland unter ein Dach bringt – allesamt Top-Adressen, die bei umsichtiger und kompetenter Führung auch dann noch funktionieren werden, wenn Online mal der dominierende Vertriebskanal sein sollte. Und mit einer Einkaufsmacht, der sich keine Luxusmarke verschließen wird können.
Und während die einen überlegen, wie sie die 2G-Kontrollen im Laden organisieren sollen und die Mitarbeiter im Umgang mit Impfgegnern schulen, beschäftigen sich die anderen mit dem Metaverse. Angesichts der existentiellen Corona-Probleme erscheint das fast als so etwas wie kommerzieller Eskapismus.
So soll im März die erste Fashion Week im Metaverse stattfinden, schreibt die TW. H&M plant die Eröffnung des ersten virtuellen Stores im Metaverse Ceek City, meldete Internet World. Verfrüht, wie sich herausstellte, H&M dementierte. Dafür gibt’s ein Gewinnspiel mit GoT-Star Maisie Williams, wo es irgendwie um digitale Mode geht, die freilich noch nicht verkauft wird, sondern den Gewinnern für ihre Social Media-Profile gestellt wird. Procter & Gamble betritt mit Beautysphere das Metaversum, verkündet Fashionnetwork, was sich dann aber zunächst mal als hübsch animierte Website entpuppt. Werden Marken sich am virtuellen Rodeo Drive im Metaverse einmieten, fragt BoF. Und: Wen soll man eigentlich einstellen, um sich für das Metaverse zu wappnen?
Bevor man solche Personalkosten aufbaut, sollte vielleicht nochmal einer erklären, wo man dieses Metaverse eigentlich findet.
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Und sonst?
…waren die gelben Shirts und Pullis von der baden-württembergischen Imagekampagne „The Länd“ im Dezember ausverkauft. Natürlich „Made on the Swabian Alb“, bei Trigema. „Das waren 3000 Shirts und 1000 Hoodies. Bis Mitte Januar kommen nochmal 2000 Hoodies dazu. Und eine dritte Bestellung ist auch schon eingegangen, die werden wir bis Ende März liefern“, verspricht Wolfgang Grupp.
…sorgte Rammstein-Sänger Till Lindemann als Burger essender Vegetarier im Lagerfeld-Look für Irritation auf mehreren Ebenen. Karl hätte das gefallen. Die Idee ist dem Kunstfilm „Andy Warhol Eating a Hamburger“ entlehnt, das Lindemann bereits im vergangenen Jahr für Veganuary nachgedreht hatte. Wenn auch nicht mit ganz so viel Resonanz.
…amüsierte sich „das Netz“ über Jeff Bezos‘ prolligen Silvester-Auftritt. Uneinig war man sich, ob das geschmacklose Hemd 725 oder 12.000 Dollar gekostet hat. „Wenn es das ist, was 170 Milliarden aus einem Mann machen, dann bleib ich doch lieber bei meinem Hartz IV", so ein Kommentar.
…schlechte Beschäftigungsperspektiven für Visual Merchandiser in Afghanistan: Die Taliban wollen Schaufensterfiguren verbieten. Diese seien als Götzenbilder unislamisch. Tja. Als Sofortmaßnahme sollen Ladenbesitzer den Figuren die Köpfe absägen. Wie man es von den Islamisten kennt, haben sie Videos von den Enthauptungen ins Internet gestellt.